Der Klinikarzt 2006; 35(8): XI
DOI: 10.1055/s-2006-950462
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Modernes Thrombosemanagement - Thromboembolieprophylaxe bei Schlaganfall und Vorhofflimmern

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Publication Date:
06 September 2006 (online)

 
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Niedermolekulare Heparine haben sich mittlerweile bei der Prophylaxe und Therapie von Thromboembolien bewährt - und ihr Indikationsspektrum ist in den letzten Jahren immer breiter geworden. Eine gewisse Sonderstellung hat derzeit das Certoparin (Mono-Embolex®) inne, das als einziger Wirkstoff dieser Substanzklasse auch zur Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten zugelassen ist.

Grundlage hierfür war die PROTECT-Studie: Laut der Intent-to-treat-Analyse entwickelten 17 Patienten (6,6%) unter Certoparin eine tiefe Beinvenenthrombose, berichtete Prof. G. Hamann, Wiesbaden, während in der Kontrollgruppe 23 Patienten (8,8%) betroffen waren. Wesentliche Unterschiede bezüglich der Blutungskomplikationen - auch bezogen auf intrakranielle Blutungen - waren dabei nicht zu sehen, meinte er.

Über die Dauer dieser Prophylaxe gibt es bislang keine Daten. Hamann empfahl jedoch, die Heparinprophylaxe beizubehalten, so lange relevante Paresen und eine Immobilisation bestehen.

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Vorhofflimmer-Patienten vor dem Schlaganfall schützen!

Bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) ist der ischämische Schlaganfall die am meisten gefürchtete Komplikation, erklärte Prof. U. Tebbe, Detmold - nicht nur, aber insbesondere bei älteren Patienten. Eine orale Antikoagulation könne das relative Schlaganfallrisiko um etwa 62%, die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) jedoch nur um relative 22% reduzieren.

Im Einzelfall müssen jedoch Nutzen und Risiko der Antikoagulation (weniger Thromboembolien bzw. mehr Blutungen) sorgfältig abgewogen werden. So ist zum Beispiel bei Vorhofflimmer-Patienten mit einem niedrigen Schlaganfallrisiko das Blutungsrisiko höher als der potenzielle präventive Effekt der Behandlung. "Solche Patienten sollten daher nur ASS erhalten", so Tebbe.

Indiziert ist die orale Antikoagulation dagegen bei hohem Schlaganfallrisiko - und vor allem bei Patienten mit Vorhofflimmern, die bereits einmal einen Schlaganfall oder auch eine transiente ischämische Attacke (TIA) erlitten haben. Etwas schwieriger ist die Entscheidung bei VHF-Patienten mit mittlerem Schlaganfallrisiko: In diesem Risikokollektiv scheinen jedoch besonders ältere Patienten mit kardialer Grunderkrankung von einer oralen Antikoagulation zu profitieren.

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Kardioversion am besten unter Heparinschutz

Bei Patienten mit Vorhofflimmern, die sich einer Kardioversion unterziehen müssen, empfahl Tebbe den Einsatz von Heparin als Intervalltherapie. Bislang war das unfraktionierte Heparin in dieser Situation der Standard. Doch in der ACE[1]-Studie hat sich gezeigt, dass niedermolekulare Heparine dem unfraktionierten Heparin ebenbürtig, möglicherweise sogar tendenziell überlegen sind.

Niedermolekulare Heparine haben dabei den Vorteil, dass eine Gerinnungskontrolle in der Regel nicht notwendig ist. Bei Certoparin kommt dann noch dazu, dass es als einziges niedermolekulares Heparin unabhängig vom Körpergewicht dosiert wird, die subkutane Gabe also vergleichsweise einfach ist.

Wie wirksam Certoparin in dieser Kardioversionsphase ist, prüft derzeit die AFFECT[2]-Studie, deren endgültige Ergebnisse voraussichtlich Ende des Jahres vorliegen werden. "Bislang haben wir in der offenen Studie unter Certoparin weder nennenswerte Blutungskomplikationen noch thromboembolische zerebrale Komplikationen registriert. Daher erwarten wir, dass auch Certoparin in dieser Phase einen gangbaren Weg darstellt", schloss Tebbe.

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Geringere Gefahr für heparininduzierte Thrombozytopenien Typ II

Paradoxe Gefäßverschlüsse unter einer Heparintherapie - also so genannte heparininduzierte Thrombozytopenien (HIT) vom Typ II - sind seltene aber gefürchtete Komplikationen der Heparinbehandlung. Ursache ist eine immunologisch vermittelte Reaktion auf das Heparin, was zu einer vermehrten Bildung von Thrombin führt und so der Bildung von venösen und arteriellen Blutgerinnseln Vorschub leistet - also genau das, was die Heparinisierung eigentlich verhindern sollte.

Abhängig vom Eingriff und der verwendeten Substanz

Wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung solcher thromboembolischer Komplikationen sind die Schwere des Eingriffs und das verwendete Heparin, erklärte Prof. A. Greinacher, Greifswald. So muss man mit einer HIT-Rate von 2,5-3% rechnen, wenn man nach der Implantation einer Hüftprothese die Thromboembolieprophylaxe mit unfraktioniertem Heparin durchführt. Mit nur 0,1% ist die Rate unter der Gabe von niedermolekularen Heparinen deutlich geringer.

Ähnliches zeigen auch die aktuellen Daten der HIT-TRAP[3]-Studie für unfallchirurgische Patienten. Unter der Therapie mit dem niedermolekularen Heparin Certoparin traten hier bei nur 0,3% der Patienten HIT-II-Reaktionen auf. Bestand die Prophylaxe jedoch aus unfraktioniertem Heparin, erlitten 1,9% der Patienten eine heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ II. Besonders gefährdet waren übrigens ältere Patienten mit größeren Traumen (z.B. Becken- oder Oberschenkelbruch).

sts

Quellen: Satellitensymposien "Modernes Thrombosemanagement" auf dem 123. Deutschen Chirurgenkongress und dem 112. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, veranstaltet von der Novartis GmbH, Nürnberg

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