Rofo 2006; 178(11): 1162-1164
DOI: 10.1055/s-2006-956537
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Die Teilgemeinschaftspraxis in der Radiologie (Teil 2)

Keine Öffnung für Kooperationen mit Zuweisern durch das VÄndG
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Rechtsanwälte Wigge & Kleinke

RA Dr. Peter Wigge

Fachanwalt für Medizinrecht

Email: kanzlei@ra-wigge.de

URL: http://www.ra-wigge.de

Publication History

Publication Date:
07 November 2006 (online)

 
Table of Contents

In dem Gesetzentwurf des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) wird die Problematik der potenziellen Einflussnahme auf die medizinische Entscheidung des Radiologen sowie anderer überweisungsabhängiger Fächer gesehen und versucht, diese durch ein grundsätzliches Verbot der Gründung von Teilgemeinschaftspraxen zwischen therapeutisch tätigen und überweisungsabhängigen Fachgebieten zu unterbinden. Der Kabinettsentwurf vom 18.05.06 sieht diesbezüglich in § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV folgende Regelung vor: "Die gemeinsame Berufsausübung bezogen auf einzelne Leistungen ist zulässig, sofern diese Berufsausübungsgemeinschaft nicht zur Erbringung überweisungsgebundener medizinisch-technischer Leistungen mit überweisungsberechtigten Leistungserbringern gebildet wird."

Die fachgebietsüberschreitende Erbringung überweisungsgebundener medizinisch technischer Leistungen nach in § 13 Abs. 4 BMV-Ä bzw. § 7 Abs. 4 EKV (z.B. Labor, Nuklearmedizin, Radiologie) soll danach im Vertragsarztrecht grds. ausgeschlossen werden. In der Gesetzesbegründung zum VÄndG finden sich hierzu folgende Erwägungen: "Satz 3 erlaubt die Bildung von Berufsausübungsgemeinschaften zur Übernahme spezifischer, auf die Erbringung bestimmter Leistungen bezogener Behandlungsaufträge, z.B. Kinderarzt und Neurologe bilden - neben ihren weiterhin bestehenden Einzelpraxen - eine Berufsausübungsgemeinschaft zur Behandlung kinderneurologischer Erkrankungen; nicht erlaubt werden allerdings sog. Kickback-Konstellationen, bei denen ein Arzt eines therapieorientierten Fachgebietes (z.B. Gynäkologe) eine Berufsausübungsgemeinschaft eingeht mit einem Arzt eines Methodenfaches (z.B. Labor), um das berufsrechtliche Verbot der Zuweisung gegen Entgelt zu unterlaufen."

Dieses Verbot tangiert nicht die Zulässigkeit der Bildung von Teilgemeinschaftspraxen innerhalb eines methodendefinierten Fachgebietes, also z.B. zwischen mehreren Radiologen an verschiedenen Standorten. Ebenfalls zulässig sind entsprechende Vertragskonstellationen zwischen unterschiedlichen methodendefinierten Fachgebieten, z.B. zwischen Radiologen und Nuklearmedizinern, da aufgrund des Verbotes der Weiterüberweisung durch einen überweisungsabhängigen Vertragsarzt gemäß § 24 BMV-Ä, § 27 EKV die in dem Gesetzentwurf zum VÄndG beschriebene Gefahr von "Kickback-Konstellationen" nicht besteht.

Klärungsbedürftig ist auch noch die Terminologie, da die gesetzliche Regelung von ""berweisungsgebundenen medizinisch-technischen Leistungen" und die Gesetzesbegründung von dem "Arzt eines Methodenfaches" spricht. Der Überweisungsvorbehalt der sog. methodendefinierten Fachgebiete ist in den § 13 Abs. 4 BMV-Ä bzw. § 7 Abs. 4 EKV enumerativ geregelt. Danach können folgende Facharztgruppen nur auf Überweisung eines anderen Facharztes seitens der Versicherten in Anspruch genommen werden: "Ärzte für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Nuklearmedizin, Pathologie, Radiologische Diagnostik bzw. Radiologie, Strahlentherapie, Transfusionsmedizin und die Fachambulanzen mit Dispensaireauftrag (nach § 311 Abs. 2 S. 1 SGB V)". Daneben sind jedoch auch bestimmte ärztliche Leistungen, z.B. Linksherzkatheteruntersuchungen im Bereich der Kardiologie oder Dialyseleistungen im Bereich der Nephrologie, aufgrund des Qualifikationsvorbehaltes nach § 135 Abs. 2 SGB V nur von bestimmten Facharztgruppen erbringbar. Diese Leistungen unterliegen daher faktisch ebenfalls einem Überweisungsvorbehalt. Die Überweisungsabhängigkeit dieser medizinisch-technischen Leistungen bei therapeutisch tätigen Fachgebieten, wird vom Wortlaut der Regelung im Grunde auch erfasst, da auf die Überweisungsgebundenheit medizinisch-technischer Leistungen abgestellt wird. Allerdings ist die Gesetzesbegründung insoweit nicht eindeutig, da sie auf die methodendefinierten Fächer abstellt.

Die Verbotsregelung ist angesichts der wirtschaftlich negativen Auswirkungen von medizinisch nicht indizierten Mengenausweitungen im Bereich der überweisungsabhängigen medizinisch-technischen Leistungen auf die Gesamtvergütung nachvollziehbar. Im Grunde bringt bereits der Überweisungsvorbehalt in den § 13 Abs. 4 BMV-Ä bzw. § 7 Abs. 4 EKV; d.h. das Verbot der direkten Inanspruchnahme der methodendefinierten Fächer diesen Gedanken zum Ausdruck (zum sog. Mehraugenprinzip vgl. nur die Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Kernspintomographie-Vereinbarung vom 31.01.2001, Az.: B 6 KA 24/00 R). Zusätzlich hat der Gesetzgeber im Rahmen des GKV-Modernisierungsgetzes (GMG) die Vorschrift in § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V geschaffen, die dieser Entwicklung entgegentreten soll. Nach dieser Regelung sind die Partner der Bundesmantelverträge berechtigt, Regelungen zu treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Mit der Einführung der Abrechnungsbeschränkung auf bestimmte ärztliche Fachgruppen bei medizinisch-technischen Leistungen in § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V sollte die ärztliche Leistungserbringung in der GKV von den Veränderungen des ärztlichen Berufs- und Weiterbildungsrechts abgekoppelt werden, da es andernfalls zu einer unreglementierten Leistungsausweitung im Bereich medizinisch-technischer Leistungen aufgrund der Problematik der sog. "Selbstzuweisung" kommen könnte (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des GMG v. 08.09.2003, BT-Drucks. 15/1525 (zu Nummer 80; § 135 Buchst. b), S. 277). Auch das Verbot der Teilgemeinschaftspraxis will die medizinisch nicht indizierte Mengenausweitung im Bereich veranlasster medizinischer Leistungen verhindern und ist daher grundsätzlich als legitimes gesetzgeberisches Ziel anzusehen.

Zu fragen ist allerdings, ob das Verbot als verhältnismäßig anzusehen ist, da im Vertragsarztrecht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohnehin sämtliche Verträge, die im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis nach § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV stehen, dem Zulassungsausschuss zur Prüfung vorzulegen sind. Insofern kann die Zulässigkeit einer derartigen Kooperation vor und nach der Genehmigung jederzeit überprüft und ggfls. Beanstandet werden. Darüber hinaus besteht nach den Vorschriften des EBM derzeit noch keine Möglichkeit, die dort aufgeführten Leistungen zwischen mehreren Vertragsärzten aufzuteilen. Die Abrechenbarkeit einer ärztlichen Leistung hängt nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM davon ab, dass der betreffende Vertragsarzt die Leistung vollständig erbracht hat. Ist dies nicht der Fall, ist die gesamte ärztliche Leistung nicht abrechenbar. Darüber hinaus wird in den arztgruppenspezifischen Kapiteln des EBM mittlerweile überwiegend vorgegeben, dass die Leistungen nur von bestimmten Fachärzten, ggf. sogar mit Schwerpunktbezeichnung und Genehmigung nach § 135 Abs. 2 SGB V erbracht werden dürfen. Inwieweit diese Vorgabe im Bereich des Vertragsarztrechts überhaupt zu einer Aufteilung ärztlicher Leistungen im Rahmen einer Teilgemeinschaftspraxis berechtigt, ist bisher nicht geklärt. Wie kann z.B. ein Orthopäde an der Durchführung und Befundung einer MRT-Untersuchung in der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt sein, wenn ihm die Erbringung dieser Leistungen durch die Vorgaben der Kernspintomographie-Vereinbarung untersagt wird? Hier erscheint es denkbar, dass die Leistung dieser Fachärzte über die Ordinationsgebühr abgegolten wird, soweit deren Voraussetzungen gegeben sind.

Das Verbot in § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV in dem Gesetzentwurf zum VÄndG greift aber letztlich auch zu kurz, da es ausweislich der Gesetzesbegründung unterstellt, dass Rückvergütungen und Kickback-Konstellationen nur im Bereich der überweisungsabhängigen Fachgebiete denkbar sind. Soweit das Verbot tatsächlich nur auf die in § 13 Abs. 4 BMV-Ä und § 7 Abs. 4 EKV genannten methodendefinierten Fachgebiete Anwendung finden sollte, bleiben sämtliche übrigen Bereiche medizinisch-technischer Leistungserbringung außer Betracht. Dies gilt insbesondere für die medizinisch-technischen Leistungsbereiche, bei denen mangels Überweisungsvorbehalt das Phänomen der "Selbstzuweisung" zu unzulässigen Leistungsausweitungen führt (z.B. im Bereich des Teilgebietsröntgen). Nicht reglementiert werden dagegen auch diejenigen Leistungsarten, die einem Qualifikationsvorbehalt nach § 135 Abs. 2 SGB V unterliegen, z.B. Dialyseleistungen. Darüber hinaus ist der vom Gesetzgeber diesen Kooperationen regelmäßig unterstellte Zweck einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung zu Lasten der Kostenträger nicht gerechtfertigt. Es ist durchaus belegbar, dass Teilgemeinschaftspraxen mit überweisungsabhängigen Fächern zu einer verbesserten Diagnostik für die Patienten führen.

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Vergütungsregelung wäre sinnvoller

Will man an dem Verbot festhalten, muss man zugestehen, dass im Grunde sämtliche ärztlichen Leistungen, die dem Qualifikationsvorbehalt des § 135 Abs. 2 SGB V unterliegen, die Gefahr einer unzulässigen Kooperation in sich tragen. Insofern sollte unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten in der vertragsärztlichen Versorgung das Verbot auf sämtliche Leistungen im Sinne des § 135 Abs. 2 SGB V erstreckt werden oder geprüft werden, ob das mit der Regelung verfolgte Ziel nicht durch andere, z.B. vergütungsrechtliche Vorschriften erreicht werden kann. Eine deutlich effektivere, aber weniger einschneidende Vorgabe wäre die Einführung von Basisfallwerten und veranlasserbezogener Vergütungsregelungen für medizinisch-technische Leistungen der methodendefinierten Fachgebiete, wie dies die KBV in ihrem Konzept zur neuen Vertragsgebührendordnung (V-GO) vom 29.06.2006 vorgeschlagen hat.

Für auftragnehmende (= überweisungsabhängige) Ärzte soll in den Bundesmantelverträgen geregelt werden, dass sie künftig nur noch mittels Indikations- bzw. Definitionsauftrag tätig werden können, um einen eindeutigen Veranlasserbezug herzustellen. Die Steuerung dieser Leistungen soll über den Veranlasser erfolgen. Das soll zum einen dadurch geschehen, dass ein finanzieller Anreiz in Form eines Zuschlages zum Basisfallwert für wirtschaftliches Verordnen oder Erbringen der medizinisch-technischen Leistungen verankert wird. Dieser Zuschlag wird vom Bewertungsausschuss arztgruppenspezifisch bestimmt und definiert wirtschaftliches Veranlasserverhalten. Gleichzeitig werden für diese Leistungsbereiche fallzahlabhängige Obergrenzen durch den Bewertungsausschuss beschlossen. Bis zu dieser praxisspezifischen Obergrenze können dann Vertragsärzte entsprechende Leistungen eines Leistungsbereiches entweder selbst erbringen oder veranlassen. Damit sind diese Leistungsmengen begrenzt. Überschreitet ein Vertragsarzt die Obergrenze eines jeweiligen Leistungsbereiches, erfolgt ein proportionaler Abzug vom Basisfallwert. Somit wird bei der Überschreitung zunächst der zuvor gewährte Bonus liquidiert und erst weitere Überschreitungen führen zu echten Abzügen vom Basisfallwert. Die veranlasserbezogenen Vergütungsregelungen sollen die durch das AVWG in § 84 SGB V verankerte Bonus-/Malus-Regelung ersetzen.

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Rechtsfolgen für die Leistungserbringungsgemeinschaft

Die ausschließlich im Bereich des Vertragsarztrechts existierende Rechtsfigur der Leistungserbringungsgemeinschaft wird durch das Verbot in § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV allerdings nicht berührt. Als Ausnahme von der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ermöglichen § 15 Abs. 3 BMV-Ä, § 14 Abs. 2 EKV Zusammenschlüsse von Vertragsärzten zur Erbringung "gerätebezogener Untersuchungsleistungen" mit der Maßgabe, dass die ärztlichen Untersuchungsleistungen nach fachlicher Weisung durch einen der beteiligten Ärzte persönlich in seiner Praxis oder in einer gemeinsamen Einrichtung durch einen gemeinschaftlich beschäftigten angestellten Arzt nach § 32 b Ärzte-ZV erbracht werden. Die Leistungen sind persönliche Leistungen des jeweils anweisenden Arztes, der an der Leistungserbringungsgemeinschaft beteiligt ist. Abweichend von dem Grundsatz, dass auch bei gerätebezogenen Untersuchungsleistungen jeder Arzt die Leistung persönlich zu erbringen hat, kann daher durch die Bildung der Leistungserbringungsgemeinschaft eine nicht selbstständig erbrachte Leistung abgerechnet werden, obwohl diese nicht von dem Arzt selbst, sondern durch einen anderen Vertragsarzt und sogar von den eigenen Praxisräumlichkeiten entfernt erbracht worden ist. Entscheidende Voraussetzung ist allerdings, dass die für die Erbringung gerätebezogener Untersuchungsleistungen auf der Grundlage von § 135 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB V ergangenen Anforderungen an die Fachkunde des Arztes (§ 11 BMV-Ä/§ 39 EKV) von allen Mitgliedern der Leistungserbringungsgemeinschaft bzw. dem angestellten Arzt nach § 32 b Ärzte-ZV erfüllt werden. Bei der Leistungserbringungsgemeinschaft handelt es sich um eine Praxisgemeinschaft in der Form der (partiellen) Apparategemeinschaft, bei dem ein Teil der Berufsausübung ausgelagert worden ist, um kostspielige Geräte, Räumlichkeiten und Personal gemeinschaftlich nutzen zu können. Gegen die Annahme einer Teilgemeinschaftspraxis spricht insbesondere, dass es hierfür, wie bereits oben dargestellt, an der erforderlichen Vergesellschaftung des Zwecks i. S. eines gemeinsamen Gesellschaftszwecks fehlt.

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Ergebnis

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Gründung von Teilgemeinschaftspraxen für Radiologen voraussichtlich lediglich im Bereich der privatärztlichen Abrechnung zulässig sein wird. In der vertragsärztlichen Versorgung wird sie durch das VÄndG nur mit anderen Radiologen und/oder anderen methodendefinierten Fachgruppen ermöglicht. Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung der bereits bestehenden Kooperationen zwischen Radiologen und zuweisenden Fachärzten, da selbst berufsrechtlich zulässige Berufsausübungsformen von dem Verbot erfasst werden. Zulässig bleiben dagegen (voraussichtlich) Kooperationen im Sinne der Leistungserbringungsgemeinschaft nach § 15 Abs. 3 BMV-Ä, soweit durch sie keine gemeinsame Berufsausübung in der Rechtsform der Teilgebietsgemeinschaftspraxis vereinbart oder gelebt wird. Selbst wenn man die Sinnhaftigkeit der Verbotsregelung im Vertragsarztrecht nicht abstreiten kann, weil die Einführung der Teilgemeinschaftspraxis bereits öffentlich als Legalisierung der Kick-Back-Modelle dargestellt werden, bleibt doch die Frage, ob vergütungssteuernde Vorschriften im EBM das angestrebte Ziel nicht in gleicher Weise oder sogar besser erreichen würden.

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RA Dr. Peter Wigge

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