Der Klinikarzt 2007; 36(12): 711
DOI: 10.1055/s-2007-1019454
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dosiseinsparung ohne Wirkverlust - Enantiomere - Pharmakologische Spitzfindigkeit oder medizinischer Fortschritt für Arthrosepatienten?

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Publication Date:
07 January 2008 (online)

 
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Dass Arthrosepatienten eine suffiziente Schmerztherapie benötigen, um die Gelenkfunktion auch bei Auftreten von Schmerzen zu erhalten oder sogar zu verbessern, steht außer Frage. Entzündungshemmende Analgetika sind dabei eine wichtige Komponente, erklärte PD Michael Überall, Nürnberg. Überall gab jedoch zu bedenken, dass der Einsatz konventioneller nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) mit einem beträchtlichen Risiko für gastrointestinale Komplikationen einhergeht. "Fast 40 % aller durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingten Krankenhauseinweisungen gehen auf ihr Konto", informierte der Schmerztherapeut.

Gastrointestinal besser verträglich sind die COX-2-selektiven Entzündungshemmer, die allerdings vor einiger Zeit durch ein erhöhtes kardiales Risiko auffielen - was jedoch auch für die meisten konventionellen Antirheumatika wie zum Beispiel Diclophenac und Ibuprofen gilt, wie man inzwischen weiß. Überall bezeichnete die Schmerztherapie mit entzündungshemmenden Analgetika daher als Gratwanderung zwischen analgetischer und antiphlogistischer Wirkung einerseits und gastrointestinalen und kardialen Nebenwirkungen andererseits.

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Weniger ist mehr - das stimmt nicht immer

Die Lösung aus dieser "Zwickmühle" kann jedoch nicht allein sein, Analgetika so kurz wie nötig in möglichst niedriger Dosis zu verabreichen, wie es die internationalen Fachgesellschaften fordern. Sicherlich: Eine niedrige Dosierung ist zwar mit weniger Nebenwirkungen assoziiert, was jedoch häufig eine ungenügende Schmerzlinderung und Entzündungshemmung mit sich bringt. Immerhin "fühlen sich 60 % der Schmerzpatienten unzureichend behandelt", zitierte Prof. Christoph Baerwald, Leipzig, aus einer repräsentativen Umfrage.

Dazu kommt jedoch noch ein weiteres, anders gelagertes Problem: die Multimorbidität und die damit einhergehenden steigenden Nebenwirkungsrisiken aufgrund verschiedener Co-Medikationen, die mit steigendem Alter immer wahrscheinlicher werden - ein gravierendes Problem also, das es zu lösen gilt.

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Die "bessere Hälfte" von Ibuprofen

Neue Untersuchungen haben mittlerweile klar gemacht, dass viele konventionelle NSAR als Razemate, also als Gemisch ihrer Enantiomere, vorliegen. Diese spiegelbildlich aufgebauten Enantiomere besitzen laut Überall unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften. So ist das S-Enantiomer von Ibuprofen, das Dexibuprofen (Dolomagon®), für die therapeutische Wirksamkeit verantwortlich, das R-Enantiomer ist dagegen stärker mit den unerwünschten Wirkungen der Razematmischung assoziiert.

Außerdem werde das R-Enantiomer aus dem Ibuprofenrazemat im Körper in einer komplexen Reaktion umgewandelt. Die dabei entstehenden Fettsäureester werden ins Fettgewebe eingelagert. "Die Verteilung der Substanz im Körper und die Plasmahalbwertszeiten sind daher unkalkulierbar", warnte Überall. Dagegen lässt sich bei Einsatz des reinen Enantiomers Dexibuprofen die Dosis und die damit verbundene metabolische Belastung reduzieren. Gleichzeitig sinkt auch das Nebenwirkungsrisiko (Abb. [1]), ohne dass Wirksamkeitseinbußen zu befürchten sind.

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Abb. 1 Das reine S-Enantiomer Dexibuprofen ist mit signifikant geringeren gastrointestinalen Nebenwirkurkungen assoziiert als das Ibuprofen-Razemat nach [1]

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Praxisstudie zur Neubewertung gängiger Antirheumatika

Die Experten sprachen sich für die Durchführung einer Vergleichsstudie aus, in der entzündungshemmende Analgetika im klinischen Alltag auf Wirksamkeit und Nebenwirkungsrisiko geprüft und miteinander verglichen werden. So könnte man herausfinden, welches Antirheumatikum den Anforderungen des Arthrosepatienten in der Praxis am nächsten komme, erläuterte Dr. Georg Dahmen, Hamburg.

Dazu würden die Patienten zunächst eine Monotherapie mit einem der Analgetika in DDD-Dosierung (DDD = "daily defined dose") erhalten, diese Dosierung darf bei anhaltenden Schmerzen bis zur empfohlenen Höchstdosis gesteigert werden. Bleibt der Effekt weiterhin ungenügend, kann dann auf eines der anderen Medikamente umgestellt werden. Primärer Endpunkt der Untersuchung ist die Patientenakzeptanz als Integral von Wirksamkeit, Verträglichkeit und dem (Nicht-)Auftreten von Nebenwirkungen.

Dr. Katharina Arnheim, Berlin

Quelle: Pressekonferenz "Schmerztherapie der Zukunft: Quo vadis? Experten-Konsensus überarbeitet die bestehenden Therapieempfehlungen", veranstaltet von der Orion Pharma GmbH, Hamburg

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Orion Pharma GmbH, Hamburg

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Literatur

  • 01 Gómez BJ . Caunedo A . Redondo L . et al . Modification of pepsinogen I levels and their correlation with gastrointestinal injury after administration of dexibuprofen, ibuprofen or diclofenac: a randomized, open-label, controlled clinical trial.  Int J Clin Pharmacol Ther. 2006;  44 (4) 154-162
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Literatur

  • 01 Gómez BJ . Caunedo A . Redondo L . et al . Modification of pepsinogen I levels and their correlation with gastrointestinal injury after administration of dexibuprofen, ibuprofen or diclofenac: a randomized, open-label, controlled clinical trial.  Int J Clin Pharmacol Ther. 2006;  44 (4) 154-162
 
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Abb. 1 Das reine S-Enantiomer Dexibuprofen ist mit signifikant geringeren gastrointestinalen Nebenwirkurkungen assoziiert als das Ibuprofen-Razemat nach [1]