Am 14. und 15. September 2007 fand in Köln die 10. Jahrestagung des Deutschen Fachverbandes
Reisemedizin im Rahmen des Kongresses Medizin und Mobilität statt. Der Deutsche Fachverband
Reisemedizin, der im Rahmen des Kongresses für den thematischen Schwerpunkt Reisemedizin
ab der zweiten Session verantwortlich zeichnete, konnte in diesem Jahr sein zehnjähriges
Jubiläum feiern.
Tag 1 Reisemedizinische Beratungsfälle und Fortbildung
Afrikanisches Maser-Wildvirus, Wüstentour und Dengue-Fieber
Die zweite Session im Rahmen der Reisemedizin hatte die Praxis der reisemedizinischen
Beratung und die Fortbildung Reisemedizin zum Thema: Dr. Rosemarie Mazzola, Freiburg,
eröffnete die Diskussion reisemedizinischer Beratungsfälle mit der Kasuistik einer
52-jährigen Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, die mit Fieber von einem Aufenthalt
in Tansania zurückkehrte. Sie hatte einen umfangreichen Impfschutz, neben einer insuffizienten
Expositionsprophylaxe keine Chemoprophylaxe der Malaria durchgeführt und vor Abreise
keine reisemedizinische Beratung in Anspruch genommen. Die Malariadiagnostik war wiederholt
auch in den folgenden Tagen negativ. Ein massiver Harnwegsinfekt mit E. coli wurde
mit Ciprofloxacin therapiert.
Der übrige klinische Untersuchungsbefund war unauffällig. Im Laborbefund fand sich
eine leichte Erhöhung der Leberwerte sowie eine Lymphopenie. Unter kontinuierlicher
Verschlechterung des Allgemeinzustandes und Fieberanstieg auf 40 °C entwickelte sich
am dritten Krankheitstag ein konfluierendes Exanthem in Gesicht und am Stamm, nicht
juckend, keine palpablen Lymphknoten. Der Verdacht einer Masernerkrankung konnte durch
den Nachweis der Masern-IgM-AK bestätigt werden. Die genetische Typisierung durch
das nationale Referenzzentrum für Masern-Mumps-Röteln (RKI) ergab ein afrikanisches
Masern-Wildvirus: B3 (Wildtyp). Die Frage eines generellen Masernschutzes bei allen
Reisenden wurde von den Kollegen daraufhin kontrovers diskutiert.
Peter Zabel, Neubrandenburg, verdeutlichte mit einer Kasuistik aus seiner reisemedizinischen
Praxis den Umfang der reisemedizinischen Beratung: Vier junge Männer brachen in einem
präparierten Geländewagen zu einer Tour von Mai bis September 2007 über Südosteuropa,
Zentralasien bis zum Baikal-See mit Abstecher über die Mongolei auf. Die Reise war
detailliert ausgearbeitet und reisemedizinisch sorgsam vorbereitet; alle medizinischen
Aspekte wurden in der Beratung angesprochen. Zwei Teilnehmer waren Automechaniker
und für Pannen und Ersatzteile war gesorgt. Doch die Tücken der Wüste und vor allem
die Notwendigkeit eines einheimischen Führers wurden unterschätzt, was den Abenteurern
in der Wüste fast zum Verhängnis wurde.
Dr. Bernhard Wallacher, Mannheim, berichtete über eine 60-jährige Patientin mit bekannter
primär chronischer Polyarthritis (pcP) und mittelschweren postentzündlichen Veränderungen
beider Hände, die sich seit über 15 Jahren mehrere Monate des Jahres im ostasiatischen
Raum aufhielt. Aufgrund der pcP stand sie unter einer immunsuppressiven Therapie mit
10 mg Prednisolon/ Tag. Im diesjährigen Urlaub erlitt sie ein Dengue-Fieber mit hämorrhagischem
Verlauf. Zur Diskussion stand nun die Frage, ob der Patientin von einem künftigen
Aufenthalt in tropischen und subtropischen Regionen mit relevantem Dengue-Infektionsrisiko
abgeraten werden sollte. Dies wurde im Rahmen einer engagierten Diskussion von den
Kollegen befürwortet.
Qualifikationsmöglichkeiten in der Reisemedizin
Der zweite Teil der Session hatte die reisemedizinische Fortbildung zum Thema. Dr.
Ulrich Klinsing, Frankfurt, erläuterte unter dem Stichwort "wie werde ich Reisemediziner?"
die Qualifikationsmöglichkeiten in der Reisemedizin mit kritischer Betrachtung der
diversen existierenden Zertifikate und ihrer Aussagekraft hinsichtlich tatsächlicher
Qualifikation. Er betonte, wie wichtig es ist, dass die reisemedizinischen Fortbildungsangebote
mit den Kriterien, die die Bundesärztekammer mit der Einführung der strukturierten
curriculären Fortbildung "reisemedizinische Gesundheitsberatung" geschaffen hat, übereinstimmen.
Zur Vertiefung des reisemedizinischen Wissens wies er auf das Fachzertifikat Reisemedizin
(DFR) und den Erwerb praktischer reisemedizinischer Erfahrung durch Teilnahme an Exkursionen
hin.
Dr. med Rosemarie Mazzola, Freiburg
Tag 2 Eine breite Palette an reisemedizinischen Themen
Von der Geburtshilfe in Afrika...
Prof. Jürgen Wacker, Bruchsal, verglich die Qualität der Geburtshilfe "am Neckar"
und "am Niger". Die deutlich unterschiedlichen diagnostischen und therapeutischen
Möglichkeiten veranlassen ihn zu der Einschätzung, dass schwangeren Reisenden eine
Entbindung unter den Rahmenbedingungen eines tropisch-afrikanischen Landes beispielsweise
nicht zugemutet werden darf. Die Repatriierung rechtzeitig vor der Entbindung, in
jedem Falle aber bei jeder erkennbaren Komplikation, wurde anschließend debattiert.
SIMPID und TropNetEurop, die Netzwerke reise- und tropenmedizinischer Institutionen,
die das Krankheitsgeschehen bei Reisenden für einzelne charakteristische reisebedingte
Infektionen beobachten, stellte Dr. Tomas Jelinek, Berlin, vor. Es ist dabei möglich,
Änderungen des Krankheitsrisikos in einem Land durch Änderungen bei der Diagnosehäufigkeit
unter Reisenden zu erfassen. Oft geht dies Erkenntnissen des Ziellandes über das eigene
Krankheitsgeschehen noch voraus.
... über die Bedeutung der Hühnereiweißallergie...
Dr. Norbert Krappitz, Köln, berichtete über Ergebnisse einer Umfrage unter Gelbfieberimpfstellen
zur Häufigkeit der Hühnereiweißallergie. Trotz nennenswerter Eiweißmengen in Lebendimpfstoffen,
vor allem dem gegen Gelbfieber, scheint eine Gefährdung nur selten von solchen Allergien
auszugehen, zumal es sich dabei oft um Angaben handelt, die das Verhalten der Impflinge
im täglichen Leben nicht prägen. Hier scheint eine Neubewertung erforderlich.
Den aktuellen Stand der Tuberkulosediagnostik in Deutschland erläuterte Dr. Albert
Esselmann, Hemer. Bei steigenden Zahlen von Zuwanderern einerseits und immunsupprimierten
älteren Patienten andererseits ist vermehrte Wachsamkeit erforderlich. Tuberkulin-Hauttests
bleiben bei Umgebungs- und Screeninguntersuchungen eine bedeutsame Methode, während
sich bei Verdacht der In-vitro-Nachweis spezifischer Zytokinproduktion in den Vordergrund
schiebt.
Die Produktion von Medikamenten in Afrika am Beispiel der Artemether-Derivate in der
Malariatherapie waren Thema von Dr. Christoph Bonsmann, Tönisvorst. Die "action medeor"
als pharmazeutisches Hilfswerk verhilft in Kenia Bauern zu einem erheblichen Zusatzverdienst
durch Anbau der Pflanze und Tansania zu einer qualitativ hochwertigen Produktionsstätte
für ein drückendes lokales Gesundheitsproblem.
... bis hin zur Behandlung der Flugangst
"Flugangst - Fliegen statt Fliehen" hieß es dann in einem Referat von Dipl.-Psych.
Katharina Thünnihsen, Eppstein, Entstehungsmechanismen der persönlichen Flugangst-"Geschichte"
und Methoden des Umganges damit wurden erläutert, von der technischen Information
bis zu Entspannungstechniken nach Jacobson. Kurzfristige Erfolgsraten von über 90
% sind erreichbar, zumal bei Abschluss von Wochenendseminaren mit einem gemeinsamen
Flug.
Dr. Clara Schlaich als Leiterin des Hamburger Hafengesundheitsdienstes berichtete
abschließend in einem reich bebilderten Vortrag über den Umgang mit Krankheitsausbrüchen
an Bord von Schiffen, insbesondere Kreuzfahrtschiffen. Beengte Verhältnisse, internationale
Crews mit zum Teil schlechter medizinischer Versorgung, Verständigungsprobleme und
die ungeklärte Verifikation von Auflagen sind tägliche Facetten ihrer Arbeit.
Dr. med. Burkhard Rieke, Düsseldorf