„Wir sind in Not, wir brauchen Hilfe”, appellierte Georg Baum, der Hauptgeschäftsführer
der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), an die deutsche Politik. Der Grund für
seinen Aufruf waren die diesjährigen Ergebnisse der seit 2000 jährlich durchgeführten,
repräsentativen Befragung von deutschen Krankenhäusern, die dramatischer ausfielen
als erwartet (www.dkgev.de, www.dki.de.).
So belegt das „Krankenhaus-Barometer 2007”, für das von April bis Juni dieses Jahres
304 Allgemeinkliniken zu ausgewählten Themenschwerpunkten Stellung bezogen haben,
dass etwa ein Drittel der Häuser für das laufende Jahr von Verlusten ausgeht. Ein
weiteres Drittel erwartet ein ausgeglichenes Ergebnis und nur knapp 39 % - 2006 waren
es noch 55 % - gehen von einem Jahresüberschuss aus [Abb. 1]. Dementsprechend beurteilen knapp 30 % der Kliniken ihre wirtschaftliche Situation
2007 als eher unbefriedigend und 40 % als teils gut, teils schlecht [Abb. 2].
Abb. 1 Schwierige Situation: Fast ein Drittel der Krankenhäuser erwartet für das Jahr 2007
Verluste Quelle: Deutsches Krankenhausinstitut (www.dki.de)
Abb. 2 Düstere Prognose: Fast 70 % der Krankenhäuser sind mit ihrer wirtschaftlichen Situation
nicht zufrieden Quelle: Deutsches Krankenhausinstitut (www.dki.de)
DRGs sind nicht die treibende Kraft
DRGs sind nicht die treibende Kraft
In der Einführung der Fallpauschalen („diagnosis related groups”, DRGs) im Jahr 2004
sieht Dr. Karl Blum, Leiter des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), nicht die treibende
Kraft für die angespannte ökonomische Situation. „Insgesamt muss man feststellen,
dass sich die Kliniken trotz Schwierigkeiten relativ gut auf die neue Lage eingestellt
haben”, erklärte er. So befindet sich beim Krankenhausindex, der von -1 bis +1 reicht
und standardisiert auf Einschätzungen der wirtschaftlichen Lage und der Erwartung
basiert, die „aktuelle Situation” seit 2002 zwar im negativen Bereich, doch seit 2004
steigt sie wieder leicht. Auch die „Erwartung für das Folgejahr” verbesserte sich
in dieser Zeit, fiel 2007 allerdings erstmalig wieder ab.
Laut Blum konnten die Kliniken die Einführung der Fallpauschalen abfedern, indem sie
die Unternehmensstrategien seit 2004 entsprechend umgestellt haben: Knapp 50 % der
Kliniken kooperieren inzwischen mit anderen Krankenhäusern und jeweils rund ein Drittel
stimmt sein Leistungsangebot mit anderen Häusern ab oder vergibt Aufträge an externe
Labors oder niedergelassene Ärzte bzw. Praxen („Outsourcing”). Ein Viertel der Häuser
geht den entgegengesetzten Weg und gliedert Leistungen, die zuvor von externen Dienstleistern
erbracht wurden, wieder in den Leistungskatalog des Hauses ein („Insourcing”). Jeweils
knapp ein Fünftel der Krankenhäuser hat neue Schwerpunkte bzw. Fachabteilungen gebildet
oder die Rechtsform gewechselt.
Kostensteigerungen durch Arbeitszeitrecht und Tariferhöhung
Kostensteigerungen durch Arbeitszeitrecht und Tariferhöhung
Wichtige ökonomische Probleme sind dagegen - auch das lässt sich nach der Befragung
der Kliniken für das Krankenhaus-Barometer konstatieren - das neue Arbeitszeitgesetz
und die Tariferhöhungen für Klinikärzte. Etwa drei Viertel der Kliniken haben demnach
Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung des Arbeitszeitrechts. Sie hätten finanzielle
und personelle Probleme, erläuterte Blum. Zudem seien die benötigten Klinikärzte auf
dem Markt nicht verfügbar.
Darüber hinaus haben die Tariferhöhungen, die sich laut Baum jährlich auf rund 1,5
Milliarden Euro summieren, in 11 % der Kliniken zu einem Stellenabbau im ärztlichen
Dienst und in 38 % der Kliniken zu einem Stellenabbau in anderen Berufsgruppen geführt.
28 % der Häuser besetzen offene Stellen im ärztlichen Dienst zeitweise nicht neu und
knapp 68 % versuchen, durch Prozessoptimierungen im ärztlichen Dienst die Mehrkosten
auszugleichen. Zudem planen 46 % der Kliniken, ärztliche Aufgaben auf andere Berufsgruppen
zu delegieren. Baum dazu: „In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 150000 Arbeitsplätze
im Krankenhaus abgebaut, insbesondere in der Pflege.”
Als weitere Ursachen für die Kostensteigerungen nannte Baum die Mehrwertsteuererhöhung
und den Anstieg der Energiekosten. Nach seinen Angaben reagieren die Krankenhäuser
auf die wirtschaftlich angespannte Situation unter anderem mit der Vorlage von Notlagentarifverträgen,
die beispielsweise mit Einbußen beim Weihnachtsgeld einhergehen. Sie gelten inzwischen
in 11 % der Kliniken, weitere 8 % haben derartige Ausnahmeregelungen geplant.
Pessimistischer Blick in die Zukunft
Pessimistischer Blick in die Zukunft
Trotz der ökonomischen Schwierigkeiten ist laut Blum die Qualität nach wie vor ein
wichtiges Unternehmensziel. Den befragten Kliniken waren vor allem eine hohe Patientenzufriedenheit,
eine hohe Qualität bei der Leistungserbringung und ein gutes Image sehr wichtig bis
äußerst wichtig. Die Erhöhung des Umsatzes, die Gewinnerzielung und die hohe Kapitalrendite
wurden hingegen nur als wichtig bis sehr wichtig eingestuft.
Ob sie diese Zielvorgaben auch tatsächlich erreichen können, schätzten die Kliniken
im Bereich der Qualität als gut bis sehr gut, im Bereich der Ökonomie hingegen nur
als annehmbar bis gut ein. „In früheren Befragungen wurden die ökonomischen Ziele
leichter erreicht”, fügte Blum hinzu. Entsprechend negativ ist der Blick in die Zukunft.
42 % der Kliniken erwarten für das Jahr 2008, in dem auch die Konvergenzphase der
DRG-Einführung endet, eine schlechtere wirtschaftliche Situation, und 37 % schätzen
sie als eher gleichbleibend ein. Vor allem kleinere Kliniken mit weniger als 300 Betten
sehen dem nächsten Jahr pessimistisch entgegegen.
Kosten steigen - Erlöse sinken
Kosten steigen - Erlöse sinken
Verantwortlich für diese wirtschaftlichen Probleme sei eine Schere zwischen Kosten-
und Erlössteigerung, konstatierte Blum. Denn zeitgleich zu der dramatischen Kostenentwicklung
hätte die Politik mit den Einspargesetzen 2006 und der Sanierungsabgabe der Kliniken
im Rahmen der Gesundheitsreform 2007 massive Kürzungen vorgenommen.
So dürfen laut Baum die Krankenhäuser im nächsten Jahr die Vergütung um maximal 0,64
% erhöhen. Parallel werde jede Rechnung um 0,5 % Sanierungsabgabe für die Krankenkassen
gekürzt. „Bei einem Preiserhöhungsspielraum von fast Null bringen die Kostensteigerungen
und vor allem die im Jahr 2008 anstehenden Tarifverhandlungen der nichtärztlichen
Mitarbeiter das Fass zum Überlaufen”, warnte der Hauptgeschäftsführer der DKG.
Er kritisierte vor allem die enorme Diskrepanz zwischen dem zunehmenden konjunkturellen
Aufschwung einerseits und der Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Drucks auf die
Krankenhäuser andererseits. Die Kliniken hätten Kosten aus Zeiten der Hochkonjunktur
und Einnahmen aus Zeiten der Depression. Die Kürzungen und Einschnitte aus der Gesundheitsreform
seien 2006 unter ganz anderen Annahmen erfolgt, da sich die Situation der öffentlichen
Haushalte und der Kassen deutlich verbessert habe, so Baum.
Daher forderte er die Politik auf, die Kliniken am Aufschwung teilhaben zu lassen,
indem sie die Kostensteigerungen - wie in anderen Wirtschaftszweigen auch - in ihren
Vergütungen weitergeben dürfen. Außerdem müsse die Sanierungsabgabe von 280 Millionen
Euro jährlich an die Kassen aufgehoben werden.
Schon jetzt: Rationierungen am Krankenbett
Schon jetzt: Rationierungen am Krankenbett
Andernfalls erwartet Baum eine Verschlechterung der medizinisch-technischen Ausstattung
und eine Rationierung der Versorgung. „Die deutschen Krankenhäuser haben große Potenziale,
doch wenn die Arbeits- und Vergütungsbedingungen für die Mitarbeiter durch die gesundheitspolitische
Steuerung nicht verbessert werden, laufen wir Gefahr, wichtige Ressourcen der Volkswirtschaft
zu verlieren”, warnte er. „Die Zitrone ist ausgequetscht.”
Nach der Phase der intensiven Rationalisierung führe das anhaltende Auseinanderklaffen
von Kosten und Erlösen zwangsläufig zu einem Verlust an Zuwendung gegenüber den Patienten,
um mit der vorhandenen finanziellen Ausstattung das medizinisch Notwendige noch aufrechterhalten
zu können. Das würden die jährlich rund 17 Millionen Patienten der Kliniken leider
bereits längst am Krankenbett spüren, so der DKG-Hauptgeschäftsführer.
Quelle: Pressekonferenz „Vorstellung des Krankenhaus-Barometer 2007”, veranstaltet
von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Berlin