Neben der Darstellung des Schwerpunkts bzw. der Mitte der Daten durch Mittelwert oder
Median können für eine adäquate Beschreibung noch weitere Lagepunkte relevant sein.
Verallgemeinerungen des Medians sind die Quantile, die die Daten ebenfalls in zwei
(allerdings nicht gleich große) Hälften teilen. Das 25 %-Quantil zum Beispiel markiert
einen Punkt, unterhalb dessen (mindestens [s. u.]) 25 % und darüber (höchstens [s.
u.]) 75 % der Werte liegen.
Die Einschränkung „mindestens” bzw. „höchtens” im vorigen Absatz ist bei diskreten
(nur endlich viele Merkmalausprägungen möglich, z. B. Scores) Daten und endlichen
Stichproben relevant; hier werden die Quantile formal zumeist als der kleinste Wert
der Stichprobe definiert, für den mindestens ein vorgegebener Anteil - also zum Beispiel
25 % - kleiner oder gleich diesem Wert ist. Bei einem Stichprobenumfang von beispielsweise
11 (unterschiedlichen) Werten sind ca. 18 % der Werte kleiner oder gleich dem zweitkleinsten,
ca. 27 % kleiner oder gleich dem drittkleinsten und ca. 36 % kleiner oder gleich dem
viertkleinsten Wert. Damit ist der drittkleinste Wert als 25 %-Quantil definiert.
Das 25 %-Quantil, der Median und das 75 %-Quantil werden auch als Quartile bezeichnet, da sie die Stichprobe in vier (zumindest annähernd)
gleich große Bereiche unterteilen. In ähnlicher Weise werden auch Terzile, Quintile,
Dezile oder Perzentile angegeben, die die Daten in drei, fünf, zehn bzw. hundert gleich
große Bereiche untergliedern. Weiterhin relevant sind noch die 2,5 %-, 5 %-, 95 %-
bzw. 97,5 %-Quantile, da sie häufig für die Bildung von Referenzbereichen Verwendung
finden [1].
Für die Bestimmung von Quantilen ist es zunächst erforderlich, die Werte der Stichprobe
vom kleinsten zum größten Wert zu sortieren. Anschließend wird für jede Beobachtung
die kumulative (relative) Häufigkeit angegeben, das heißt der Anteil von Werten, die
kleiner (oder gleich) dieser Beobachtung sind. Das kann dann grafisch als Treppenfunktion
dargestellt werden, wobei jede Beobachtung einer Stufe entspricht. Die Höhe jeder
Stufe hängt von der Zahl gleicher Beobachtungen ab. Falls keine gleichen Werte in
der Stichprobe vorliegen, beträgt die Höhe der Stufen 1 (dividiert durch den Stichprobenumfang).
Die Breite der Stufen entspricht dem Abstand zweier benachbarter beobachteter Merkmalsausprägungen.
Diese Funktion (treppenartige Kurve) wird als empirische Verteilungsfunktion bezeichnet und stellt die wichtigste, nicht aggregierende, das heißt, noch jede Einzelinformation
enthaltende Darstellung von quantitativen Daten dar.
In Abb.
[1] ist zur Illustration die empirische Verteilungsfunktion der systolischen Blutdruckwerte
zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme von 150 Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt
dargestellt.
Abb. 1 Empirische Verteilungsfunktion der systolischen Blutdruckwerte von 150 Patienten
mit akutem Myokardinfarkt zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme. Eingezeichnet ist
das 25 %-Quantil.
Die Quantile können nun anhand der Verteilungsfunktion zeichnerisch ermittelt werden,
indem von dem interessierenden Quantilswert auf der Ordinate (zum Beispiel 25 % bzw.
0.25) eine Parallele zur Abszisse gezogen und am (ersten) Schnittpunkt mit dem Graphen
der Verteilungsfunktion das Lot auf die Abszisse gefällt wird. Ein nicht grafischer
Zugangsweg ist der folgende: Bezeichnet man mit n den Stichprobenumfang, ist das q%-Quantil
der [(q/100) · (n+1)]-kleinste Wert der Stichprobe. Bei einem Stichprobenumfang von
beispielsweise 75 ist das 25 %-Quantil der 19-kleinste Wert (25/100 · 76 = 19).
Falls der Ausdruck [(q/100) · (n+1)] einen nicht ganzzahligen Wert ergibt, wird das
q%-Quantil häufig als der nächstgrößere Wert der Stichprobe definiert. Allerdings
finden sich in der Literatur und insbesondere in Statistik-Software andere Definitionen,
bei denen die Quantile nicht notwendigerweise tatsächlich beobachtete Werte der Stichprobe
sind, sondern zum Beispiel durch Interpolation entstehen [1].
kurzgefasst
Quantile dienen der Beschreibung einer nach der Größe
der Werte geordneten Reihe. Je nach Fragestellung können unterschiedliche Quantile
eingesetzt werden, z. B. die Quartile (25 %-, Median, 75 %-Quantil) oder auch die
2,5 %-, 5 %- 95 %-, 97,5 %-Quantile, die bei der Bestimmung von Referenzbereichen
verwendet werden können. Stellt man die Verteilung der geordneten Werte grafisch dar,
so ergibt sich die empirische Verteilungsfunktion.
Eine einfache, aber außerordentlich nützliche und anschauliche Möglichkeit, Daten
anhand von Quantilen zusammenfassend darzustellen, bieten so genannte „Box-and-Whisker-Plots”
(oder kurz Box-Plot) [2]. Die Box im Box-and-Whisker-Plot wird durch das 25 %- und 75 %-Quantil begrenzt.
In den Kasten wird der Median als waagerechte Linie eingezeichnet und häufig zusätzlich
der Mittelwert als Punkt oder Stern, während senkrechte Linien zu den „Schnurrhaaren”
(„whiskers”, ebenfalls wieder waagerechte Linien) gezogen werden. Häufig stellen die
„whiskers” das 10 %- (bzw. 90 %-) oder das 5 %- (95 %-) Quantil dar. Sinnvoll ist
es, jedoch ebenfalls nicht einheitlich verwendet, die außerhalb dieses Bereichs liegenden
Extremwerte als separate Punkte mit in die grafische Darstellung aufzunehmen.
Box-and-Whisker-Plots sind insbesondere dann hilfreich, wenn mehrere Gruppen von Patienten
hinsichtlich der Verteilung ihrer Daten verglichen werden sollen. Neben der zentralen
Lage erhält man einen groben Überblick über die Symmetrie der Verteilungen. In Abb.
[2] sind Box-and-Whisker-Plots für die systolischen Blutdruckwerte der 150 Patienten
mit akutem Myokardinfarkt aus Abb. [1], getrennt nach Männern und Frauen, dargestellt.
Abb. 2 Box-and-Whisker-Plots der systolischen Blutdruckwerte von 150 Patienten mit akutem
Myokardinfarkt zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme, getrennt nach Männern und Frauen.
Die Whiskers kennzeichnen das 5 %- bzw. das 95 %-Quantil. Die Mittelwerte sind durch
einen * symbolisiert.
kurzgefasst
Im Box-and-Whisker-Plot können Daten anhand von Quantilen zusammenfassend dargestellt
werden. Die Box wird begrenzt durch das 25 %- und das 75 %-Quantil, der Median in
der Mitte eingezeichnet, und die Whiskers (Schnurrhaare) begrenzen beispielsweise
das 10 %- und das 90 %-Quantil.
Die englischsprachigen Bezeichnungen der wichtigsten in diesem Beitrag diskutierten
Begriffe finden Sie in Tab. [1].
Tab. 1 Übersetzungen (deutsch - englisch)
<TD VALIGN="TOP">
Quantil
</TD><TD VALIGN="TOP">
quantile
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Referenzbereich
</TD><TD VALIGN="TOP">
reference interval
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
kumulative (relative) Häufigkeit
</TD><TD VALIGN="TOP">
cumulative (relative) frequency
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Verteilungsfunktion
</TD><TD VALIGN="TOP">
distribution function
</TD>
Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Fassung aus dem Supplement Statistik aus dem
Jahr 2001.