Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(27): 1552
DOI: 10.1055/s-2006-947795
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Akupunktur quo vadis? - Zuschrift Nr. 1

Zum Beitrag aus DMW 10/2006D. Wettig
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Publication Date:
30 June 2006 (online)

Bei den ART-Studien gibt es leider teilweise Probleme, denn die „Blind”-Studien wurden nicht vollkommen verblindet. Nun weiß leider keiner für alle Studienteile so genau, wie denn der Effekt der Akupunktur im Vergleich zur Plazebo-Akupunktur ist.

Die Autoren der im Artikel [15] erwähnten Studien schildern die Ergebnisse der deutschen ART-Studien zur Wirksamkeit der Akupunktur in vier Indikationsgebieten und stellen fest, dass zwar Verum- und Sham- (Minimal-/oberflächliche) Akupunktur besser als die Therapie der Vergleichsgruppen (Wartelistekontrollen) wirkten, bis auf eine Ausnahme (Gonarthroseschmerzen) aber die Verum- der Sham-Akupunktur nicht überlegen war. Nach 6 bzw. 12 Monaten zeigten sich gar keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen der Verum- und der Sham-Akupunkturgruppe in allen vier Diagnosegruppen.

Bei diesen „Blind”-Studien kam es aber leider zur vorzeitigen Veröffentlichung des eigentlich geheimen Studiendesigns. Die entblindenden Veröffentlichungen der detaillierten Studienpläne erfolgten durch die Autoren selbst im Oktober 2003 sowohl in Zeitschriften [1] [2], als auch im Internet [3] [4]. Selbst in den Abstracts im Internet [3] [4] finden sich entblindende Informationen. Die Internetquellen waren nicht durch einen DocCheck-Zugang (http://www2.doccheck.com/) geschützt, mithin hatten auch Probanden der Studie leichten Zugang dazu. Durch diese Veröffentlichungen konnten sich Probanden über das Studiendesign, inklusive aller verwendeten Akupunkturpunkte, genauestens informieren. Hier nur ein kurzer Auszug aus den vorzeitig veröffentlichten ART-Prüfplänen mit einigen Punktangaben:

„ ...Gb20, Gb 40, 41 or 42, Du 20. Liv 3, SJ 3 or 5, ...optional Du 23, Bl 2, Gb14, LI 4, St 4... ”

Die Lage von Akupunkturpunkten können selbst Laien mit öffentlich und kostenlos zugänglichen Informationen und Bildern aus dem Internet [5] leicht bestimmen. Und ob man oberflächlich oder tief gestochen wurde, konnte jeder Proband spüren oder durch einfaches Hinschauen leicht erkennen. Alle diese Probanden waren danach entblindet.

Deshalb können alle Teile der ART-Studien, die nach den entblindenden Veröffentlichungen stattfanden, nicht mehr als sichere Blindstudien gelten. Probanden der Sham-Akupunkturgruppe konnten sich aus Frustration, zu dieser Gruppe zu gehören, unerlaubt - und ohne Mitteilung an den Prüfarzt - Zusatztherapien, auch auf KVK, besorgt und dadurch ihren Therapieerfolg wesentlich verbessert haben. Scheinbares Ergebnis: Sham-Akupunktur wirkt genau so gut wie Verum-Akupunktur.

Auch die GERAC-Studien zur Akupunktur gaben Prüfpläne ganz oder teilweise vorzeitig preis [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12], valide Ergebnisse sind deshalb auch von dort nicht zu erwarten.

Überdies durften bei den ART- und GERAC-Studien, die die Krankenkassen zusammen über 10 Mio. Euro kosteten, auch Probanden mit Akupunkturvorerfahrung teilnehmen [13] [14], denen es ein Leichtes war, zwischen Verum- und Sham-Akupunktur zu unterscheiden. Auch diese Sham-Probanden konnten sich heimliche Zusatztherapien holen und ihre Schmerzen dadurch signifikant verringern. Ehrliche Antworten auf die Entblindungsfrage waren dann nicht mehr zu erwarten.

Falls die Akupunktur nun im März vom GBA als GKV-Leistung anerkannt wird, muss nun mit einer erheblichen Honorarabwertung dieser Leistung im EBM gerechnet werden. Mögliche Begründung: Stechen kann ja jede Ärztin, jeder Arzt, „egal wohin”.

Literatur

  • 1 Brinkhaus B, Becker-Witt C, Jena S, Linde K, Streng A, Wagenpfeil S, Irnich D, Hummelsberger J, Melchart D, Willich S N. Acupuncture Randomized Trials (ART) in Patients with Chronic Low Back Pain and Osteoarthritis of the Knee - Design and Protocols.  Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkd. 2003;  10 185-191
  • 2 Melchart D, Linde K, Streng A, Reitmayr S, Hoppe A, Brinkhaus B, Becker-Witt C, Wagenpfeil S, Pfaffenrath V, Hammes M, Willich S N, Weidenhammer W. Acupuncture Randomized Trials (ART) in Patients with Migraine or Tension-Type Headache - Design and Protocols.  Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkd. 2003;  10 179-184
  • 3 http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Doi = 73474
  • 4 http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Doi = 73 473
  • 5 http://www.acuxo.com/meridianPictures.asp?point = PC1&meridian = Pericardium
  • 6 http://www.liebertonline.com/doi/abs/10.1089 %2F107555303322524616
  • 7 Prüfplan GERAC - Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur bei gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen,. Heidelberg Scharf, Witte, Streitberger, Mansmann, Wollermann, Krämer, Victor 2003
  • 8 http://www.amib.ruhr-uni-bochum.de/download/Studienplan_V4.2.pdf
  • 9 http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id = 32190
  • 10 http://www.gerac.de/deu/download/Masternplan_V9.0_BK.doc
  • 11 http://www.biometrie.uni-heidelberg.de/publikationen/44_gerac.pdf
  • 12 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd = Retrieve&db = PubMed&list_uids = 12647 733&dopt = Citation (in: Z Orthop u Ihre Grenzgeb)
  • 13 Beispiel: Ausschlusskriterium GERAC-Gonarthrose: „....jemals gegen gonarthrosebedingte Beschwerden durchgeführte Behandlung mit Nadel-Körperakupunktur ODER jede Nadel-Körperakupunktur im letzten Jahr,...” (s. a. http://www.biometrie.uni-heidelberg.de/publikationen/44_gerac.pdf ) Mit anderen Worten: Patienten, die vor mehr als einem Jahr Akupunktur hatten, durften teilnehmen, wenn die damalige Akupunktur nicht wegen Gonarthrose durchgeführt worden war
  • 14 Beispiel: ART-Studien:. http://www.angelfire.com/sc/naturheilverfahren/Zi/ARTacubefore.jpg unter http://www.angelfire.com/sc/naturheilverfahren/Zi/ARTacubefore2.jpg
  • 15 Backer M, Tao I, Dobos G J. Akupunktur - quo vadis? Zur aktuellen Diskussion um Wirksamkeit und „Punktspezifität” der Nadeltherapie.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 506-511

Dr. med. Dieter Wettig

Facharzt für Allgemeinmedizin

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