Pneumologie 2007; 61(5): e1-e40
DOI: 10.1055/s-2007-959200
Leitlinie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD)

Guidelines for the Diagnosis and Therapy of COPD Issued by Deutsche Atemwegsliga and Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und BeatmungsmedizinC.  Vogelmeier1 , R.  Buhl1 , C.  P.  Criée1 , A.  Gillissen1 , P.  Kardos1 , D.  Köhler1 , H.  Magnussen1 , H.  Morr1 , D.  Nowak1 , D.  Pfeiffer-Kascha1 , W.  Petro1 , K.  Rabe1 , K.  Schultz1 , H.  Sitter1 , H.  Teschler1 , T.  Welte1 , R.  Wettengel1 , H.  Worth2
  • 1Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie · Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg
  • 2Medizinische Klinik I, Klinikum Fürth
Further Information

Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier

Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg

Baldingerstraße

35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de

Publication History

Publication Date:
13 April 2007 (online)

Table of Contents
Inhalt Seite
Vorwort e2
Ziele und Anwendungsbereich der Leitlinie e2
Entwicklungsprozess der Leitlinie e2
Klinische Algorithmen e3
Sponsoring e3
Strategien zur Förderung der Verbreitung und Implementierung der Leitlinie e3
Weiterentwicklung der COPD-Leitlinie e4
Definitionen e4
Epidemiologie und sozioökonomische Bedeutung e4
Verlauf der Erkrankung e5
Management der COPD e5
Diagnostik e5
Leitsätze e5
Untersuchungsmethoden e5
Anamnese e5
Körperliche Untersuchung e6
Lungenfunktionsdiagnostik e6
Reversibilitätstest mit Bronchodilatatoren e6
Reversibilitätstest mit Glukokortikoiden zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung zwischen Asthma und COPD e7
Weitere Lungenfunktionstests e7
Blutgasanalyse e7
CO-Diffusionskapazität e7
Belastungstests e7
Röntgenaufnahme der Thoraxorgane e7
Computertomographie des Thorax e7
Elektrokardiogramm e8
Echokardiographie e8
Laboruntersuchungen e8
Sputumdiagnostik e8
Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf COPD e8
Schweregradeinteilung der stabilen COPD e8
Leichtgradige COPD (Schweregrad I) e8
Mittelgradige COPD (Schweregrad II) e8
Schwere COPD (Schweregrad III) e8
Sehr schwere COPD (Schweregrad IV) e9
Differenzialdiagnosen e10
Weitere differenzialdiagnostische Aspekte e10
Verlaufsuntersuchungen e11
Therapie e11
Prävention e11
Leitsätze zur Prävention e11
Prävention des Tabakrauchens e12
Verzicht auf Tabakrauchen e12
Raucherentwöhnung e12
Prophylaxe von arbeitsplatzbezogenen Schadstoffen e13
Schutzimpfungen e13
Influenzaschutzimpfung e13
Influenzaprophylaxe e13
Pneumokokkenschutzimpfung e13
Langzeitbehandlung der stabilen COPD e13
Leitsätze e13
Bronchodilatatoren e14
Anticholinergika e15
β2-Sympathomimetika e15
Theophyllin e15
Kombinationen von Bronchodilatatoren e16
Inhalation mit Verneblern e16
Glukokortikoide e16
Inhalative Glukokortikoide e16
Systemische Glukokortikoide e16
Kombinationen aus langwirksamen β2-Sympathomimetika und Glukokortikoiden e17
Mukopharmaka e17
Immunmodulatoren e17
Antitussiva e18
Atemstimulanzien e18
Analgetika (Morphin) e18
Weitere medikamentöse Therapieoptionen e18
Substitutionstherapie bei Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel e18
Behandlung der Osteoporose e18
Nichtmedikamentöse Therapie e18
Körperliches Training e18
Patientenschulung e19
Physiotherapie e19
Hilfsmittel zur Sekretelimination e20
Ernährung e20
Pneumologische Rehabilitation e21
Komponenten der pneumologischen Rehabilitation e21
Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei Patienten mit COPD e21
Auswahl der Patienten e21
Organisation der Pneumologischen Rehabilitation e21
Langzeitsauerstofftherapie (LOT) e22
Heimbeatmung e22
Operative Therapieverfahren e23
Bullektomie e23
Lungenvolumenreduktion e23
Lungentransplantation e23
Palliative Therapie e24
Management akuter Exazerbationen e25
Leitsätze e25
Definition e25
Diagnostik e25
Therapie der Exazerbation e26
Medikamentöse Therapie e27
Bronchodilatatoren e27
Antibiotika e27
Glukokortikoide e28
Zusätzliche Maßnahmen bei der Behandlung akuter Exazerbationen im Krankenhaus e28
Beatmung e29
Nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck (NIPPV) e29
Invasive Beatmung e30
Management nach der akuten Exazerbation im Krankenhaus e30
Exazerbationsprophylaxe e30
Appendix A: e31
Berufsbedingte Bronchitis e31
Bronchitis im Unfall- und Berufskrankheitenrecht e31
Bronchitis im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht e31
Prävention am Arbeitsplatz e31
Appendix B: e32
Teilnehmerliste der Konsensus-Konferenz e32
Literaturverzeichnis e33

Vorwort

Der folgende Text stellt eine Überarbeitung der Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie von 2002 [1] dar. Diese ist notwendig geworden, da für alle wesentlichen Teilaspekte der COPD - Diagnostik, medikamentöse und nicht medikamentöse Therapie der stabilen COPD, Management der Exazerbationen, operative Verfahren - in den letzten Jahren relevante Arbeiten erschienen sind und überarbeitete [2] bzw. neue internationale Leitlinien veröffentlicht wurden [3] [4].

In Anlehnung an internationale Leitlinien [5] [6] [7] [8] [9] [10] wird der Begriff COPD (chronic obstructive pulmonary disease) benutzt, der chronisch obstruktive Bronchitis, Lungenemphysem und deren Kombinationen umfasst, das Asthma hingegen ausschließt. Die Schweregradeinteilung wurde entsprechend der aktuellen GOLD-Leitlinie [2] [5] überarbeitet. In der vorliegenden Version werden die wesentlichen diagnostischen Verfahren dargestellt. Neben neuen Erkenntnissen zur medikamentösen Behandlung werden weitere Therapieansätze (nichtinvasive Beatmung, operative Behandlungsverfahren des Lungenemphysems und Lungentransplantation) berücksichtigt. Weiter werden präventive Maßnahmen (Raucherentwöhnung, Schutzimpfung, Patientenschulung), Physiotherapie und die pneumologische Rehabilitation entsprechend ihrer Bedeutung erläutert.

Ziele und Anwendungsbereich der Leitlinie

Die vorliegende Leitlinie soll dazu beitragen, dass COPD-Patienten wissenschaftlich begründete, angemessene, wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Verfahren der Diagnostik, Prävention und Behandlung unter Einschluss der Rehabilitation zuteil werden. Sie soll allen Ärzten (Allgemeinärzten, Internisten und Pneumologen in Praxis und Klinik) eine Hilfe für Diagnostik, Verlaufskontrolle und adäquate Therapie ihrer Patienten sein. Die Leitlinie ersetzt das Urteil des behandelnden Arztes nicht; sie soll vielmehr als Entscheidungshilfe für ein optimiertes Management der Patienten mit COPD genutzt werden.

Eine ausführliche Version enthält wesentliche Literaturangaben und Hinweise auf die Evidenz der dargestellten Aussagen. Eine Kurzversion mit praktikablen Schemata wird dem Arzt, der sich rasch orientieren will, bei Therapieentscheidungen zur Verfügung stehen. Eine Fassung in patientengerechter Sprache soll dem betroffenen Patienten eine aktive Mitarbeit bei der Bewältigung seiner chronischen Krankheit ermöglichen.

Entwicklungsprozess der Leitlinie

Die Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) ist entsprechend den methodischen Vorgaben zur Entwicklung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) [11] [12] erstellt worden und entspricht nach dem 3-Stufen-Konzept der AWMF einer S2-Leitlinie, ergänzt durch klinische Algorithmen zur Diagnostik und Therapie der COPD. Die 3 Stufen der AWMF-Leitlinien (S1, S2, S3) lassen sich folgendermaßen charakterisieren:

S1 (Expertengruppe): Eine repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand der Fachgesellschaft verabschiedet wird.

S2 (formale Konsensusfindung): Vorhandene Leitlinien der Stufe 1 werden in bewährten formalen Konsensusverfahren beraten und modifiziert und als Leitlinien der Stufe 2 verabschiedet.

S3 (Leitlinie mit allen Elementen systematischer Erstellung): Der formale Konsensusprozess wird durch weitere systematische Elemente ergänzt: logische Analyse (klinischer Algorithmus), formale Konsensusfindung, Evidenzbasierung, Entscheidungsanalyse und Outcome-Analyse.

Der Konsens ist notwendig, um bei geringer vorhandener Evidenz Akzeptanz für eine Leitlinie zu erzeugen und die Verbreitung und Implementierung zu unterstützen. Evidenzbasierung bedeutet die Einbeziehung von Metaanalysen, klinischen Studien und epidemiologischen Untersuchungen, um sie für Entscheidungen beim individuellen Patienten nutzbar zu machen.

Die Entscheidungs- und Outcomeanalyse berücksichtigen Modelle mit probabilistischen Entscheidungsbäumen, erwartetem Nutzen und ökonomischen Aspekten sowie die Bestimmung des Gesundheitsstatus (ermittelt durch den Arzt) und der Lebensqualität (Selbstbeurteilung von Patienten in einem validierten Fragebogen). Die resultierende Leitlinie soll einfach und klar, aber auch umfassend sein.

Klinische Algorithmen

Ein klinischer Algorithmus ist ein in unendlich vielen Schritten formuliertes Verfahren zur Lösung eines klinischen Problems unter Benutzung von bedingten logischen Anweisungen (Wenn-Dann-Logik).

Die Darstellung erfolgt üblicherweise in graphischem Format mit einer von der Society for Medical Decision Making [13] empfohlenen Standardnomenklatur ([Abb. 1]). Dabei unterscheidet man Zustands-, Aktions- und Entscheidungsknoten. Zustands- und Aktionsknoten haben je einen Ausgang, Entscheidungsknoten haben genau zwei Ausgänge (ja und nein).

Zoom

Abb. 1 Standardisierte Terminologie für klinische Algorithmen.

Grundlage der Leitlinie ist eine Bestandsaufnahme der vorhandenen internationalen und nationalen Empfehlungen sowie der verfügbaren Literatur zum Krankheitsbild mit Angaben zur Validität der gemachten Aussagen entsprechend den Vorgaben der Evidence Based Medicine ([Tab. 1]). Im Text werden die Evidenzgrade entsprechend der Definition der GOLD-Leitlinie [2] [5] angegeben.

Tab. 1 Beschreibung von Evidenz- und Empfehlungsgraden
Evidenzgrad
GOLD-Initiative
Evidenzgrad
SIGN
Empfehlungsgrad
SIGN
Quellen Definition
A I A randomisierte kontrollierte Studien (RKS) mit großer Patientenzahl konsistente Daten von RKS mit großer Patientenzahl
B II A RKS mit begrenzter Patientenzahl RKS mit geringerer Patientenzahl und gewissen Inkonsistenzen
Meta-Analysen von RKS
C II oder III B oder C nicht-randomisierte Studien, Beobachtungen Ergebnisse aus unkontrollierten oder nicht randomisierten Studien oder aus Beobachtungen
D IV D Expertenmeinung Stellungnahme anhand der Erfahrung der Experten ohne eindeutige Studienergebnisse wie bei A-C
SIGN: Scottish Intercollegiate Guideline Network [11]

Am 30.10.2005 fand in Kassel eine Konsensuskonferenz statt. Zu dieser Konferenz wurden alle an der Versorgung der COPD beteiligten Gruppierungen eingeladen. Die Teilnehmer sind in Appendix B genannt.

Während der Konferenz wurden für wesentliche Entscheidungsprozesse in Diagnostik und Therapie relevante Algorithmen entwickelt. Diese wurden in Expertenkreisen diskutiert und in einem weiteren Delphi-Prozess bis zur endgültigen Konsensusfindung bearbeitet.

Eine Rohfassung der Leitlinie wurde durch einige Mitglieder des Expertengremiums (C. Vogelmeier, H. Worth, P. Kardos, T. Welte, H. Magnussen) erstellt und von den weiteren Mitgliedern des Expertenkomitees kritisch kommentiert.

Eine verbesserte Fassung wurde analog einem Delphi-Verfahren allen Autoren sowie dem Vorstand der Deutschen Atemwegsliga mit der Bitte um eine Stellungnahme zugeleitet. Diesem Personenkreis gehören Pneumologen in Praxis und Klinik, aber auch Hausärzte an. Die Zusatzinformationen wurden durch den federführenden Autor zusammengefasst.

Sponsoring

Die Deutsche Atemwegsliga wurde von Ärzten mit dem Ziel gegründet, die Versorgung von Patienten mit Lungenkrankheiten in Deutschland zu verbessern. Ihre Arbeit erfolgt in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Die Mitglieder der Deutschen Atemwegsliga sind überwiegend Internisten und Ärzte für Allgemeinmedizin, zu einem geringeren Anteil auch Patienten und/oder deren Angehörige. Der Vorstand besteht aus in Praxis und Klinik tätigen Pneumologen sowie pneumologisch tätigen Kinderärzten. Die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga wird aus Mitgliedsbeiträgen sowie aus Beiträgen eines Fördervereins finanziert. Dem Förderverein gehören 19 führende Pharma-Unternehmen sowie ein Gerätehersteller an. Kommentare von Repräsentanten der Firmen wurden bei der Entwicklung der Leitlinie in dem vom Vorstand der Atemwegsliga benannten unabhängigen Expertengremium diskutiert und bewertet.

Für einzelne Teilnehmer der Konsensuskonferenz wurden seitens der Deutschen Atemwegsliga auf Antrag Reisekosten erstattet.

Die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga sorgte für den Versand der erstellten Fassungen der Leitlinien und organisierte die Konsensuskonferenz.

Strategien zur Verbreitung und Implementierung der Leitlinie

Die vorliegende Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit COPD soll in den Fachzeitschriften für Allgemeinärzte, Internisten und Pneumologen publiziert werden. Außerdem kann die Leitlinie über die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga bezogen werden. Hierdurch wird eine weite Verbreitung der Leitlinie unter den behandelnden Ärzten ermöglicht.

Begünstigt werden Verbreitung und Implementierung der Leitlinie durch das Angebot von Kurzversionen für Ärzte und für Patienten, die über die Geschäftsstelle der Deutschen Atemwegsliga beziehbar sind.

Alle Leitlinien können über das Internet eingesehen werden. Eine weitere Implementierung soll dadurch erfolgen, dass die Leitlinie Grundlage der strukturierten Schulungsprogramme für Patienten mit COPD wird.

Die Trainerseminare für die Schulung von COPD-Patienten erfolgen mit strukturierten Schulungsprogrammen auf der Basis der nationalen COPD-Leitlinie. Sie werden ebenfalls von der Deutschen Atemwegsliga angeboten. In überregionalen und regionalen Fortbildungen wird die COPD-Leitlinie diskutiert. Sie soll ferner in größere Netzwerke niedergelassener Ärzte implementiert und in Disease Management Programmen genutzt werden.

Weiterentwicklung der COPD-Leitlinie

Verantwortlich für die Aktualisierung der Leitlinie ist der Vorstand der Deutschen Atemwegsliga. Ein Update der COPD-Leitlinie ist immer dann geplant, wenn wesentliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind, spätestens jedoch nach 5 Jahren.

Definitionen

Die meisten Patienten mit chronischem Husten und Auswurf entwickeln keine obstruktive Lungenerkrankung, sondern leiden an einer nicht obstruktiven chronischen Bronchitis („simple chronic bronchitis”).

Nach der WHO-Definition [14] liegt eine chronische Bronchitis vor, wenn Husten und Auswurf über wenigstens 3 Monate in mindestens 2 aufeinander folgenden Jahren bestehen.

Das Lungenemphysem wird pathologisch-anatomisch definiert als irreversible Erweiterung und Destruktion der Lufträume distal der terminalen Bronchiolen [15].

Es geht in der Regel mit einer funktionell relevanten Atemwegsobstruktion einher. Zwischen dem Ausmaß der Destruktion im alveolären Bereich und der messbaren Atemwegsobstruktion besteht eine schlechte Korrelation. Beim Lungenemphysem sind die Gasaustauschfläche und die Elastizität vermindert.

Die COPD ist eine Erkrankung, die verhindert und behandelt werden kann. Sie ist charakterisiert durch eine Atemwegsobstruktion, die nicht vollständig reversibel ist. Die Atemwegsobstruktion ist typischerweise progredient. Sie ist assoziiert mit einer abnormen Entzündungsreaktion, die durch Partikel oder Gase ausgelöst und in erster Linie durch Zigarettenrauch verursacht wird. Die COPD betrifft nicht nur die Lunge, sondern hat auch signifikante extrapulmonale Effekte, die zum Schweregrad der Erkrankung beitragen können.

Abzugrenzen von der Diagnose COPD sind andere Ursachen einer chronischen Atemwegsobstruktion, wie Asthma, Mukoviszidose, Bronchiektasie, diffuse Lungenparenchymerkrankungen mit Obstruktion (Sarkoidose) und Bronchiolitis obliterans. Die Einteilung von COPD-Patienten in Patientengruppen mit chronisch obstruktiver Bronchitis mit oder ohne Lungenemphysem ist mit einfachen Kenngrößen der Lungenfunktion häufig schwierig, insbesondere in Frühstadien. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung erscheint die Unterscheidung zwischen chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem mittels differenzierter Lungenfunktionsanalyse und bildgebender Diagnostik auch im Hinblick auf die optimale Nutzung vorhandener Therapieoptionen sinnvoll. Klinisch bedeutsam ist die Differenzierung zwischen COPD und Asthma, da Ursachen, Behandlung und Prognose beider Krankheitsbilder unterschiedlich sind.

Epidemiologie und sozioökonomische Bedeutung

Valide Angaben zur Prävalenz der COPD in Deutschland liegen gegenwärtig noch nicht in publizierter Form vor.

Die Prävalenz der chronischen Bronchitis wird bei der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland auf 10 - 15 % [16] geschätzt. Der Anteil der chronisch obstruktiven Bronchitis - Husten, Auswurf und Atemwegsobstruktion - an der Gesamtprävalenz ist nicht genau bekannt.

In den offiziellen deutschen Sterbestatistiken nimmt die chronische Bronchitis mit 10 000 Männern und Frauen im Jahr [17] keinen vorderen Platz ein. Da sich diese Zahlen aber auf globale Angaben aus den Totenscheinen und den ICD 9-Ziffern 490 (Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet) und 491 (Chronische Bronchitis) beziehen, ist eine erhebliche Unterschätzung der Mortalität der Bronchitis zu unterstellen.

Weltweit ist die COPD gegenwärtig die vierthäufigste Todesursache. Für die nächsten Jahrzehnte ist ein weiterer Anstieg von Prävalenz, Morbidität und Mortalität zu erwarten [18] [19], so dass die COPD im Jahre 2020 unter den häufigsten Todesursachen auf den 3. Platz und bezüglich der Krankheitsfolgen - gemessen an der Summe aus den Jahren, die durch vorzeitigen Tod verloren gegangen sind, und aus den Jahren, die mit einer schweregradgewichteten Behinderung (DALY: disability adjusted life years) gelebt wurden - von Rang 12 auf Rang 5 der 15 weltweit häufigsten Erkrankungen vorrücken wird.

Unbestritten ist die enorme sozioökonomische Bedeutung der COPD [20] [21]. Krankenhausstatistiken weisen seit 1996 für alle obstruktiven Atemwegserkrankungen 2,7 Mio. Krankenhaustage in Deutschland auf, der weitaus größte Teil dürfte zu Lasten der chronischen Bronchitis und ihrer Folgen gehen. Hochgerechnet aus den Angaben der AOK, verursacht die chronische Bronchitis jährlich etwa 25 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage [16]; die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten betragen, zurückhaltenden Schätzungen zufolge, etwa 5,93 Mrd. € [16]. Eine andere Studie schätzt die jährlichen Gesamtkosten der COPD in Deutschland auf 5,47 Mrd. € [22].

Nach einer prospektiven Krankheitskostenstudie an 785 COPD-Patienten fallen hochgerechnet direkte Kosten von 4,50 Mrd. € und indirekte Kosten von 3,94 Mrd. € durch die COPD in Deutschland an. Den größten Anteil der direkten Kosten nehmen hierbei mit 41,4 % die Arzneimittelkosten ein, gefolgt von den Kosten für Hospitalisierung mit 31,6 % und den Kosten für ärztliche Leistungen mit 20,6 % [23].

Bei den indirekten Kosten bildet die Arbeitsunfähigkeit mit einem Anteil von 45,8 % den größten Kostenblock, gefolgt von den Pflegekosten mit 21,7 %.

Die durchschnittlichen jährlichen Kosten in Deutschland pro COPD-Patient aus volkswirtschaftlicher Sicht wurden auf 3027 € geschätzt, wobei Krankenhausaufenthalte mit 26 %, Medikamente mit 23 %, die Frührente mit 17 % und die Rehabilitation mit 1,5 % zu diesen Kosten beitragen. Für die gesetzlichen Krankenversicherungen lagen die Kosten pro Patient bei 1944 € [24].

Verlauf der Erkrankung

Der Krankheitsverlauf der COPD ist durch eine progrediente Verschlechterung der Lungenfunktion und eine zunehmende Beeinträchtigung des Befindens, der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität gekennzeichnet, insbesondere hervorgerufen durch rezidivierende Exazerbationen und zunehmende Auswirkungen auf andere Organe.

Management der COPD

Wesentlich für das Management der COPD [2] [5] sind

  1. eine exakte Diagnose als Grundlage einer effektiven und differenzierten Therapie,

  2. präventive Maßnahmen, insbesondere die Ausschaltung von Risikofaktoren,

  3. die Langzeittherapie,

  4. die Behandlung akuter Exazerbationen.

Ziele eines effektiven Managements sind

  • Verminderung der Progression der Erkrankung,

  • Symptomlinderung,

  • Steigerung der körperlichen Belastbarkeit,

  • Verbesserung des Gesundheitsstatus und der Lebensqualität,

  • Vorbeugung und Behandlung von Exazerbationen,

  • Vorbeugung und Behandlung von Komplikationen,

  • Reduktion der Mortalität.

Die Frühdiagnostik der COPD wird dadurch erschwert, dass Patienten mit leicht- oder sogar mittelgradiger COPD die progrediente Belastungsdyspnoe infolge körperlicher Schonung häufig nicht als störend empfinden und sich daher einer für die Besserung der Prognose möglicherweise wichtigen Frühdiagnostik und frühzeitigen Therapie entziehen.

Der Nutzen von lungenfunktionsanalytischen Screening-Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung oder bei Rauchern ist allerdings nicht gesichert. Wesentlich ist bei der Angabe von chronischem (morgendlichem) Husten und/oder Auswurf und/oder Belastungsdyspnoe sowie bei Vorliegen von Risikofaktoren ([Tab. 2]) die Verdachtsdiagnose „COPD” zu stellen und die entsprechende Diagnostik einzuleiten.

Tab. 2 Risikofaktoren für die Entwicklung der COPD
genuine Faktoren genetische Prädisposition
(z. B. Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel [25])
bronchiale Hyperreaktivität [26]
Störungen des Lungenwachstums [27] [28] [29] [30]
erworbene Faktoren inhalativer Tabakkonsum [31] [32] [33] [34] [35] [36]
berufsbedingte Stäube (Appendix A)
allgemeine Luftverschmutzung [37] [38]
häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit [38]

Bei jedem Schweregrad und in Abhängigkeit von der Komorbidität müssen die Therapieziele individuell und realistisch festgelegt werden. Bei Erstellung eines individuellen Therapieplanes sind Nutzen und Risiken der Behandlungsmaßnahmen für den Betroffenen sowie die direkten und die indirekten Kosten zu beachten.

Prinzipiell ist nach erreichter Besserung der Symptomatik für COPD-Patienten eine Reduktion der Therapie zu erwägen. Infolge der typischerweise progredienten Verschlechterung des Befindens und der Lungenfunktion ist allerdings häufig eine Intensivierung der medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapiemaßnahmen notwendig.

Wesentlich sind auch die Vorbeugung und frühzeitig einsetzende, adäquate Behandlung akuter Exazerbationen, um das Auftreten von Komplikationen und kostenintensive Hospitalisationen zu minimieren.

Diagnostik

Leitsätze

  1. Die Diagnose der COPD basiert auf der Angabe charakteristischer Symptome, dem Vorliegen von Risikofaktoren und dem lungenfunktionsanalytischen Nachweis einer nicht vollständig reversiblen Atemwegsobstruktion. Wichtigster Risikofaktor in Deutschland ist das Zigarettenrauchen.

  2. Bei Patienten mit chronischem Husten und Auswurf sollte eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt werden, auch dann, wenn sie keine Atemnot verspüren.

  3. Für die Diagnosestellung und für die Abschätzung des Schweregrades ist die Spirometrie die am besten validierte lungenfunktionsanalytische Methode.

  4. Zur weiteren Differenzierung der Atemnot sowie zur Differenzierung von chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem haben sich die Ganzkörperplethysmographie sowie die Bestimmung der CO-Diffusionskapazität bewährt.

  5. Bei allen Patienten mit einer ausgeprägten Belastungsdyspnoe, stark eingeschränkter FEV1 oder klinischen Zeichen einer Rechtsherzbelastung sollten eine Bestimmung der 6-Minuten-Gehstrecke sowie eine Blutgasanalyse in Ruhe und ggf. unter körperlicher Belastung durchgeführt werden.

Die Diagnose COPD ist bei allen Patienten mit Husten, Auswurf, Atemnot und/oder Vorhandensein typischer Risikofaktoren ([Tab. 2]) in Erwägung zu ziehen. Die Diagnose wird durch den Nachweis einer nicht vollständig reversiblen Atemwegsobstruktion gesichert.

Untersuchungsmethoden

Anamnese

Chronischer Husten ist oft das Initialsymptom der COPD [39]. Er kann initial intermittierend, im Verlauf ständig morgens, später auch tagsüber vorhanden sein.

In vielen Fällen entwickelt sich eine Atemwegsobstruktion allerdings auch ohne Husten. Jede Form chronischen Auswurfs kann ein Indikator für eine COPD sein. Nicht jeder Patient mit Husten mit oder ohne Auswurf entwickelt jedoch eine COPD. Häufig suchen Patienten erst wegen Atemnot, die sich zunächst unter starker, bei Progression der Krankheit auch unter geringer Belastung bemerkbar macht, den Arzt auf. Thorakales Engegefühl und pfeifende Atemgeräusche können auch vorhanden sein.

Die Anamnese sollte bei Verdacht auf COPD folgende Angaben enthalten:

  • Exposition gegenüber Tabakrauch (aktiv: In Packungsjahren (pack-years) sowie passiv) und anderen Risikofaktoren ([Tab. 2]),

  • Angaben über Asthma, Allergien, Sinusitiden, Nasenpolypen, Atemwegsinfekte und andere Atemwegserkrankungen,

  • Lungenkrankheiten in der Familienanamnese,

  • Berufsanamnese,

  • Verlauf und Intensität der Symptomatik,

  • körperliche Belastbarkeit,

  • Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen sowie frühere Krankenhausaufenthalte,

  • Komorbidität (Herzerkrankungen u. a.),

  • gegenwärtige Medikation,

  • Beeinträchtigung im Alltag,

  • soziale Anamnese,

  • Möglichkeiten zur Reduktion/Beseitigung von Risikofaktoren,

  • Störungen der Atmung im Schlaf.

Körperliche Untersuchung

Bei Patienten mit geringer Ausprägung der COPD kann der körperliche Untersuchungsbefund unauffällig sein.

Bei mittelschwerer Erkrankung können die Kennzeichen der Obstruktion mit verlängertem Exspirium, Giemen, Pfeifen und Brummen feststellbar sein wie auch eine Lungenüberblähung mit tief stehendem, wenig verschieblichem Zwerchfell und hypersonorem Klopfschall.

Die schwere COPD ist durch folgende anamnestische Angaben und körperliche Untersuchungsbefunde gekennzeichnet:

  • Zeichen der chronischen Lungenüberblähung mit abgeschwächtem Atemgeräusch, leisen Herztönen, Fassthorax und inspiratorischen Einziehungen im Bereich der Flanken,

  • pfeifende Atemgeräusche, insbesondere bei forcierter Exspiration,

  • Zeichen der Sekretansammlung im Anhusteversuch,

  • zentrale Zyanose,

  • Konzentrationsschwäche und verminderte Vigilanz,

  • Gewichtsverlust,

  • periphere Ödeme,

  • indirekte Zeichen der pulmonalen Hypertonie mit präkordialen Pulsationen, betontem Pulmonalklappenschlusston, einer Tricuspidalklappeninsuffizienz mit einem Systolikum über dem 3. bzw. 4. ICR rechts parasternal.

Dabei ist anzumerken, dass nicht in jedem Fall alle genannten Symptome bzw. Befunde vorliegen.

Lungenfunktionsdiagnostik

In allen Verdachtsfällen und bei allen Schweregraden der COPD sowie zur Differenzialdiagnose der Dyspnoe sollte eine Lungenfunktionsanalyse durchgeführt werden. Die Diagnose COPD basiert auf der Feststellung einer Atemwegsobstruktion.

Der Nachweis kann mittels Spirometrie, Analyse von Fluss-Volumen-Diagrammen oder der Ganzkörperplethysmographie erfolgen.

Von den verfügbaren Kenngrößen der Obstruktion sind die Messung der 1-Sekunden-Kapazität (syn. Forciertes Einsekundenvolumen, FEV1), der inspiratorischen Vitalkapazität (VC) und die Bestimmung des Verhältnisses FEV1/VC die mit der höchsten Evidenz gesicherten Kenngrößen zur Charakterisierung der COPD und zur Beurteilung des natürlichen Verlaufs der Erkrankung (Evidenzgrad A).

Diese Leitlinie verwendet die VC für die Definition der Obstruktion, jetzt auch in Übereinstimmung mit der neuen Spirometrieempfehlung der Deutschen Atemwegsliga [40] und der ATS/ERS-Konsensus Empfehlung zur Lungenfunktionsdiagnostik [41].

Es ist darauf hinzuweisen, dass GOLD die Obstruktion durch das Verhältnis von FEV1 zur forcierten Vitalkapazität (FVC) definiert [2] [5]. In Grenzfällen können sich hierdurch Abweichungen ergeben.

Das Vorliegen einer Obstruktion wird vereinfachend, aber in Anlehnung an die meisten nationalen und internationalen Empfehlungen festgestellt, wenn der Quotient aus FEV1 und VC (FEV1/VC) < 70 % ist (Empfehlungsgrad A, Evidenzgrad D), obwohl der Wert eigentlich alters- und geschlechtsabhängig ist.

Normale Werte der FEV1/VC schließen die Diagnose COPD in der Regel aus, nicht jedoch die chronische, nicht obstruktive Bronchitis. Auch bei einzelnen Patienten mit einem Lungenemphysem, das an erhöhten Werten der funktionellen Residualkapazität (FRC) bzw. des intrathorakalen Gasvolumens (ITGV), einer Erniedrigung der CO-Diffusionskapazität (DLCO), häufig ausgeprägt verminderten Werten der maximalen Atemstromstärken nach Ausatmung von 50 % und 75 % der Vitalkapazität (FEF50, FEF75) erkennbar ist, liegt keine Einschränkung der FEV1/VC vor.

Neuere Untersuchungen belegen, dass durch Messungen der inspiratorischen Einsekundenkapazität (FIV1) [42] und der inspiratorischen Kapazität (IC) [43] [44] [45] wertvolle zusätzliche Informationen über die Überblähung der Lunge und die hierdurch bedingte funktionelle Beeinträchtigung des Patienten mit COPD gewonnen werden können, die mit dem Ausmaß der Dyspnoe besser korrelieren als die FEV1.

Die nach Inhalation von Bronchodilatatoren bestimmte FEV1 ist ein Prädiktor der Langzeitprognose [46] [47].

Die Messung der Peak-Flow-Werte ist für das Monitoring der COPD weniger geeignet als für das Asthma. Peak-Flow-Werte von mehr als 80 % des Sollwertes schließen eine leichtgradige COPD nicht aus. Im Allgemeinen resultiert aus der Peak-Flow-Messung eine Unterschätzung des Schweregrades der COPD. Bei Exazerbationen der COPD geht die Zunahme der Beschwerden dem Abfall der Peak-Flow-Werte voran [48].

Reversibilitätstests mit Bronchodilatatoren

Die Messung der Reaktion der Atemwegsobstruktion auf Bronchodilatatoren (raschwirksame β2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika) ist vor allem für die Differenzialdiagnose zwischen Asthma und COPD hilfreich.

Bei COPD-Patienten ist die akute Reaktion auf Bronchodilatatoren häufig bei Wiederholung des Tests nicht reproduzierbar [49] (Evidenzgrad B). Konsequenzen für die weitere Therapie bei Nichtansprechen ergeben sich nicht, da der Haupteffekt der Bronchodilatatoren bei der COPD in der Verminderung der Überblähung in Ruhe und der dynamischen Überblähung unter Belastung [43] [44] [45] [50] (Evidenzgrad B) sowie in der Reduktion der Frequenz der Exazerbationen gesehen wird [51] [52] [53] [54] (Evidenzgrad B).

Die Untersuchungen sollten nach Möglichkeit in klinisch stabilem und infektfreiem Zustand des Patienten durchgeführt werden. Kurzwirksame β2-Sympathomimetika sollten mindestens 6 Stunden, Anticholinergika 6 - 12 Stunden, langwirksame β2-Sympathomimetika 12 Stunden, langwirksame Anticholinergika und retardierte Theophyllinpräparate 24 Stunden vor der Untersuchung abgesetzt werden.

Die Messungen der FEV1 erfolgen vor und 30 Minuten nach Inhalation eines kurzwirksamen β2-Sympathomimetikums (z. B. bis zu 400 µg Salbutamol oder bis zu 200 µg Fenoterol oder 500 µg Terbutalin) und/oder bis zu 160 µg Ipratropiumbromid. Eine Kombination der Bronchodilatatoren wird empfohlen, um eine maximale Antwort zu erreichen (Evidenzgrad D). Ein Anstieg der FEV1 um mehr als 200 ml und um mindestens 15 % gegenüber dem Ausgangswert gilt als Kriterium einer reversiblen Atemwegsobstruktion und spricht eher für Asthma als für COPD. Die Grenzen der Reversibilität (200 ml und 15 %) wurden willkürlich festgelegt (Empfehlungsgrad A, Evidenzgrad D). Eine sichere Unterscheidung zwischen Asthma und COPD ist auch mit diesem Instrument nicht immer möglich, da bei einem lang bestehenden Asthma die volle Reversibilität verloren gehen kann und viele COPD-Patienten eine gewisse - allerdings nie vollständige - Reversibilität aufweisen.

Reversibilitätstests mit Glukokortikoiden zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung zwischen Asthma und COPD

Glukokortikoide können zeitlich limitiert für die Abgrenzung zwischen Asthma und COPD eingesetzt werden.

Die Reaktion der postbronchodilatatorischen FEV1 auf Glukokortikoide in einer stabilen Phase der Erkrankung kann durch eine zweiwöchige orale Applikation von täglich 20 - 40 mg Prednisolon oder durch eine nebenwirkungsärmere 2x tägliche Inhalation einer mindestens mittleren Dosis eines inhalativen Glukokortikoids über 4 - 6 Wochen ermittelt werden. Die Kriterien für eine positive Reaktion der FEV1 entsprechen denjenigen bei der Applikation von Bronchodilatatoren.

Asthmatiker reagieren auf diese Kurzzeittherapie mit Glukokortikoiden regelhaft deutlich, COPD-Patienten nur in 10 - 20 % [55]. In solchen Fällen kann das Vorliegen von COPD und Asthma angenommen werden [56]. Bei signifikantem Anstieg der FEV1 sollte der Patient mit inhalativen Glukokortikoiden behandelt werden.

Weitere Lungenfunktionstests

Bei Patienten mit geringer Obstruktion, geringem Dyspnoeempfinden und guter Leistungsfähigkeit ist die zusätzliche Bestimmung weiterer Kenngrößen der Lungenfunktion nicht indiziert. Bei Patienten mit Diskrepanz zwischen Dyspnoe und Einschränkung der FEV1, bei Patienten der Schweregrade III und IV (s. Schweregradeinteilung) oder bei Patienten, die nicht in der Lage sind, auswertbare forcierte Atemmanöver durchzuführen, sind neben der Spirometrie zusätzliche Messverfahren sinnvoll: Diese umfassen die Bestimmung der von der Mitarbeit des Patienten weniger abhängigen ganzkörperplethysmographischen Messgrößen (Raw: Atemwegswiderstand; ITGV: intrathorakales Gasvolumen; spezifische Resistance oder Conductance) zum Nachweis einer Obstruktion (Raw) und einer Überblähung (ITGV), die Bestimmung der arteriellen Blutgase in Ruhe und unter Belastung zum Nachweis einer latenten Störung des Gasaustausches und zur Beurteilung der Indikation einer Langzeitsauerstofftherapie sowie die Messung der CO-Diffusionskapazität zur Abschätzung der funktionellen Auswirkungen eines Lungenemphysems. Im Zusammenhang mit der Erfassung der Überblähung ist in letzter Zeit auch die Messung der inspiratorischen Kapazität (IC) und deren Verhältnis zur Totalkapazität (IC/TLC) in den Blickpunkt gerückt, nachdem gezeigt werden konnte, dass dieser Parameter mit der Mortalität [57] korreliert (Evidenzgrad B).

Wenn die Belastungsdyspnoe des Patienten nicht sicher ursächlich einzuordnen ist und/oder in ihrem Ausmaß nicht mit den Messwerten in Einklang steht, kann eine spiroergometrische Untersuchung weiteren Aufschluss bieten.

Blutgasanalyse

Eine arterielle Hypoxämie und eine Hyperkapnie werden bei Patienten mit schwerer COPD häufig angetroffen. Eine respiratorische Insuffizienz liegt bei PaO2-Werten < 60 mm Hg mit oder ohne Hyperkapnie (PaCO2 ≥ 45 mm Hg) bei Atmung von Raumluft vor. In einem Präschock- oder Schockzustand muss die Blutgasanalyse über eine arterielle Punktion erfolgen, sonst wird hyperämisiertes Kapillarblut aus dem Ohrläppchen gewonnen.

Die Pulsoxymetrie ersetzt die direkte Analyse der arteriellen Blutgase nicht, insbesondere nicht bei klinischer Verschlechterung des Patienten oder beim Auftreten von Komplikationen, da sie keine Auskunft über den CO2-Partialdruck gibt. Die Pulsoxymetrie ist jedoch als Verlaufsparameter zur Kontrolle der Oxygenierung geeignet, da bei Werten über 90 % eine Gefährdung durch eine kritische Hypoxämie auszuschließen ist [58]. Bei Werten zwischen 92 % und 96 % ist infolge der Streuung der Methode eine zuverlässige Beurteilung einer Gasaustauschstörung erschwert.

CO-Diffusionskapazität

Die Bestimmung der CO-Diffusionskapazität wird üblicherweise nach der single-breath-Methode durchgeführt. Sie ist eine zur Analyse der Funktionseinschränkung beim Lungenemphysem wichtige Kenngröße [59], deren Messwerte mit dem pathologisch-anatomischen Schweregrad eines Lungenemphysems gut übereinstimmen [60] [61] [62].

Belastungstests

Kontrollierte Belastungstests können bei COPD-Patienten zur Differenzierung verschiedener Ursachen der Belastungsdyspnoe, zur Quantifizierung der eingeschränkten Belastbarkeit, zur Auswahl eines individuell abgestuften Trainingsprogramms und zur Beurteilung der Therapieeffekte von Medikamenten [44], wie auch von körperlichen Trainingsprogrammen in der pneumologischen Rehabilitation eingesetzt werden.

Für die Routinediagnostik bei Patienten im Stadium I und II sind sie entbehrlich. Die Auswahl der Belastungstests, der Belastungsprotokolle sowie der Kenngrößen zur Beurteilung der Belastbarkeit sind den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) zur Durchführung und Beurteilung von Belastungstests in der Pneumologie zu entnehmen [63].

Röntgenaufnahmen der Thoraxorgane

Eine Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane ist bei der Erstdiagnostik sinnvoll und sollte in 2 Ebenen durchgeführt werden, damit Emphysemblasen identifiziert und bedeutsame weitere Erkrankungen, wie z. B. das Bronchialkarzinom oder eine Lungenstauung, erkannt werden können. Sie trägt zur Diagnose der COPD durch Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik bei, ist aber nicht in der Lage, ein leichtgradiges Lungenemphysem zu erfassen [64].

Computertomographie des Thorax

Das hoch auflösende Computertomogramm des Thorax (HR-CT) kann zur Charakterisierung (zentrilobulär oder panlobulär), zur Quantifizierung und zur Beurteilung der Verteilung eines Lungenemphysems genutzt werden. Das HR-CT ist zur Charakterisierung ausgeprägter Lungenemphyseme insbesondere vor operativen Eingriffen, etwa der Lungenvolumenreduktion oder der Resektion von Bullae [65], notwendig. Bei Patienten mit COPD ohne Emphysemhinweis ist diese Untersuchung entbehrlich.

Bei häufigen Exazerbationen ist das HR-CT hilfreich zum Nachweis von Bronchiektasen und beeinflusst damit die Entscheidung über den Einsatz von Antibiotika.

Elektrokardiogramm

Das EKG liefert Informationen über das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit und von Herzrhythmusstörungen, ist jedoch eine insensitive Methode zur Abschätzung einer Hypertrophie des rechten Ventrikels [66]. Gleichwohl können bei chronischem Cor pulmonale typische Zeichen der Rechtsherzbelastung gefunden werden. Ihr Fehlen schließt aber ein Cor pulmonale nicht aus.

Echokardiographie

Bei Verdacht auf ein Cor pulmonale erlaubt die Echokardiographie mit der Doppler- und Farbdopplertechnik häufig eine valide Abschätzung des systolischen Drucks im kleinen Kreislauf und der Dimensionen des rechten Ventrikels. Darüber hinaus kann die Echokardiographie wertvolle Dienste im Rahmen der Differenzialdiagnostik leisten, in dem sie u. a. die Bestimmung der systolischen linksventrikulären Pumpfunktion ermöglicht. Die Indikationen, die optimale Durchführung der Untersuchung und die geeigneten Kenngrößen zur Beurteilung eines Cor pulmonale und der pulmonalen Hypertonie sind den Empfehlungen der DGP zur Echokardiographie [67] zu entnehmen.

Laboruntersuchungen

Prinzipiell ist bei allen COPD-Patienten einmalig eine Untersuchung bezüglich eines Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangels empfehlenswert. Dies gilt in jedem Fall bei jüngeren (< 50 Jahre) sowie nichtrauchenden COPD-Patienten. Bei Exazerbationen ist die Bestimmung der BSG, des Blutbildes und des CRP im Serum sinnvoll. Bei Polyglobulie ist eine Blutgasanalyse indiziert.

Sputumdiagnostik

Die Indikationen für eine mikrobiologische Sputumdiagnostik sind im Kapitel „Exazerbationen” dargestellt.

Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf COPD

In [Abb. 2] ist ein Algorithmus zum Einsatz der genannten Verfahren in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik der COPD sowie der Differenzierung zwischen chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (Evidenzgrad C) dargestellt.

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Abb. 2 Diagnostik der COPD
Der Algorithmus beschreibt die differenzierte Abklärung der COPD.
GKP: Ganzkörperplethysmographie, Raw: Gesamtatemwegswiderstand, FRC: funktionelle Residualkapazität, BGA: Blutgasanalyse, DLCO: CO-Diffusionskapazität, KCO: CO-Transferkoeffizient (DLCO/VA), VA: alveoläres Volumen, COB: chronisch obstruktive Bronchitis.

Zur initialen Diagnostik, die vom niedergelassenen Allgemeinarzt oder Internisten durchgeführt werden kann, gehören die Anamnese, die körperliche Untersuchung, eine Thoraxaufnahme in 2 Ebenen und die Spirometrie. Reversibilitätstests mit Bronchodilatatoren bzw. Glukokortikoiden erlauben häufig die Differenzierung zwischen Asthma und COPD.

Wenn Atemnot angegeben wird, obwohl die Messwerte für absolute und relative Sekundenkapazität im Normbereich liegen, können die Ganzkörperplethysmographie (GKP) durch die Bestimmung des Atemwegswiderstandes (Raw) und des intrathorakalen Gasvolumens (ITGV) wertvolle Informationen liefern (Empfehlungsgrad A). So finden sich gelegentlich auch ohne FEV1-Erniedrigung erhöhte Werte des ITGV als Hinweis auf ein Lungenemphysem.

Auch die Reaktion auf Bronchodilatatoren kann insbesondere bei Patienten mit COPD und Lungenemphysem anhand der Änderung des ITGV besser beurteilt werden als mit der FEV1 [68]. Außerdem ist die ganzkörperplethysmographisch bestimmte Resistance im Gegensatz zur FEV1 eine valide Kenngröße zur Beurteilung der Dauerbelastung der Atempumpe bei Patienten mit COPD [69]. Daher sollte der Patient mit einer chronischen Bronchitis und Atemnot bei normalen Werten der Spirometrie initial mindestens einmal ganzkörperplethysmographisch untersucht werden (Empfehlungsgrad A).

Die Analyse der arteriellen Blutgase wird zur Charakterisierung unklarer Atemnot unter Belastung eingesetzt, für ein adäquates Management der respiratorischen Insuffizienz bei COPD ist sie unentbehrlich (Empfehlungsgrad A).

Die Bestimmung der CO-Diffusionskapazität (DLCO) und des CO-Transfer-Koeffizienten (KCO) können zur Differenzierung zwischen chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem [70] beitragen (Evidenzgrad C, Empfehlungsgrad A).

Patienten mit - nach den genannten Untersuchungen - unklar gebliebener Dyspnoe müssen weiter diagnostiziert werden (Empfehlungsgrad A): Mit der Bronchoskopie lassen sich zentrale Atemwegsstenosen ausschließen. Systolische und diastolische Linksherzinsuffizienz, Anämie, pulmonale Hypertonie und Schlafapnoe können mit Echokardiogramm, Herzkatheter, Labor, CT, Angiographie, Ultraschall Dopplersonographie der peripheren Venen, Ventilations-Perfusions-Szintigraphie, Polysomnographie etc. abgeklärt werden.

Schweregradeinteilung der stabilen COPD

Eine einfache Schweregradeinteilung anhand der postbronchodilatatorisch gemessenen FEV1 soll als Orientierung für ein adäquates Management genutzt werden ([Tab. 3]). Die postbronchodilatatorische Messung dürfte geringeren Schwankungen als die präbronchodilatatorische unterliegen und eignet sich daher besser sowohl für die Schweregradeinteilung, als auch für die Langzeitbeobachtung des FEV1-Abfalls.

Tab. 3 Schweregradeinteilung der COPD [5]
Schweregrad Kriterien
I (leicht) FEV1 ≥ 80 % Soll, FEV1/VC < 70 %
mit/ohne Symptomatik
(Husten, Auswurf)
II (mittel) 50 % Soll ≤ FEV1 < 80 % Soll, FEV1/VC < 70 %
mit chronischen Symptomen/ohne chronische Symptome
(Husten, Auswurf, Dyspnoe)
III (schwer) 30 % Soll < FEV1 < 50 % Soll, FEV1/VC < 70 %
mit chronischen Symptomen/ohne chronische Symptome
(Husten, Auswurf, Dyspnoe)
IV (sehr schwer) FEV1 ≤ 30 % Soll, FEV1/VC < 70 % oder
FEV1 < 50 % Soll plus chronische respiratorische Insuffizienz

Anmerkung:

Für die Schweregradeinteilung gelten die Messwerte der FEV1 nach Bronchodilatation.

Leichtgradige COPD (Schweregrad I)

Der Schweregrad I ist durch eine Atemwegsobstruktion ohne signifikante FEV1-Verminderung charakterisiert (FEV1/VC < 70 %, aber FEV1 ≥ 80 % Soll). In der Regel bestehen chronischer Husten und Auswurf. Atemnot wird häufig noch nicht bemerkt. Bei diesem Schweregrad ist dem Patienten die Einschränkung der Lungenfunktion häufig nicht bewusst.

Mittelgradige COPD (Schweregrad II)

Der Schweregrad II ist durch eine Atemwegsobstruktion bei gleichzeitiger moderater FEV1-Verminderung (FEV1-Werte zwischen 50 % und weniger als 80 % des Sollwertes) charakterisiert. Normalerweise ist dieses Stadium mit einer Zunahme der Symptome, insbesondere einer bei Belastung auftretenden Dyspnoe, verbunden.

Schwere COPD (Schwergrad III)

Patienten diesen Schweregrades sind durch eine höhergradige FEV1-Verminderung (FEV1-Werte zwischen 30 % und 50 % Soll) gekennzeichnet. Das Ausmaß der Dyspnoe korreliert allerdings nicht oder nur schwach mit dem Schweregrad der Lungenfunktionseinschränkung [71], insbesondere im höheren Lebensalter [72].

Sehr schwere COPD (Schweregrad IV)

Wenn die FEV1 ≤ 30 % Soll beträgt, liegt ein Schweregrad IV vor. Besteht eine chronische respiratorische Insuffizienz, darf die FEV1 < 50 % Soll betragen, um einen Schweregrad IV zu definieren.

Häufig suchen die Patienten den Arzt anlässlich einer akuten respiratorischen Insuffizienz im Rahmen einer Exazerbation auf. Bei zahlreichen Patienten im Stadium IV treten gehäuft Exazerbationen mit einem potenziell lebensbedrohlichen Verlauf auf. Arterielle Hypoxämie, häufig verbunden mit einer Hyperkapnie, oder ein Cor pulmonale mit peripheren Ödemen als Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz kennzeichnen das Spätstadium der Erkrankung.

Eine neue multidimensionale Schweregradeinteilung, der BODE-Index (B: Body-mass-index, O: obstruction, D: dyspnoea, E: exercise capacity), berücksichtigt Ausmaß der Obstruktion, Atemnot, körperliche Belastbarkeit und body-mass-index [73]. Dieser Index charakterisiert die Beeinträchtigung des Patienten deutlich besser als die FEV1 allein. Die Obstruktion wird anhand der FEV1, die Dyspnoe mittels des (modifizierten) MRC (Medical Research Council) Score, die Belastbarkeit über die 6-Minuten-Gehstrecke gemessen. [Tab. 4] zeigt, wie die Einzelwerte bewertet werden. Durch Addition der Punkte für jeden Parameter ergibt sich der BODE-Score.

Tab. 4 BODE-Index
Parameter Punkte auf der BODE Skala
0 1 2 3
FEV1 (% Soll) ≥ 65 50 - 64 36 - 49 ≥ 35
6 Min Gehtest (m) > 350 250 - 349 150 - 249 ≤ 149
MRC Dyspnoe (Stufe) 0 - 1 2 3 4
body-mass-index (kg/m2) > 21 ≤ 21
Modifizierter MRC Score:
0: keine Atemnot, 1: Atemnot bei schwerer, 2: Atemnot bei leichter Belastung, 3: zu kurzatmig, das Haus zu verlassen, und 4: kurzatmig beim An- und Ausziehen.

Die BODE-Scorebereiche (Quartilen) 0 - 2, 3 - 4, 5 - 6 und 7 - 10 Punkte korrelierten mit der Gesamtmortalität und mit der COPD bedingten Mortalität in der untersuchten internationalen COPD Patientenpopulation besser als die FEV1 [73].

Anmerkung: In der letzten Fassung der Leitlinie war auch ein Stadium 0 aufgeführt. Das Stadium 0 wurde bei Angabe von chronischem Husten und/oder Auswurf und bei Vorliegen von Risikofaktoren bei gleichzeitig unauffälliger Spirometrie festgestellt. Es wurde angenommen, dass Patienten in diesem Stadium ein gesteigertes Risiko aufweisen, eine manifeste COPD zu entwickeln.

Es gibt zwar Hinweise darauf, dass Männer mit Atembeschwerden, d. h. Dyspnoe, persistierendem Husten und/oder Auswurf ein signifikant gesteigertes Mortalitätsrisiko aufweisen [74]. Andererseits fanden sich in neueren Studien keine Anhaltspunkte dafür, dass Husten und Auswurf (nach Definition der WHO für chronische Bronchitis) allein relevante Risikofaktoren für die Entstehung einer Bronchialobstruktion [75] [76] sind. Daher wurde das Stadium 0 in der neuen Fassung der Leitlinie in Übereinstimmung mit dem neuen GOLD-Update gestrichen.

Differenzialdiagnosen

Die für das Management der COPD wichtigste Differenzialdiagnose ist das Asthma. Charakteristische Merkmale beider Erkrankungen sind in [Tab. 5] gegenübergestellt.

Tab. 5 Differenzialdiagnose: Asthma - COPD
Merkmal Asthma COPD
Alter bei Erstdiagnose variabel, häufig: Kindheit, Jugend meist 6. Lebensdekade
Tabakrauchen kein direkter Kausalzusammenhang; Verschlechterung durch Tabakrauchen möglich direkter Kausalzusammenhang
Hauptbeschwerden anfallsartig auftretende Atemnot Atemnot bei Belastung
Verlauf variabel, episodisch progredient
Allergie häufig selten
Obstruktion variabel persistierend
Reversibilität der Obstruktion > 20 % FEV1 < 15 % FEV1
bronchiale Hyperreaktivität regelhaft vorhanden möglich
Ansprechen auf Glukokortikoide regelhaft vorhanden gelegentlich*
* Zu der Frage, ob es bis zu 20 % „reine” COPD Patienten gibt, die in der Langzeittherapie auf Glukokortikoide ansprechen [77], oder ob diese Patienten sowohl an Asthma als auch an COPD leiden, gibt es bislang keine eindeutige Antwort [56].

Neben Anamnese (Rauchen, atopische Begleiterkrankungen) und Klinik ist das Ausmaß der Reversibilität und der bronchialen Hyperreaktivität ([Tab. 5]) für die Diagnose entscheidend. Bei Patienten mit widersprüchlichen Untersuchungsergebnissen sollten sowohl Asthma als auch COPD diagnostiziert werden. Die Behandlung sollte dem Schweregrad beider Erkrankungen gerecht werden: Bei COPD sollten zum Beispiel auch bereits bei einer FEV1 < 70 % Soll inhalative Glukokortikoide gegeben werden, wenn gleichzeitig ein Asthma vermutet wird. Andererseits ist bei Asthma mit zusätzlichem COPD-Phänotyp ggf. auch ein langwirksames Anticholinergikum zu verordnen. Maßnahmen der Allergenkarenz und ggf. der antiallergischen Therapie können ebenfalls indiziert sein [78] (Evidenzgrad D, Empfehlungsgrad A).

Weitere differenzialdiagnostische Aspekte

Alle Erkrankungen mit Bronchialobstruktion (u. a. Bronchiektasie, konstriktive Bronchiolitis, diffuse Lungenparenchymerkrankungen mit Obstruktion wie z. B. Sarkoidose), mit chronischem Husten (u. a. Bronchialkarzinom, Tuberkulose, chronisch persistierender Husten infolge eines gastroösophagealen Refluxes oder einer chronischen Rhinosinusitis) oder Atemnot (u. a. infolge Anämie, Linksherzinsuffizienz, pulmonaler Hypertonie, Übergewicht, Trainingsmangel, Hyperthyreose, metabolischer Azidose) müssen differenzialdiagnostisch oder als Komorbidität abgegrenzt werden.

Verlaufsuntersuchungen

Die COPD ist eine progrediente Erkrankung. Symptome und Kenngrößen der Atemwegsobstruktion sollten bei komplikationslosem Verlauf mindestens 1 × pro Jahr überwacht werden, damit Verschlechterungen bzw. Komplikationen erkannt und behandelt werden können.

Nikotin- und Schadstoffkarenz sind zu prüfen und zu dokumentieren, der weiterhin exponierte Patient ist entsprechend zu beraten. Bei der Kontrolluntersuchung ist die Lungenfunktion zu analysieren und zu dokumentieren (mindestens einmal jährlich). Bei beschleunigtem FEV1-Verlust (> 30 ml/Jahr), der häufig erst auf der Basis von longitudinalen Untersuchungen nach 2 - 3 Jahren feststellbar ist, sollten die Schadstoffexpositionskarenz und die Exazerbationshäufigkeit gezielt überprüft werden. Auch die spirometrischen (IC) bzw. bodyplethysmographischen Messparameter (RV, etc.), die Überblähung reflektieren, können von Bedeutung für die Verlaufsbeurteilung sein (s. o.).

Die Messung der arteriellen Blutgase sollte bei progredienter Dyspnoe bzw. einer Einschränkung der FEV1 auf weniger als 40 % des Sollwertes oder bei klinischen Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz oder einer Rechtsherzinsuffizienz durchgeführt werden. In der Routinediagnostik ist die Messung der Druckverhältnisse im kleinen Kreislauf entbehrlich.

Bei jeder Kontrolluntersuchung sollten die Dosierung und die unerwünschten Wirkungen der Medikamente besprochen, die Inhalationstechnik und der Einsatz nicht medikamentöser Therapiemaßnahmen überprüft und dokumentiert werden.

Die Verlaufskontrolle sollte auch unter dem Aspekt der Kostendämpfung in der Langzeittherapie die Überprüfung der Indikation und der Wirksamkeit eines jeden verordneten Medikamentes unter Einschluss der Verordnung von Sauerstoff beinhalten.

Insbesondere ist die Notwendigkeit einer Intensivierung der Therapie (zum Beispiel Verordnung eines weiteren langwirksamen Bronchodilatators oder von inhalierbaren Glukokortikoiden bei häufigen Exazerbationen) zu evaluieren.

Die Anzahl der zwischen den Verlaufsuntersuchungen aufgetretenen Exazerbationen ist zu notieren. Bei häufigen (> 1/Jahr) Exazerbationen sind diagnostische und therapeutische Maßnahmen zur Exazerbationsprophylaxe (Patientenschulung, Impfungen, langwirksame Bronchodilatatoren, inhalative Glukokortikoide bei FEV1 < 50 % Soll, Ausschluss von Bronchiektasen, Suche nach humoraler oder zellulärer Immunabwehrschwäche) zu erwägen. Das Rauchverhalten sollte man analysieren und ggf. erneut intervenieren (Evidenzgrad A ).

Wesentlich ist auch die Dokumentation des Schweregrades der Exazerbation. Zunahme der Sputummenge, Auftreten eines purulenten Sputums und akute Atemnot sollten ebenso registriert werden wie die Notwendigkeit einer Steigerung der Medikation mit Bronchodilatatoren oder Glukokortikoiden sowie der Einsatz von Antibiotika. Schließlich sollten die Hospitalisationen bezüglich Frequenz und Dauer unter Einschluss der Notfallbehandlungen erfragt werden. Bis zur Hälfte der COPD-Patienten berichten nicht spontan über Exazerbationen [79].

Erforderlich ist die Dokumentation des objektiv festgestellten Körpergewichts und des daraus berechneten body-mass-index (BMI). Bei untergewichtigen COPD Patienten (BMI < 25 kg/m2) sollte eine Ernährungsberatung erfolgen und ggf. Zusatznahrung verordnet werden, da eine Gewichtsnormalisierung die Prognose bessert [80].

Auch die Notwendigkeit einer Rehabilitation ist jährlich zu prüfen.

Darüber hinaus ist die in weniger typischen Fällen einmal gestellte Diagnose COPD - insbesondere in Abgrenzung zum Asthma - bei jeder Konsultation kritisch zu überprüfen. Eine neu aufgetretene oder sich verschlechternde Komorbidität (insbesondere koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Bronchialkarzinom) muss diagnostiziert und ggf. behandelt werden.

Bei Diskrepanz zwischen Atemnot und Lungenfunktion (FEV1 > 50 % Soll, aber ausgeprägte Belastungsdyspnoe) ist eine Reevaluation indiziert (Emphysemdiagnostik mit Bodyplethysmographie, Messung der CO Diffusionskapazität, HR-CT etc.).

Therapie

Der Behandlungsplan kann präventive Maßnahmen, medikamentöse Therapie, Schulung, Physiotherapie, körperliches Training, Ernährungsberatung, apparative Therapieoptionen sowie bei ausgeprägtem Lungenemphysem operative Behandlungsmaßnahmen ([Tab. 6]) umfassen. Auch das Management akuter Exazerbationen ist von großer Bedeutung. Zudem stellt die pneumologische Rehabilitation als zeitlich umschriebene komplexe Maßnahme eine wichtige Komponente des Langzeitmanagements der COPD dar.

Einsatz und Auswahl der Therapieoptionen haben die Kooperationsbereitschaft des Patienten zu berücksichtigen.

Tab. 6 Therapieoptionen bei COPD
Prävention Medikamentöse Behandlung Nicht medikamentöse Behandlung Apparative/operative Behandlung
Raucherentwöhnung
Schutzimpfungen
Arbeitsplatzhygiene
Anticholinergika
β2-Sympathomimetika
Theophyllin
Glukokortikoide
Mukopharmaka
Antibiotika
körperliches Training
Patientenschulung
Physiotherapie
Ernährungsberatung
Langzeitsauerstofftherapie
nichtinvasive Beatmung
Emphysemchirurgie
Lungentransplantation

Prävention

Leitsätze zur Prävention

  • Die Reduktion inhalativer Noxen ist vorrangiges Ziel, um die Entwicklung und die Progression der COPD zu verhindern. Wichtigste Maßnahme ist der Verzicht auf Tabakrauchen (Evidenzgrad A).

  • Nikotinkarenz vermindert die Exazerbationsfrequenz bei fortgeschrittener COPD [81] [82] und die Mortalität [83].

  • Multimodale Raucherentwöhnungsprogramme mit Verhaltenstherapie, sozialer Unterstützung und einer Pharmakotherapie zur Behandlung der Nikotinabhängigkeit (Bupropion, Nikotinkaugummi, Nikotinpflaster) können die Erfolgsquoten von Entwöhnungsprogrammen steigern (Evidenzgrad A).

  • Der Schweregrad einer berufsbedingten COPD kann durch eine Reduktion der inhalativen Noxen vermindert werden (Evidenzgrad C).

Ziel präventiver Maßnahmen ist die Verhinderung einer weiteren Schädigung der Lunge durch die Beseitigung von Risikofaktoren. Zigarettenrauchen ist in Deutschland der wichtigste Risikofaktor für die COPD (Evidenzgrad A). Die individuelle Empfindlichkeit und damit die pathophysiologischen Konsequenzen sind jedoch unterschiedlich.

Das Fortschreiten der COPD korreliert mit der täglich konsumierten Zigarettenanzahl. Durchschnittlich kommt es bei regelmäßigem Rauchen zu einer gegenüber dem normalen Altersgang beschleunigten FEV1-Abnahme um ≥ 50 ml/Jahr. Nach Aufgabe des Rauchens kann die weitere jährliche FEV1-Abnahme verlangsamt werden.

Prävention des Tabakrauchens

Verhaltenspräventive Maßnahmen wie Gesundheitserziehung in der Schule [84] und Aufklärung über die Medien, aber auch gesetzliche Regelungen (z. B. rauchfreier Arbeitsplatz [85], Verbot der Tabakwerbung [86]) sind wesentliche Komponenten einer erfolgreichen Strategie zur Verhinderung des Tabakrauchens (Evidenzgrad A).

Verzicht auf Tabakrauchen

Der Verzicht auf Tabakrauchen ist die effektivste Einzelmaßnahme zur Reduktion des COPD-Risikos und der Progression der bereits eingetretenen Erkrankung. Selbst eine kurze Beratung (etwa 3 Minuten) führt in 5 - 10 % der Fälle [87] zur Aufgabe des Nikotinkonsums und sollte als Mindestmaßnahme bei jedem Kontakt mit einem Raucher durchgeführt werden [87] [88]. Es besteht eine enge Beziehung zwischen der Intensität der Beratung zur Aufgabe des Nikotinkonsums und dem Erfolg [89] [90].

Raucherentwöhnung

Raucherentwöhnungsprogramme zeigen eine Rückfallhäufigkeit von mehr als 80 % nach einem Jahr [91] [92] [93] [94]. Mithilfe verhaltenstherapeutischer Programme, nikotinhaltiger Pflaster oder Kaugummis lässt sich die Erfolgsquote für motivierte Patienten nach einem Jahr deutlich steigern.

In einer kontrollierten Multicenterstudie ergab die Kombination aus ärztlicher Beratung, Raucherentwöhnung in einer Gruppe unter Einschluss von Entwöhnungstechniken und Nikotinersatztherapie eine Aufgabe des Nikotinkonsums von 35 % der Teilnehmer nach einem Jahr und von 22 % nach 5 Jahren [95]. Wesentliche Punkte [96] für eine erfolgreiche Raucherentwöhnung sind:

  • Systematische Analyse der Rauchgewohnheiten bei jedem Patienten mit Verdacht auf COPD.

  • Empfehlung zum Rauchverzicht und dessen Dokumentation bei jedem Arztbesuch.

  • Kurze Ratschläge bezüglich der Notwendigkeit des Nikotinverzichtes und der Bewältigung von Entwöhnungsproblemen. Hierzu gehört das Erkennen von potenziellen Rückfallsituationen, etwa durch Zeitdruck, schlechte Stimmung oder das Zusammensein mit Rauchern.

  • Das Führen von Tagebüchern über die Situationen, bei denen Patienten ihre Zigarette anzünden, mit dem Ziel, verhaltenstherapeutische Maßnahmen zum Verzicht auf Nikotin in diesen Situationen einzuleiten.

  • Weiterleitung von Informationen zur Raucherentwöhnung an andere Betreuer.

  • Vereinbarung eines Entwöhnungsdatums mit Kontrolluntersuchungen im Verlauf.

  • Information des Patienten darüber, dass eine langsame Reduktion der Anzahl der Zigaretten in der Regel erfolglos ist, da dieses häufig durch die tiefere Inhalation mit längeren Atemanhaltephasen kompensiert wird.

  • Berücksichtigung von Nikotinkaugummis und Hautpflastern sowie Bupropion [97] [98] zur Behandlung von Entzugssymptomen.

  • Ermutigung des Patienten zu erneuten Entwöhnungsversuchen auch bei Fehlschlägen, da ein langzeitiger Verzicht von Nikotin häufig erst nach 3 - 4 Entwöhnungsversuchen erreicht wird.

Diese Maßnahmen sind dem alleinigen ärztlichen Rat bezüglich der Erfolgsrate der Entwöhnung überlegen [95] [96] [98] [99] [100].

Die Pharmakotherapie sollte in der Raucherentwöhnung eingesetzt werden, wenn die nichtmedikamentösen Maßnahmen erfolglos sind. Alle Formen der Nikotinersatztherapie (Nikotinkaugummi, Nikotinpflaster, sublinguale Tablette) führen zu einem höheren Langzeiterfolg [92]. Die Nikotinersatztherapie ist effektiver, wenn sie mit Beratung und verhaltenstherapeutischen Programmen kombiniert wird [101].

Kontraindikationen bezüglich des Einsatzes von Nikotinersatztherapien umfassen die instabile koronare Herzkrankheit, unbehandelte Magengeschwüre, innerhalb der letzten 4 Wochen abgelaufene Herzinfarkte bzw. Schlaganfälle [91]. Die Behandlung mit Nikotinersatzstoffen sollte in der Regel 8 Wochen nicht überschreiten [102]. In Einzelfällen kann ein über 8 Wochen hinausgehender Einsatz der Nikotinersatztherapie zur Vorbeugung von Rückfällen sinnvoll sein. Bei der Auswahl der Applikationsform ist das Nikotinpflaster dem Kaugummi vorzuziehen, da es weniger Training für einen effektiven Einsatz benötigt und mit weniger Complianceproblemen verbunden ist.

Bei Einsatz des Nikotinkaugummis sollte der Patient nach dem Kauen das Gummi gegen die Innenseite der Wange pressen, um eine optimale bukkale Absorption mit verlängerter Freisetzung des Nikotins zu ermöglichen. 15 Minuten vor und nach Einsatz des Kaugummis sollte er weder essen noch Kaffee oder Säfte trinken, um die Absorption des Nikotins nicht zu reduzieren.

Bei starker Abhängigkeit des Rauchers ist zumindest initial das Kaugummi mit einer Dosis von 4 mg Nikotin demjenigen mit einer Dosis von 2 mg vorzuziehen [103].

Nikotinersatztherapie führt in Kombination mit psychosozialer Unterstützung einschließlich adäquater Nachsorge und Rückfallintervention zu einer signifikant höheren Abstinenzrate, die auch nach 5 [95] und 11 [104] Jahren nachweisbar war. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand stellt eine individuelle Beratung mit strukturierter Nachsorge und Rückfallmanagement, kombiniert mit der Nikotinersatztherapie, auf Dauer gesehen, die wirksamste Form der Tabakentwöhnung dar [105].

Das Antidepressivum Bupropion steigert über den Effekt von Beratung und den Einsatz einer Nikotinersatztherapie hinaus die Entwöhnungsrate [97] [98]. Der Einsatz von Bupropion wird allerdings durch gastrointestinale Nebenwirkungen, gelegentlich aber auch durch Krampfanfälle limitiert. Bei schwerer Leberzirrhose bzw. Neigung zu Krampfanfällen und schwerer instabiler koronarer Herzkrankheit sollte die Substanz nicht eingesetzt werden. Es besteht aber kein Zweifel, dass das Schaden/Nutzenverhältnis bei Einhaltung der Kontraindikationen günstig ausfällt.

Prophylaxe von arbeitsplatzbezogenen Schadstoffexpositionen

Berufstätige COPD-Patienten sollten am Arbeitsplatz vor inhalativen Noxen - einschließlich Passivrauchen - geschützt werden [106] [107].

Schutzimpfungen

Influenzaschutzimpfung

Die Influenzaschutzimpfung sollte jährlich bei allen Patienten mit COPD im Herbst mit der jeweils aktuellen Vakzine durchgeführt werden (Empfehlungsgrad A). Die Influenzaschutzimpfung führt zu einer erheblichen Reduktion der Morbidität, ferner zu einer Abnahme von sekundär auftretenden Pneumonien [108] [ 109] (Evidenzgrad A).

Influenzaprophylaxe

COPD-Patienten der Schweregrade III und IV, die Kontakt zu einer an Influenza erkrankten Person - insbesondere während einer Influenzaepidemie - hatten, sollten sofort eine Infektprophylaxe mit Neuraminidasehemmern (Oseltamivir oder Zanamivir) beginnen. Hierzu liegen keine Daten für COPD-Patienten vor, aber die Transmission bei älteren multimorbiden Patienten wird durch diese Maßnahme um 92 % reduziert. Dies gilt auch für geimpfte Personen (91 % Reduktion) [110] [111] (Empfehlungsgrad C).

Pneumokokkenschutzimpfung

Bisher fehlt eine eindeutige Evidenz für den positiven Effekt der Pneumokokkenschutzimpfung bei COPD-Patienten im Hinblick auf die Reduktion von Exazerbationen [112] [113]. Wirksam ist die Impfung gegen die bakteriämische Form der Pneumokokkenpneumonie mit hoher Mortalität [114]. Allerdings ist eine erhöhte Inzidenz von Pneumokokkenpneumonien bei Patienten mit COPD in dieser Population nicht gesichert [115].

Bei älteren, chronisch kranken Patienten mit und ohne COPD überwiegen jedoch die potenziellen Vorteile gegenüber den Risiken der Pneumokokkenschutzimpfung [116].

Deshalb kann die Pneumokokkenschutzimpfung für alle COPD-Patienten empfohlen werden (Evidenzgrad D). Eine Wiederholungsimpfung sollte im Abstand von 5 - 6 Jahren nach der Erstimpfung durchgeführt werden [117].

Langzeitbehandlung der stabilen COPD

Leitsätze

  • Die Langzeittherapie der stabilen COPD ist durch eine schrittweise Steigerung der Therapiemaßnahmen in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung gekennzeichnet. Sie umfasst regelhaft sowohl medikamentöse als auch nichtmedikamentöse Therapieverfahren.

  • Mit keinem der vorhandenen medikamentösen Therapieansätze lässt sich nach bisheriger Datenlage die Progression der Beeinträchtigung der Lungenfunktion beeinflussen (Evidenzgrad A). Die Pharmakotherapie ermöglicht eine Linderung der Beschwerden, eine Besserung von körperlicher Leistungsfähigkeit und Lebensqualität und/oder eine Verminderung der Exazerbationsfrequenz.

  • Bronchodilatatoren (Anticholinergika, β2-Sympathomimetika und Theophyllin) sind die Basismedikamente zur Linderung der Beschwerden bei COPD (Evidenzgrad A). Die Wahl zwischen Anticholinergika und β2-Sympathomimetika hängt vom individuellen Ansprechen des Patienten bezüglich der Effekte und der unerwünschten Wirkungen ab (Evidenzgrad A). Langwirksame Bronchodilatatoren (β2-Sympathomimetika und das Anticholinergikum Tiotropium) sind effektiver und einfacher anzuwenden als kurzwirksame, aber auch teurer (Evidenzgrad A). Theophyllin kann in der Langzeittherapie der COPD effektiv sein, sollte aber wegen zahlreicher Interaktionen und der relativ geringen therapeutischen Breite als Bronchodilatator der 3. Wahl eingesetzt werden.

  • Eine Dauerbehandlung mit inhalativen Glukokortikoiden sollte bei COPD-Patienten mit einer postbronchodilatatorischen FEV1 < 50 % Soll und mindestens einer den Einsatz von systemischen Steroiden und/oder Antibiotika notwendig machenden COPD-Exazerbation im letzten Jahr zum Einsatz kommen (Evidenzgrad A, Empfehlungsgrad A). Eine Dauerbehandlung mit systemischen Glukokortikoiden sollte wegen der häufigen unerwünschten Effekte vermieden werden (Evidenzgrad A).

  • Patienten mit COPD profitieren von körperlichem Training bezüglich Belastbarkeit und Linderung von Dyspnoe und Ermüdbarkeit (Evidenzgrad A, Empfehlungsgrad A).

  • Die Langzeitsauerstofftherapie über 16 - 24 Stunden am Tag bei Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz (pO2 < 55 mm Hg) verbessert die Prognose der Patienten (Evidenzgrad A).

  • Die Patientenschulung ist ein wichtiges Therapieelement für alle Schweregrade der Erkrankung, da sie zu einer Steigerung der Effizienz des Managements wesentlich beiträgt (Evidenzgrad B, Empfehlungsgrad A).

  • Die pneumologische Rehabilitation als zeitlich umschriebene komplexe Maßnahme (medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapieverfahren) stellt eine wichtige und effektive Komponente des Langzeitmanagements der COPD dar (Evidenzgrad A, Empfehlungsgrad A).

  • Eine effiziente Langzeitbetreuung bedarf einer eng verzahnten Versorgung durch Hausarzt, Facharzt, Akutkrankenhaus/Fachklinik sowie stationärer und ambulanter Rehabilitation (Evidenzgrad D).

Ziele der Pharmakotherapie sind die Besserung der Symptome, eine Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, eine Steigerung der Lebensqualität sowie die Prävention von Exazerbationen.

Eine Normalisierung der Lungenfunktion ist bei Patienten mit COPD nicht zu erwarten. Falls sich die Lungenfunktion unter einer Therapie normalisiert, muss die Diagnose COPD revidiert werden. Meist handelt es sich in solchen Fällen um ein Asthma. Weder für Bronchodilatatoren noch für inhalative Glukokortikoide ist bislang eine Besserung der Prognose nachgewiesen [95] [118] [119] [120] [121] [122].

Husten und Auswurf bessern sich nach Ausschalten exogener Noxen, insbesondere nach Aufgabe des Nikotinkonsums. Die Dyspnoe von Patienten mit COPD wird oft durch β2-Sympathomimetika, Anticholinergika und Theophyllin günstig beeinflusst. Wahl und Dosierung sollen individuell unter Berücksichtigung des Schweregrades der Erkrankung sowie von Wirksamkeit und Verträglichkeit erfolgen.

Bei ungenügendem Effekt kann eine Kombination von inhalierbaren langwirksamen Bronchodilatatoren (Tiotropium und ein langwirksames β2-Sympathomimetikum) zum Einsatz kommen. Bei einer FEV1 < 50 % des Solls (postbronchodilatatorisch) sowie mindestens einer den Einsatz von systemischen Steroiden und/oder Antibiotika erforderlich machenden Exazerbation im letzten Jahr ist die Therapie mit inhalativen Glukokortikoiden indiziert. Der Stufenplan für die Langzeittherapie ist in [Abb. 3] dargestellt.

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Abb. 3 Stufenplan für die Prophylaxe und Langzeittherapie der COPD.

Wirksamkeitskriterien zur Beurteilung des Therapieerfolges sind die Beeinflussung des Befindens (Gesundheitsstatus, Lebensqualität), der Symptome (Atemnot in Ruhe und/oder bei Belastung, Husten, Auswurf), der körperlichen Belastbarkeit sowie von Kenngrößen der Lungenfunktion (FEV1, Resistance, intrathorakales Gasvolumen, Residualvolumen, arterielle Blutgase).

Bronchodilatatoren

Bronchodilatatoren ([Tab. 7]) stellen die Basistherapie des symptomatischen Patienten mit COPD dar. Durch Reduktion des Bronchialmuskeltonus und damit des Atemwegswiderstandes und durch Abnahme der Lungenüberblähung führen sie zu einer Symptomlinderung. Die inhalative Applikation ist der oralen Applikation vorzuziehen, da mit geringeren Dosen gleiche Effekte erreicht werden und damit weniger unerwünschte Wirkungen in Kauf genommen werden müssen. Bei allen inhalativ verabreichten Bronchodilatatoren muss die Inhalationstechnik mit dem Patienten eingeübt und im Therapieverlauf überprüft werden.

Tab. 7 Einzeldosis und Wirkdauer der wesentlichen Bronchodilatatoren in der Langzeittherapie der COPD
Medikament Dosieraerosol*/Pulverinhalator (µg) Vernebler (mg) Tablette (mg) Wirkdauer (h)
Anticholinergika
Ipratropiumbromid 20 - 40/200 0,25 - 0,5 - 6 - 8
Tiotropiumbromid 18 - - 24
beta2-Sympathomimetika
Fenoterol 100 - 200 0,2 - 0,4 - 4 - 6
Salbutamol 100 - 200 1,25 - >;2,5 4 - 8 4 - 6***
Terbutalin 500 2,5 - 10 2,5 - 7,5 4 - 6***
Bambuterol - - 10 24
Formoterol 6 - 24 - 12
Salmeterol 50 - 100 - 12
Methylxanthine**
Theophyllin (retard) - - 100 - 500 variabel (≤ 24)
Kombinationspräparate
Fenoterol + Ipratropiumbromid 50/20 - 100/40 0,05/0,025 - 0,1/0,05 6 - 8
* Mittlere Dosen pro Inhalation für kurzwirksame β2-Sympathomimetika (4 Inhalationen pro Tag bei Dauermedikation), langwirksame β2-Sympathomimetika (2 Anwendungen pro Tag), kurzwirksame Anticholinergika (3 - 4 Inhalationen pro Tag), langwirksames Anticholinergikum (1 Anwendung pro Tag)
** Für Theophyllin ist eine Dosistitration entsprechend der Serumkonzentration und in Abhängigkeit unerwünschter Effekte erforderlich.
*** Wirkdauer der Tabletten infolge der speziellen Galenik deutlich länger als 6 Stunden

Bei fehlendem Ansprechen auf Bronchodilatatoren sollte die Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme unter Einschluss der Inhalationstechnik geprüft werden. Bei unzureichender Inhalationstechnik auch nach einem entsprechenden Training ist die Auswahl eines anderen Applikationssystems, gegebenenfalls der Einsatz einer Inhalationshilfe sowie die Anwendung eines Verneblers zu prüfen [123]. Für Patienten, die trotz entsprechender Anweisung und Anwendung von Inhalationshilfen eine effektive Inhalationstechnik nicht erlernen können, stehen Vernebler zur Verfügung, über die β2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika appliziert werden können. Gelingt eine effektive Inhalation auch mithilfe von Verneblern nicht, können orale β2-Sympathomimetika in Retardform eingesetzt werden. Sollte die Medikation nicht zu einer Besserung der Symptomatik und/oder der Lungenfunktion führen, ist die Umsetzung auf einen anderen Bronchodilatator zu versuchen. Bei regelmäßiger Anwendung von Bronchodilatatoren sind kurzwirksame Substanzen billiger, aber wegen der erforderlichen 3 - 4-maligen Gabe pro Tag bezüglich der Therapietreue ungünstiger als langwirksame Substanzen mit 1 - 2-maliger täglicher Einnahme. Daneben ist die Therapie mit langwirksamen Bronchodilatatoren effektiver [52] [124] [125].

Anticholinergika

Anticholinergika (Ipratropiumbromid, Tiotropiumbromid) erweitern die Bronchien, vermindern die Schleimsekretion, verringern das Dyspnoe-Empfinden, bessern die körperliche Leistungsfähigkeit [44] und reduzieren Exazerbationen [126] [127] bei Patienten mit COPD. Die volle Wirkung des kurzwirksamen Anticholinergikums Ipratropiumbromid tritt erst 20 - 30 Minuten nach Inhalation ein, hält aber länger an als die der kurzwirksamen β2-Sympathomimetika, weshalb bei regelmäßiger Medikation eine 3 - 4-malige Anwendung pro Tag empfohlen wird.

Die meisten klinischen Untersuchungen zeigen bei Vergleich der kurzwirksamen β2-Sympathomimetika mit den kurzwirksamen Anticholinergika eine ähnlich gute Wirkung [128] [129], nach einigen Studien sogar einen besseren Langzeiteffekt der Anticholinergika [130] [131]. Die einzige klinisch relevante unerwünschte Wirkung ist Mundtrockenheit. Selten können Harnverhalt, Verschlechterung des Augendruckes bei Engwinkelglaukom und Herzrhythmusstörungen auftreten.

Tiotropiumbromid, ein langwirksames Anticholinergikum, führt praktisch zu einer 24 Stunden anhaltenden Bronchodilatation [49] [132] [133] [134] und wird deshalb einmal täglich appliziert. Langzeitstudien mit Tiotropiumbromid zeigen gegenüber Plazebo eine signifikant bessere Bronchodilatation, eine Reduktion von Überblähung [135], Atemnot, Exazerbationen [136] und Hospitalisationen. In Subgruppenanalysen der Studien von Niewoehner u. Mitarb. und Dusser u. Mitarb. zeigte sich, dass die Exazerbationsfrequenz durch Tiotropium sowohl bei den Patienten mit als auch bei denen ohne gleichzeitige Behandlung mit inhalierbaren Steroiden gesenkt wurde [136] [137]. Weiter kann Tiotropium die Belastbarkeit steigern [135] [138] und eine Besserung der Lebensqualität [51] bewirken.

In 2 Vergleichsstudien zwischen Tiotropium und Salmeterol, die zusammen ausgewertet wurden, hatte Tiotropium ausgeprägtere Effekte als Salmeterol [139].

Im Vergleich zu Ipratropiumbromid (4 × 40 µg/Tag) erweist sich Tiotropiumbromid (1 × 18 µg/Tag) bezüglich der Beeinflussung o. a. Wirksamkeitskriterien als überlegen [52] (Evidenzgrad B).

β2-Sympathomimetika

Die Inhalation rasch wirksamer β2-Sympathomimetika mittels Dosier-Aerosol oder Pulver ist die Basistherapie bei akuter Atemnot. Dazu gehören die kurzwirksamen β2-Sympathomimetika mit den Substanzen Fenoterol, Salbutamol und Terbutalin. Daneben ist auch das rasch und lang wirksame β2-Sympathomimetikum Formoterol als Bedarfsmedikament für die Behandlung der COPD zugelassen [140].

Trotz gewisser Bedenken bezüglich der Effekte einer Dauermedikation mit kurzwirksamen β2-Sympathomimetika spricht die gegenwärtig vorliegende Studienlage nicht gegen einen derartigen Einsatz bei COPD [122] [141], da bisher kaum Hinweise auf das Auftreten einer klinisch relevanten Tachyphylaxie dokumentiert sind.

Langwirksame β2-Sympathomimetika (Salmeterol, Formoterol) mit einer Wirkdauer von etwa 12 Stunden führen zu einer Reduktion der Atemnot am Tage und in der Nacht [142] [143] [144], zu einer Besserung der Lungenfunktion [145] inklusive einer Abnahme der Überblähung [146], einer Verbesserung der Lebensqualität [147] und einer Reduktion von Exazerbationen [148]. In einer Studie mit Salmeterol konnte eine Steigerung der Belastbarkeit [146] nachgewiesen werden.

An unerwünschten Wirkungen von β2-Sympathomimetika sind vor allem Herzrhythmusstörungen (Vorhofflattern, ventrikuläre Extrasystolie, supraventrikuläre Tachykardien), in seltenen Fällen Angina pectoris sowie Palpitationen zu nennen, die insbesondere bei Vorliegen einer chronischen Hypoxämie [149] auftreten können. Eine meist leicht beherrschbare Hypokaliämie kann ebenfalls vorkommen.

Insbesondere bei Patienten mit Herzinsuffizienz und koronarer Herzkrankheit und Neigung zu Herzrhythmusstörungen sollte der Einsatz von β2-Sympathomimetika unter sorgfältiger Kontrolle bzgl. Arrhythmien und koronaren Ischämiezeichen erfolgen.

Es ist möglich, dass zwischen den beiden am Markt verfügbaren langwirksamen β2-Sympathomimetika bzw. zwischen diesen und Tiotropium Unterschiede bzgl. der Effekte auf Frequenz und Schweregrad von COPD-Exazerbationen bestehen. Aus Sicht der Autoren der Leitlinie erlaubt die gegenwärtig vorliegende Studienlage aber keine evidenzbasierte Aussage hierzu. Die Gründe hierfür sind:

  • Die in den einzelnen Studien angewandten Exazerbationsdefinitionen sind unterschiedlich. Eine Exazerbationsdefinition, die sich auf eingeleitete ärztliche Maßnahmen stützt, ist nicht vergleichbar mit einer, die auf Symptomen/Befunden aufbaut.

  • In manchen Studien wurden nur die Effekte der zu testenden Substanz geprüft, andere ließen zu, dass die zu prüfende Substanz zu einer bestehenden Medikation zusätzlich gegeben wurde.

  • Relevante Direktvergleiche von β2-Sympathomimetika und Anticholinergika mit ausreichender Laufzeit (mind. 1 Jahr) wurden bisher nicht publiziert.

Theophyllin

Theophyllin ist ein schwächerer Bronchodilatator als Anticholinergika oder β2-Sympathomimetika [150] [151]. Bei Dosierungen im oberen therapeutischen Bereich (Serumspiegel: 10 - 15 mg/l) werden auch positive Effekte auf die Symptomatik und die Belastbarkeit der COPD-Patienten berichtet [152] [153] [154] [155]. Neben der Bronchodilatation werden bei Patienten mit COPD eine Steigerung der Atemmuskelkraft [155] sowie eine Zunahme der Ejektionsfraktion des rechten Ventrikels beobachtet, deren klinische Bedeutung für die Langzeitbehandlung allerdings kontrovers diskutiert wird. Hinsichtlich einer Senkung der Exazerbationsfrequenz liegen für Theophyllin keine relevanten Daten vor.

Für die Langzeittherapie sind ausschließlich Theophyllinpräparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Retardpräparate) geeignet. Limitierend für die Anwendung sind die Häufigkeit unerwünschter Effekte [156], die geringe therapeutische Breite und die Abhängigkeit der Theophyllinclearance von zahlreichen Einflussgrößen. So steigern das Tabakrauchen, proteinreiche Kost und einige Medikamente (z. B. Rifampicin) die Theophyllinclearance, während andere, z. B. einige Antibiotika (Ciprofloxacin, Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin), Cimetidin, Allopurinol, aber auch Leberkrankheiten, Herzinsuffizienz, Pneumonien und Virusinfekte zu einer Reduktion der Theophyllinclearance führen. Wiederholte Blutspiegelbestimmungen zur Überprüfung der gewählten Dosierung und der Patientencompliance sind anzuraten. Die Blutentnahme sollte 12 Stunden nach der letzten Einnahme erfolgen. Ein Blutspiegelbereich zwischen 10 und 15 mg/l sollte angestrebt, ein Blutspiegel von 15 mg/l nicht überschritten werden. Wesentliche unerwünschte Effekte der Theophyllintherapie sind Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Schlafstörungen, Muskelkrämpfe, Hypokaliämie und tachykarde Herzrhythmusstörungen, die gelegentlich schon bei Serumkonzentrationen im therapeutischen Bereich auftreten können.

Etwa die Hälfte der Patienten mit COPD profitiert von einer Theophyllintherapie [157]. Die geeignete Methode, diese „Responder” zu identifizieren, ist der Auslassversuch über 3 Tage nach vorheriger Theophyllinbehandlung. In einer stabilen Krankheitsphase wird Theophyllin abgesetzt. Nur dann, wenn im Verlauf der folgenden 1 - 3 Tage die Dyspnoe zunimmt bzw. sich die Funktionswerte verschlechtern, ist eine Langzeittherapie gerechtfertigt. Andernfalls kann auf die ständige Theophyllingabe verzichtet werden.

Kombinationen von Bronchodilatatoren

Die Kombination aus kurzwirksamen β2-Sympathomimetikum und Anticholinergikum [130] [158] bzw. Theophyllin [159] hat gegenüber den Einzelsubstanzen einen additiven bronchodilatatorischen Effekt (Evidenzgrad A). Ein äquivalenter therapeutischer Effekt kann auch durch Dosissteigerung eines Bronchodilatators erreicht werden, wenn unerwünschte Wirkungen diese Dosiserhöhung nicht limitieren. Kontrollierte Studien zur Bewertung dieser beiden therapeutischen Alternativen liegen nicht vor.

Bei älteren Patienten mit unerwünschten Effekten nach Inhalation von β2-Sympathomimetika (Tremor, Tachykardie) kann durch Reduktion des β2-Sympathomimetikums bei zusätzlicher Gabe eines Anticholinergikums eine nebenwirkungsärmere Behandlung erreicht werden. Außerdem lässt sich durch Kombination eines Anticholinergikums mit einem kurzwirksamen β2-Sympathomimetikum gegenüber dessen alleiniger Gabe die Exazerbationsrate senken [160]. Die Kombination aus β2-Sympathomimetikum mit einem Anticholinergikum und/oder Theophyllin kann zusätzlich zu Besserungen der Lungenfunktion [130] [158] [ 161] und des Gesundheitsstatus [127] [162] beitragen. Gewöhnlich erhöht die Anzahl der Medikamente allerdings die Therapiekosten und verschlechtert die Therapieadhärenz, wenn es sich nicht um ein Kombinationspräparat handelt.

Die Kombination von Tiotropium und Formoterol erwies sich hinsichtlich der Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1, FVC) als wirksamer als die Einzelsubstanzen [163] (Evidenzgrad B).

Inhalation mit Verneblern

Die subjektiv empfundene Zunahme der Wirksamkeit bei akuter Atemnot [164] von β2-Sympathomimetika oder Anticholinergika beim Einsatz über Vernebler bzw. mittels intermittierender Überdruckinhalation (IPPB) liegt an einer höheren Deposition der Wirkstoffe in den unteren Atemwegen, vor allem aber daran, dass die Wirkstoffe in Inhalationslösungen meist höher dosiert sind als in Dosieraerosolen oder Pulverinhalatoren. Die Notwendigkeit der Koordination oder der Auslösung eines Pulverinhalators durch den stark dyspnoeischen Patienten entfällt. Vorteile einer dauerhaften Therapie mit Verneblern gegenüber Dosier-Aerosolen oder Pulverinhalatoren sind nicht belegt.

Als Nachteile der Inhalationstherapie mit Verneblern sind die Notwendigkeit der Wartung und Desinfektion des Inhaliergerätes und die deutlich höheren Therapiekosten zu nennen. Im Allgemeinen benötigen Patienten in der stabilen Phase der Erkrankung keine Vernebler zur Dauermedikation, es sei denn, dass die Inhalationstechnik nicht adäquat erlernt werden kann.

Glukokortikoide

Glukokortikoide werden in der Behandlung der COPD in großem Umfang eingesetzt.

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Langzeitanwendung von inhalierbaren Steroiden zu einer Reduktion der Atemwegsentzündung führt [165]. Die Lungenfunktion wird im Gegensatz zum Asthma allenfalls geringfügig gebessert [166] [167].

Inhalative Glukokortikoide

Inhalative Glukokortikoide werden bei Patienten mit obstruktiven Lungenkrankheiten häufig ohne eine klare Differenzierung zwischen Asthma und COPD eingesetzt. Findet sich bei Patienten mit COPD eine asthmatische Komponente, etwa mit Vorliegen einer bronchialen Hyperreaktivität und einem Anstieg der FEV1 um mehr als 15 % bzw. 200 ml gegenüber dem Ausgangswert nach mindestens 2 - 4-wöchiger Applikation von Glukokortikoiden (Reversibilitätstest, siehe Diagnostik), sollten diese Patienten wie Asthmatiker behandelt werden.

Bei Patienten mit COPD ohne positiven Reversibilitätstest nach Inhalation von Bronchodilatatoren sind nach Langzeituntersuchungen [118] [119] [120] [121] keine erkennbaren positiven Effekte inhalativer Glukokortikoide auf die jährliche Abnahme des FEV1 vorhanden (Evidenzgrad A).

Bei symptomatischen COPD-Patienten der Schweregrade III und IV ist eine Dauertherapie mit inhalativen Glukokortikoiden indiziert, wenn nicht nur ein FEV1 < 50 % Soll vorliegt, sondern zusätzlich mindestens eine den Einsatz von systemischen Steroiden und/oder Antibiotika notwendig machende Exazerbation im Vorjahr aufgetreten ist. Für COPD-Patienten mit dieser Konstellation konnte eine Reduktion der Exazerbationsfrequenz durch den Einsatz inhalativer Steroide gezeigt werden [54] [120] [168] [169] (Evidenzgrad A).

In mehreren Studien haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Absetzen von inhalierbaren Glukokortikoiden negative Auswirkungen auf Lungenfunktion und Symptome haben kann [170]. Weiter ist eine Zunahme der Exazerbationshäufigkeit [171] möglich. Vor diesem Hintergrund müssen Patienten, bei denen inhalierbare Steroide abgesetzt werden, sorgfältig kontrolliert werden. Es ist festzuhalten, dass es für derartige Step-Down-Maßnahmen in keiner der internationalen Leitlinien eine Empfehlung gibt.

Klare Dosis-Wirkungsbeziehungen sind für inhalative Glukokortikoide bei COPD nicht bekannt. Bei Langzeitanwendung höherer Dosierungen ist gehäuft mit Mundsoor zu rechnen und auch eine Abnahme der Knochendichte möglich [121]. Darüber hinaus besteht offensichtlich zumindest bei den für die Therapie der COPD in Deutschland zugelassenen hohen Dosen an inhalativen Glukokortikoiden ein gesteigertes Risiko für die Entwicklung einer Pneumonie [172] (Evidenzgrad A).

Systemische Glukokortikoide

Eine Langzeittherapie mit oralen Glukokortikoiden wird bei der COPD nicht empfohlen [167] [173] (Evidenzgrad A).

Wegen der potenziell schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen darf die Indikation nur dann gestellt werden, wenn positive Effekte eindeutig dokumentiert sind. Es handelt sich in diesen Fällen um Patienten mit einer Asthma-Komponente. Besonders zu beachten ist die Steroidmyopathie, die schon bei relativ geringen Tagesdosen (< 10 mg Prednisolonäquivalent) auftreten und die Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz begünstigen kann [173] [174]. Dosisabhängig ist mit einer erhöhten Letalität zu rechnen [175].

Kombinationen aus langwirksamen β2-Sympathomimetika und Glukokortikoiden

Gegenwärtig liegen die Ergebnisse von 6 randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studien als Vollpublikationen vor, die die Effekte der Kombinationspräparate aus Salmeterol/Fluticason und Formoterol/Budesonid evaluiert haben [54] [168] [ 169] [176] [177] [178].

Die Kombinationstherapie ist gegenüber Plazebo hinsichtlich Exazerbationsraten, Lungenfunktion und Lebensqualität überlegen (Evidenzgrad A). In einer großen Studie [54] hat die Kombination Fluticason/Salmeterol die Exazerbationsrate im Vergleich zu den Einzelsubstanzen nicht signifikant gesenkt. In zwei Studien war die Kombination Budesonid/Formoterol bzgl. der Senkung der Exazerbationsrate signifikant besser als Formoterol [168] [169].

Hinsichtlich der Lebensqualität sind die Ergebnisse der Kombinationspräparate in den genannten Studien im Vergleich mit den Einzelsubstanzen uneinheitlich. Bezüglich der Symptome und der Häufigkeit der Anwendung von Bedarfsmedikation waren beide Kombinationen den Einzelsubstanzen überlegen [54] [168] [169] (Evidenzgrad A). Die Behandlung mit beiden Kombinationen führt zu einer signifikanten Verbesserung der Lungenfunktion im Vergleich mit der alleinigen Gabe des inhalierbaren Glukokortikosteroids. Fluticason/Salmeterol war hinsichtlich der erzielten Lungenfunktionsveränderungen Salmeterol überlegen, während Budesonid/Formoterol keine signifikanten Unterschiede zur Behandlung mit Formoterol zeigte. Mögliche Auswirkungen der Kombinationspräparate auf die Therapieadhärenz und damit den Langzeiterfolg sind bislang nicht untersucht.

[Tab. 8] fasst die Effekte von häufig für die Behandlung der COPD angewendeten Medikamenten zusammen. Die angegebenen Evidenzniveaus beziehen sich auf den Vergleich zu Plazebo.

Tab. 8 Effekte von häufig angewendeten Medikamenten auf wichtige klinische Parameter der COPD
FEV1 Lungenvolumen Dyspnoe HRQol Exazerba-tionen Belastbarkeit Nebenwirkungen
kurzwirksame β2-Sympathomimetika Ja (A) Ja (B) Ja (A) N.B. N.B. Ja (B) einzelne
langwirksame β2-Sympathomimetika Ja (A) Ja (A) Ja (A) Ja (A) Ja (A) Ja (B) minimal
Ipratropium Ja (A) Ja (B) Ja (A) Nein (B) Ja (B) Ja (B) einzelne
Tiotropium Ja (A) Ja (A) Ja (A) Ja (A) Ja (A) Ja (A) minimal
inhalierbare Glukokortikoide* Ja (A)** N.B. Ja (B) Ja (A) Ja (A) N.B. einzelne
Kombinationen Ja (A) N.B. Ja (A) Ja (A) Ja (A) N.B. einzelne
Theophyllin Ja (A) Ja (B) Ja (A) Ja (B) N.B. Ja (B) bedeutend
* als Zusatztherapie
** Die FEV1 steigt zu Beginn der Therapie signifikant an. Der Verlauf der FEV1 über die Zeit wird nicht beeinflusst.
In Klammern ist das Evidenzniveau für den jeweiligen Parameter angegeben.
N.B. = bislang nicht bestimmt.
Mit „Kombinationen” sind feste Kombinationen von inhalierbaren Steroiden und langwirkenden β2-Sympathomimetika gemeint, modifiziert nach [3].

Anmerkung: Abweichend von den ATS/ERS-Empfehlungen scheint unter Berücksichtigung von neuen Studien, die bei o. g. Klassifizierung noch nicht vorlagen, [135] [138] [179] ein Evidenzgrad A für die Effekte von Tiotropium auf die Belastbarkeit gerechtfertigt. Im Gegensatz dazu ist der Evidenzgrad B für die Besserung der Belastbarkeit durch langwirksame β2-Sympathomimetika weiterhin adäquat, da zwei Studien für Salmeterol [135] [180] und eine Studie für Formoterol [181] signifikante Effekte zeigten, eine Reihe von anderen Untersuchungen [182] [183] [184] [185] [186] aber keine signifikante Besserung der Belastbarkeit ergaben.

Mukopharmaka

Die Indikation zum Einsatz von Mukopharmaka zur besseren Sekretelimination sollte kritisch gestellt werden und sich an dem subjektiven Therapieerfolg orientieren. N-Acetylcystein, Ambroxol, Myrthol und Cineol können bei einigen Patienten mit viskösem Sekret hilfreich sein (Evidenzgrad D).

Nach mehreren kontrollierten Studien [187] [188] [189] [190] [191] [192] [193] [194] [195] sowie Meta-Analysen [196] [197] [198] findet sich bei prophylaktischer Gabe in Tagesdosen von 400 - 1200 mg Acetylcystein eine Reduktion (20 - 25 %) akuter Exazerbationen während der Wintermonate. Eine Reduktion von Exazerbationen und Beschwerden wurde auch für die 6-monatige orale Gabe von 75 mg Ambroxol bei Patienten mit COPD beschrieben [199]. Im Gegensatz hierzu hat eine aktuelle, groß angelegte, prospektive, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie mit einer Tagesdosis von 600 mg N-Acetylcystein [200] keinen wesentlichen Vorteil für die Verumgruppe erbracht: Der jährliche Verlust an FEV1 und die Exazerbationsrate waren in beiden Gruppen gleich. Eine Subgruppenanalyse zeigte einen Effekt auf die Exazerbationsrate bei den Patienten, die nicht mit inhalierbaren Steroiden behandelt wurden. In der Verumgruppe wurde eine Reduktion der Überblähung beobachtet.

Eine Steigerung der Expektoration lässt sich durch die Inhalation von β2-Sympathomimetika (ggf. in Kombination mit physiologischer oder hypertoner Kochsalzlösung) und durch Theophyllin erzielen. Eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr fördert die Expektoration nur bei dehydrierten Patienten. Die Empfehlung großer Trinkmengen ist nicht gerechtfertigt. Sie kann der Dekompensation eines chronischen Cor pulmonale Vorschub leisten (Evidenzgrad D).

Immunmodulatoren

In einer randomisierten, doppelblind angelegten und plazebokontrollierten Studie führte die Gabe eines Immunmodulators (lyophilisierter normierter Bakterienextrakt) bei COPD-Patienten nicht zu einer Abnahme der Exazerbationsfrequenz. Günstig beinflusst wurde aber der Exazerbationsschweregrad und damit die dadurch bedingten Krankenhausaufenthalte [201]. Eine weitere plazebokontrollierte Studie [202] zeigte eine signifikante Abnahme der Exazerbationsfrequenz in der Verumgruppe. Da mehr Studien mit ähnlich gutem Design, vergleichbar großen Patientenzahlen und der Dokumentation von Langzeitverläufen zum Einsatz von Modulatoren des Immunsystems bei COPD-Patienten fehlen, kann gegenwärtig die regelmäßige Anwendung von Immunmodulatoren nicht generell empfohlen werden [203].

Antitussiva

Husten kann Patienten mit COPD stark beeinträchtigen. Bei zunehmendem nicht produktiven Husten sind Antibiotika nicht indiziert. Patienten mit hustenbedingter Störung der Nachtruhe profitieren von der abendlichen Gabe ausreichend hoch dosierter Antitussiva (z. B. 60 mg Codein, 20 mg Dihydrocodein). Die potenziell atemdepressive Wirkung mancher Antitussiva ist bei Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz zu beachten. Gegebenenfalls kann die Hustendämpfung mit codeinfreien Antitussiva (z. B. Clobutinol, Noscapin) erfolgen.

Wegen des protektiven Effektes eines erhaltenen Hustenreflexes [204] - besonders wichtig bei Hyperkapnie - kann die regelmäßige Einnahme von Antitussiva bei Patienten mit stabiler COPD nicht empfohlen werden. Ihr Einsatz sollte auf maximal 3 Wochen beschränkt bleiben (Evidenzgrad D). Insbesondere sollten bei Zunahme des Hustens im Rahmen von schweren Exazerbationen der COPD deren Ursachen behandelt und Codein bzw. Narkotika vermieden werden, um eine Atemdepression und die hiermit verbundene Verschlechterung der Hyperkapnie zu vermeiden.

Atemstimulanzien

Die in früheren Zeiten häufiger verordneten Atemstimulanzien Doxapram und Almitrin sollten angesichts nachgewiesener unerwünschter Effekte bei stabiler COPD nicht eingesetzt werden [205] [206] [207] (Evidenzgrad B).

Analgetika (Morphin)

Der Einsatz von Morphin kann bei schwerer Dyspnoe zur Linderung beitragen. Wegen bedeutsamer unerwünschter Effekte (u. a. Atemdepression) sollte der Einsatz auf wenige besonders beeinträchtigte Patienten mit schwerer Atemnot und Hyperventilation beschränkt und unter stationären Bedingungen eingeleitet werden [208] [209] [210] [211] [212] [213] (Evidenzgrad C).

Weitere medikamentöse Therapieoptionen

In Anbetracht unzureichender Daten kann der Einsatz von Antileukotrienen, Nedocromil, DNCG sowie von homöopathischen Therapieverfahren nicht empfohlen werden.

Substitutionstherapie bei Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel

Patienten mit angeborenem Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel entwickeln häufig, insbesondere bei chronischem Tabakkonsum, frühzeitig ein Lungenemphysem.

Haupteffekt der Substitutionsbehandlung mit aus menschlichem Plasma gewonnenem Alpha-1-Protease-Inhibitor (Prolastin HS®) ist auf der Basis der Auswertungen eines amerikanischen und eines deutschen Fallregisters eine Verlangsamung der Emphysemprogredienz, erkennbar an einer geringeren jährlichen Abnahme der FEV1 [214] [215] [216].

Eine Substitutionsbehandlung, z. B. mit wöchentlicher i. v.-Applikation von Alpha-1-Protease-Inhibitor in einer Dosis von 60 mg/kg Körpergewicht, kommt unter Berücksichtigung der begrenzten Wirkung und der hohen Therapiekosten nur bei Patienten mit homozygotem Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel (< 35 % des Normwertes), mittelgradiger Funktionseinschränkung (30 % Soll < FEV1 < 65 % Soll) und/oder ausgeprägter jährlicher Reduktion der FEV1 (Verlust FEV1/Jahr > 50 ml) in Betracht (Evidenzgrad B).

Bei Patienten mit schwerem Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel und schwerer Funktionseinschränkung (FEV1 ≤ 30 % des Sollwertes) kann hingegen die Substitutionstherapie nicht generell empfohlen werden. Ein dekompensiertes Cor pulmonale ist eine Kontraindikation für diese Substitutionstherapie. Bei Patienten mit schwerem Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel und normaler Lungenfunktion sowie jährlichem Abfall der FEV1 von weniger als 50 ml ist die Substitutionstherapie ebenfalls nicht erforderlich. Bei den Patienten unter Substitution sollten der Alpha-1-Protease-Inhibitor-Spiegel vor der nächsten Infusion über 35 % des Normwertes liegen.

Unabhängig von einer Substitutionstherapie ist für alle Patienten mit Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel eine strikte Nikotinkarenz zu fordern. Eine Substitutionstherapie bei Rauchern ist angesichts der Inaktivierung des Alpha-1-Protease-Inhibitors durch Zigarettenrauchen nicht zu rechtfertigen. Eiweißunverträglichkeiten sowie ein kompletter IgA-Mangel sind Kontraindikationen der Substitutionstherapie.

Behandlung der Osteoporose

Bei Patienten mit COPD kann sich im Krankheitsverlauf eine ausgeprägte Osteoporose entwickeln, die durch Immobilität, mangelhafte Ernährung und die langfristige Einnahme systemischer Glukokortikoide begünstigt wird [217].

Zur Prophylaxe dienen eine calciumreiche Ernährung bzw. die Gabe von 500 - 1000 mg Calcium und 500 - 1000 Einheiten Vitamin D3 täglich. Günstig ist regelmäßige körperliche Bewegung. Immobilen Patienten ist ein isometrisches Übungsprogramm (Osteoporose-Training) zu empfehlen (Evidenzgrad D).

Bei gefährdeten Personen kann eine Risikoabschätzung und Therapiekontrolle mittels Osteodensitometrie der Wirbelsäule erfolgen. In der Therapie der glukokortikoidinduzierten Osteoporose ist der Einsatz auch von Bisphosphonaten erwägenswert [218]. Kontrollierte und randomisierte Studien für den Einsatz von Calcium, Vitamin D, Oestrogenen und Bisphosphonaten für COPD-Patienten liegen nicht vor.

Nicht medikamentöse Therapie

Nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen haben bei der COPD einen hohen Stellenwert.

Körperliches Training

Mit zunehmendem Schweregrad der COPD resultiert aus der Belastungsdyspnoe mit weiter abnehmender körperlicher Belastbarkeit infolge körperlicher Schonung und Dekonditionierung von Herz, Kreislauf und Muskulatur eine Abnahme der Lebensqualität mit den Folgen einer zunehmenden sozialen Isolation und häufigem Auftreten einer Depression, die die Belastungsdyspnoe verstärkt ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Auswirkungen der COPD auf körperliche Belastbarkeit, Lebensqualität und Psyche.

Körperliches Training führt bei COPD-Patienten ab Schweregrad II zur Steigerung der Lebensqualität und Belastbarkeit und zur Verringerung der Exazerbationsrate. Körperliches Training sollte daher Teil der Langzeittherapie sein.

Patienten mit COPD profitieren von körperlichem Training mit einer Steigerung der Belastbarkeit und einer Linderung von Dyspnoe und Ermüdbarkeit (Evidenzgrad A). Trainingseffekte sind für COPD-Patienten aller Schweregrade [219] [220] durch randomisierte und kontrollierte Studien belegt [221] [222] [223] [224]. Positive Effekte werden insbesondere bei Trainingsprogrammen mit einer Dauer von 4 - 10 Wochen, 3 - 5 Übungseinheiten pro Woche [225] unter Supervision [226] und hoher Trainingsintensivität nahe der anaeroben Schwelle [224] erzielt. Auch bei fortgeschrittenen Krankheitsstadien werden eine Verringerung der COPD-Symptomatik, eine Steigerung der Belastbarkeit, eine Besserung der Lebensqualität, eine Abnahme der krankheitsbezogenen Depression sowie eine Verringerung der Morbidität und des akutmedizinischen Ressourcenverbrauches gesichert [227] [228].

Während die generelle Wirksamkeit der Trainingstherapie der COPD als gesichert angesehen werden kann, besteht bezüglich der Trainingsmodalitäten (Rolle des Krafttrainings, kombinierte Trainingsformen, Steuerung der Trainingsintensität, Atemmuskeltraining u. a.) noch Forschungsbedarf [229] [230].

Wesentlich ist die Fortsetzung der Trainingstherapie nach Beendigung intensiver stationärer Rehabilitationsprogramme im ambulanten Bereich, etwa durch Heimtraining (Treppensteigen, Gehtraining) in Verbindung mit der Teilnahme an ambulanten Lungensportgruppen. Das Trainingsprogramm sowie die Überwachung des körperlichen Trainings bei COPD-Patienten sollten in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung gestaltet werden [224].

Isolierte Programme zum Training der Arm- oder Beinmuskulatur können bei Patienten, die ein allgemeines körperliches Training wegen erheblicher Begleitkrankheiten nicht durchführen können, hilfreich sein [224] [231]. Mit derartigen Trainingsprogrammen isolierter Muskelgruppen kann deren Kraft verbessert werden. Es liegen jedoch keine Belege dafür vor, dass ein Krafttraining der Arme zu einer verbesserten allgemeinen Belastbarkeit oder einer höheren Lebensqualität führt [231]. Ein isoliertes Training der Inspirationsmuskeln durch Atmung über Widerstände unter Kontrolle der Atemstromstärke kann insbesondere bei Patienten mit ventilatorischer Insuffizienz zu einer Steigerung von Atemmuskelkraft, Ausdauer und allgemeiner Leistungsfähigkeit führen [232] (Evidenzgrad B).

Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Besserung der körperlichen Belastbarkeit und des Gesundheitszustandes nach einer einzigen Rehabilitationsmaßnahme über mehr als ein Jahr aufrecht erhalten werden kann [233] [234] [235].

Voraussetzung für Langzeiteffekte körperlichen Trainings ist die häusliche oder wohnortnahe Fortsetzung der Bewegungstherapie (Evidenzgrad B). Um diese zu gewährleisten, ist ein wohnortnahes ambulantes Rehabilitationsangebot, verbunden mit häuslichem Training, z. B. im Rahmen ambulanter Lungensportgruppen, zu fordern [224].

Patientenschulung

Die Patientenschulung ist ein wichtiges Therapieelement für alle Schweregrade der Erkrankung, da sie zu einer Steigerung der Effizienz des Managements wesentlich beiträgt (Evidenzgrad D). Jeder Patient mit COPD sollte Zugang zu einem strukturierten, evaluierten und zielgruppenspezifischen Schulungsprogramm erhalten und ärztlicherseits regelhaft zur Teilnahme an der Schulung motiviert werden. Nachschulungen nach spätestens 2 Jahren sind sinnvoll.

Der Stellenwert der alleinigen Patientenschulung im Management der COPD ist bisher nicht abschließend durch randomisierte, kontrollierte Studien belegt. In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie mit einem ambulanten strukturierten Schulungsprogramm für Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis konnte gezeigt werden, dass zumindest bei Patienten mit leicht- und mittelgradiger COPD im Vergleich zur Kontrollgruppe die Inhalationstechnik gebessert, die Selbstkontrolle der Erkrankung gesteigert, die Zahl akuter Exazerbationen reduziert und bei Steigerung der Lebensqualität die Kosten vermindert werden können [236] [237] (Evidenzgrad B).

Patientenschulungen im Rahmen eines umfassenden Selbstmanagementtrainings mit individuellen Anweisungen für Exazerbationen und zum körperlichen Training unter Einsatz telefonischer Nachsorge führten in einer randomisierten, kontrollierten Multicenterstudie innerhalb eines Jahres zu einer signifikanten Reduktion von Krankenhausaufnahmen und Notfallbehandlungen [238]. Dieser Effekt war auch nach 2 Jahren noch nachweisbar [239].

Zu den wesentlichen Inhalten der Patientenschulung gehören Informationen über Risikofaktoren und deren Reduktion bzw. Elimination, insbesondere der Hinweis auf die Wichtigkeit der Raucherentwöhnung.

Für alle Schweregrade sind das Monitoring von Symptomen, die schweregradadaptierte Selbstmedikation, die Vorbeugung und Behandlung von Exazerbationen und Bronchialinfekten neben korrekter Inhalationstechnik und Wissensvermittlung über die COPD sowie atemerleichternde Stellungen wichtige Lehrinhalte.

Für den Schweregrad IV kommen Informationen über Komplikationen, die apparative Therapie mittels Langzeitsauerstoffbehandlung bzw. intermittierende Selbstbeatmung als zusätzliche Lehrinhalte in Betracht.

Die Patientenschulung für COPD-Patienten sollte die individuellen Belange des Patienten und seine Umgebung berücksichtigen.

Die Raucherentwöhnung kann während einer pneumologischen Rehabilitation in ein multimodales Schulungsprogramm integriert werden; in ambulanten Programmen sollte sie wegen ihres erheblichen Zeitaufwandes separat von anderen Schulungsprogrammelementen durchgeführt werden, um die positiven Effekte der Gruppeninteraktion nicht durch eine zu lang terminierte Schulung mit der Schwierigkeit des Einhaltens gemeinsamer Termine aller Schulungsteilnehmer zu gefährden.

Physiotherapie

Hauptziele der physiotherapeutischen Atemtherapie sind eine Erleichterung der erschwerten Atmung in Ruhe und unter Belastung sowie eine Verbesserung der Mukusclearance und des Hustens.

Diese Atemtherapie wird bei COPD-Patienten zur Senkung der Atemarbeit, zum gezielten Einsatz der Atemmuskulatur, zur Verbesserung der Sekretelimination und der Thoraxbeweglichkeit und damit zur Verbesserung des Gasaustausches eingesetzt [240] [241] (Evidenzgrad C). Randomisierte, kontrollierte Studien zum Stellenwert der Atemphysiotherapie in der Behandlung der COPD fehlen.

Mittels Relaxations- und Atemtechniken kann die Atemnot gelindert werden [242]. Atemerleichternde Körperstellungen, z. B. der Kutschersitz, reduzieren erhöhte Atemwegswiderstände durch das Anheben der Atemmittellage, unterstützen die Funktion der Atemhilfsmuskulatur, entlasten den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels und vermindern durch die Kombination mit der Lippenbremse den Atemwegskollaps. Therapeutische Körperstellungen, z. B. Dehnlagen, Wärmeapplikation und manuelle Techniken, können zur Ökonomisierung der Atemarbeit beitragen.

Mittels exspiratorisch wirksamer Stenosen, z. B. der dosierten Lippenbremse oder eines Strohhalmstücks, kann der exspiratorische Kollaps bei tracheobronchialer Instabilität durch eine intrabronchiale Druckerhöhung vermindert oder vermieden werden, z. B. der hierdurch bedingte unproduktive Husten beim Treppensteigen.

Atemtechniken mit deutlichen atemsynchronen Bronchialkaliberschwankungen und variierenden exspiratorischen Flüssen mit und ohne exspiratorische Stenosen, z. B. die modifizierte autogene Drainage, stellen eine Möglichkeit der Sekretelimination dar. Auch bieten sich Lagerungen mit Drehungen des Thorax zur Mobilisierung von Sekret unter Nutzung der Schwerkraft und veränderter Perfusions- und Ventilationsverhältnisse an. Die Lagerungsdrainage kann in Kombination mit Atemtechniken sowie mit Vibrationen und Kompressionen des Thorax während der Exspiration zu einer besseren Sekretelimination führen. Die Lagerungsdrainage sollte bei Patienten mit Sekretretention und Sputummengen von mehr als 30 ml pro Tag eingesetzt werden [242]. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Messung der Sputumproduktion schwierig ist. Bei geringeren Sputummengen liegen keine Belege dafür vor, dass die Lagerungsdrainage bei akuten Exazerbationen [243] oder bei unkomplizierten Pneumonien [244] hilfreich ist.

Die Perkussion des Thorax wird wegen der hohen notwendigen Perkussionsfrequenz seltener als in früheren Jahren eingesetzt [245].

Das Huffing, eine Atemtechnik mit vertiefter Inspiration und anschließend forcierter Exspiration bei offener Glottis, ist in der Lage, Sekret aus den zentralen und kleineren Atemwegen zu entfernen. Ein Halt am Ende der Inspiration für etwa 2 - 3 Sekunden erhöht die kollaterale Ventilation [246]. Im Gegensatz zur Situation beim Husten erleiden COPD-Patienten beim Huffing keinen Tracheobronchialkollaps [247].

Hilfsmittel zur Sekretelimination

Randomisierte, kontrollierte Studien zum Stellenwert von Hilfsmitteln mit und ohne Oszillationen zur Sekretelimination liegen nicht vor. Handliche Geräte (Strohhalmstück, VRP1®-Flutter, RC-Cornet®, acapella choice® , Pari-PEP-System®, PEP-Maske®), mit deren Hilfe ein positiver exspiratorischer Druck (PEP) aufgebaut wird, sind auf der einen Seite in der Lage, Bronchialverschlüsse durch Instabilität der Bronchialwand zu verhindern oder zumindest zu verringern, auf der anderen Seite durch den Überdruck und die nachfolgende Erweiterung der Bronchien Sekret von den Bronchialwänden zu lösen, das mittels Huffing aus dem Bronchialbaum entfernt werden kann. Auf den produktiv-ineffektiven Husten infolge der tracheobronchialen Instabilität kann somit erheblich Einfluss genommen werden. Die Effektivität der VRP1®-Flutter ist nicht nur bei Bronchiektasie und Mukoviszidose, sondern auch bei der COPD in Studien mit geringer Teilnehmerzahl belegt [248] [249] (Evidenzgrad C).

Das RC-Cornet® hat gegenüber dem VRP1®-Flutter den Vorteil, dass es von der Schwerkraft unabhängig ist und somit in jeder Körperlage benutzt werden kann. Der Patient kann die für ihn günstigste Position und Einstellung des Widerstandes selbst ermitteln [250]. Zeitsparend lässt sich die Anwendung dieser Hilfsmittel mit Inhalationen, Drainagelagerungen und weiteren physiotherapeutischen Techniken kombinieren [251].

Ernährung

Übergewicht und Untergewicht beeinflussen Symptomatik und Prognose von Patienten mit COPD. Als Gewichtsverlust ist eine Abnahme des Körpergewichts um mehr als 10 % in den letzten 6 Monaten oder um mehr als 5 % im letzten Monat zu werten. In diesen Fällen ist es das Ziel der Ernährungstherapie, mittels oraler Nährstoffzufuhr, ggf. Ernährungssupplementierung, eine Gewichtszunahme zu erreichen. Sinnvoll erscheint die Kombination der Ernährungstherapie mit körperlichem Training, z. B. im Rahmen eines Rehabilitationsprogramms.

Die meisten Ernährungsempfehlungen basieren auf kleinen randomisierten Studien. Etwa 25 % der Patienten mit mittelgradiger und schwerer COPD zeigen eine Reduktion des body-mass-index und der fettfreien Masse [252] [253] [254] [255]. Auch bei normalgewichtigen Patienten kann die fettfreie Masse erniedrigt sein [253]. Unterernährung kann die Prognose, unabhängig vom Ausmaß der Obstruktion, beeinträchtigen [254] [256] [257] [258]. Das Untergewicht korreliert bei COPD-Patienten mit Muskelschwäche [252], eingeschränkter Belastbarkeit [259] und verminderter Lebensqualität [260]. In einer prospektiven Untersuchung konnten bei der Mehrzahl der untergewichtigen Patienten mittels einer hochkalorischen Nahrungszufuhr innerhalb von 8 Wochen eine Gewichtszunahme und auch eine Besserung der Prognose erreicht werden [80]. Die mittels Kostaufbau mögliche Gewichtskorrektur untergewichtiger Patienten kann zu einer Besserung der Symptome führen.

Dennoch muss festgehalten werden, dass es gegenwärtig nur wenige qualitativ hochwertige randomisierte Doppelblindstudien zur Ernährungstherapie bei COPD gibt. Eine Meta-Analyse zur Effektivität alleiniger Ernährungsinterventionen (Zusatznahrung über mindestens 2 Wochen) konnte keine eindeutig signifikant positiven Effekte auf Anthropometrie, Lungenfunktion oder Belastbarkeit aufzeigen [261] [262].

Bezüglich der Selektionskriterien der von einer Ernährungstherapie profitierenden Patienten, der Auswirkungen einer entsprechenden, das Gewicht steigernden Kost auf Morbidität und Lebensqualität, der optimalen Zusammensetzung der Nahrung sowie bezüglich Kosten und Nutzen einer oralen Zusatzernährung ist die Datenlage noch unzureichend.

Sollten die Patienten infolge Atemnot zu geringe Nahrungsmengen aufnehmen, sind kleine, häufige Mahlzeiten zu empfehlen. Falls notwendig, sollte das Gebiss saniert werden.

Bei Verlust an Muskelkraft infolge Untergewicht kann die Atemmuskelkraft durch gesteigerte Kalorienzufuhr bei einem Teil der Patienten gebessert werden [263] [264] [265]. Meist reicht die alleinige Zufuhr von Kalorien nicht aus, sie sollte durch körperliches Training bzw. Training der Atemmuskeln ergänzt werden. Diesbezüglich liegen jedoch keine Studien an großen Patientenzahlen vor.

Bei übergewichtigen Patienten führt eine Gewichtsreduktion zu einer Abnahme des Energiebedarfs bei körperlicher Belastung sowie zu einer Besserung der Atemmechanik und damit zu einer leichteren Bewältigung der im Alltag anfallenden körperlichen Aktivitäten. Diäten zur Gewichtsreduktion können mit einer Beschränkung der täglichen Kalorienaufnahme auf 1200 - 1500 Kalorien erfolgreich durchgeführt werden.

Der Zusatz von Vitaminen oder Mineralstoffen ist bei ausgewogener Ernährung nicht erforderlich. Der Stellenwert der Gabe von Anabolika bei stark untergewichtigen COPD-Patienten kann noch nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden [266] [267] [268].

Pneumologische Rehabilitation

Die ambulante oder stationäre Rehabilitation [230] soll insbesondere bei COPD-Patienten ab einem Schweregrad II und auch in höherem Lebensalter als wirksame Komponente des langfristig ausgerichteten Managements der COPD durchgeführt werden. Die stationären Rehabilitationsmaßnahmen müssen dauerhaft durch weitere ambulante Maßnahmen ergänzt werden, z. B. den ambulanten Lungensport. Hauptziele der Rehabilitation sind die Linderung der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Patienten, die Steigerung der Lebensqualität mit Wiederherstellung der bestmöglichen Leistungsfähigkeit sowie die Förderung der sozialen Reintegration.

Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es eines interdisziplinären und multimodalen Ansatzes unter Einbeziehung von Ärzten, Psychologen, Atemphysiotherapeuten, Sporttherapeuten und Ernährungsberatern [269] [270].

Komponenten der pneumologischen Rehabilitation

Neben einer Optimierung der Pharmakotherapie sind weitere Inhalte der Rehabilitation:

  • Tabakentwöhnung,

  • körperliches Training,

  • Patientenschulung,

  • Atemphysiotherapie,

  • Ergotherapie,

  • Ernährungsberatung,

  • Hilfsmittelversorgung,

  • soziale Betreuung,

  • psychosoziale Diagnostik, Beratung und Therapie sowie

  • die sozialmedizinische Begutachtung.

Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei Patienten mit COPD

Die gesicherten Erfolge der Rehabilitation sind in [Tab. 9] zusammengefasst. Hierbei wurden umfassende interdisziplinäre Rehabilitationsprogramme und deren Analysen berücksichtigt [221] [222] [223].

Tab. 9 Gesicherte positive Effekte der pneumologischen Rehabilitation [2] [221] [222] [223]
Nutzen Evidenzgrad
gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit A
Abnahme der Atemnot A
Steigerung der krankheitsspezifischen Lebensqualität A
Reduktion der Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten A
Abnahme von COPD assoziierter Angst und Depression A
Kraft- und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessert die Funktion der Arme B
positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern die Trainingsperiode B
Lebensverlängerung B
Atemmuskeltraining ist effektiv, insbesondere in Kombination mit einem allgemeinen körperlichen Training C
psychosoziale Intervention ist hilfreich C

Das regelhafte Einbeziehen der medikamentösen Therapie in die pneumologische Rehabilitation - wie in Deutschland üblich - kann den Rehabilitationserfolg insbesondere bezüglich der Besserung der Dyspnoe, der Belastbarkeit und der Lebensqualität zusätzlich steigern [138].

Auswahl der Patienten

Wesentlich für den Erfolg der pneumologischen Rehabilitation ist der motivierte Patient. Indiziert sind Rehabilitationsprogramme insbesondere für COPD-Patienten der Schweregrade II - IV [2] [4] auch für Raucher [271] insbesondere dann, wenn sie an Entwöhnungsprogrammen teilnehmen.

Erfahrungsgemäß nehmen Raucher seltener als Nichtraucher das komplette Angebot eines pulmonalen Rehabilitationsprogramms in Anspruch [272].

COPD-Patienten mit Z.n. Aufenthalt im Akutkrankenhaus infolge einer schweren Exazerbation sind mit einer hohen Morbidität und Mortalität belastet. So mussten in einer Studie [273] von 1016 Patienten, die wegen einer COPD stationär aufgenommen wurden, 446 Patienten insgesamt 754-mal in den 6 Monaten nach Entlassung erneut stationär behandelt werden. Auch in einer prospektiven Studie aus Spanien [274] mussten von 430 konsekutiven COPD-Patienten, die wegen ihrer akuten Verschlechterung stationär behandelt wurden, 63 % innerhalb eines mittleren Beobachtungszeitraums von 1,1 Jahren mindestens 1x erneut stationär behandelt werden, 29 % verstarben innerhalb dieses Zeitraumes. Daher sollte speziell bei diesen Patienten die Indikation zur ambulanten und stationären Anschlussrehabilitation regelhaft geprüft werden, zumal es speziell für die Effizienz der pneumologischen Rehabilitation direkt nach Behandlung der akuten Exazerbation zunehmende Evidenz gibt [275] [276] [277].

Generell besteht eine Indikation zur Rehabilitation, wenn trotz adäquater Krankenbehandlung körperliche oder psychosoziale Krankheitsfolgen [278] persistieren, welche alltagsrelevante Aktivitäten und die Teilhabe am normalen, privaten, öffentlichen oder beruflichen Leben behindern [105] [279].

Wichtige spezielle Indikationen sind z. B.:

  • alltagsrelevante, persistierende COPD-Symptome [280],

  • Gefährdung der Erwerbsfähigkeit [281] [282],

  • drohende Pflegebedürftigkeit [283],

  • alltagsrelevante psychosoziale Krankheitsfolgen (Depression, Angst, Rückzugstendenz),

  • Notwendigkeit von rehaspezifischen nichtmedikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Umfang erfolgen können, z. B. körperliches Training, Physiotherapie, Patientenschulung oder psychosoziale Hilfen.

Organisation der pneumologischen Rehabilitation

In der Bundesrepublik Deutschland ist die medizinische Rehabilitation in das gegliederte System der sozialen Sicherung mit seinen unterschiedlichen Zuständigkeiten und Trägerstrukturen eingebunden. Träger und Leistungsrahmen der Rehabilitation sind gesetzlich umfassend geregelt. In Übereinstimmung mit §§ 3, 4 und 8 SGB IX formuliert das deutsche Renten-, Kranken- und Unfallversicherungsrecht für den chronisch Atemwegskranken, der Krankheitsfolgen aufweist, ausdrücklich einen Anspruch auf Rehabilitation („Leistungen zur Teilhabe”).

In enger Abstimmung zwischen Patient, Hausarzt und Pneumologen können auch ambulante rehabilitative Maßnahmen (Training, Schulung, Tabakentwöhnung, Physiotherapie) wohnortnah, z. B. nach Akutbehandlungen, durchgeführt oder einer stationären Rehabilitation sowohl vor- als auch nachgeschaltet werden. Ein flächendeckendes Angebot an solchen ambulanten rehabilitativen Maßnahmen für COPD-Patienten liegt in Deutschland jedoch z. Z. noch nicht vor.

Voraussetzung für die Einleitung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme sind ein Antrag des Patienten sowie ein Attest bzw. eine Rehabilitationsverordnung des behandelnden Arztes. Die stationäre Rehabilitation wird nach Abstimmung zwischen Patient, Hausarzt, Pneumologen und Akutklinik oder Lungenfachklinik eingeleitet. Sie ist insbesondere bei unzureichender Besserung nach ambulanter Behandlung, vor und nach Durchführung ambulanter rehabilitativer Maßnahmen oder nach einer Krankenhausbehandlung als Anschlussrehabilitation zu erwägen. Zur Aufrechterhaltung dauerhafter Effekte können stationäre Rehabilitationen auch wiederholt werden.

Auch zur Aufrechterhaltung der Effekte umfassender stationärer Rehabilitationsprogramme ist eine Rehabilitationsnachsorge mit Teilkomponenten wie etwa der Bewegungstherapie im Rahmen ambulanter Lungensportgruppen, verbunden mit Elementen der Patientenschulung, sinnvoll [269] [284] (Evidenzgrad D). Positive Effekte bei COPD-Patienten sind sowohl für stationäre (Evidenzgrad A) als auch für ambulante (Evidenzgrad A) Rehabilitationsprogramme dokumentiert [223] [224] [261] [285] [286].

Langzeitsauerstofftherapie (LOT)

Die Langzeitbehandlung mit Sauerstoff (LOT) ist bei Patienten mit chronischer Hypoxämie im Stadium IV der COPD entsprechend den internationalen Empfehlungen [5] [6] [7] [8] [9] [10] sowie den Leitlinien zur LOT der DGP [287] indiziert (Evidenzgrad A).

Primäre Ziele sind eine Anhebung des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks auf Werte über 60 mm Hg, was eine adäquate Sauerstoffversorgung des Gewebes ermöglicht, sowie eine Entlastung der Atemmuskulatur durch einen bei Sauerstoffzufuhr verminderten Bedarf an Ventilation. Die LOT führt bei Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz infolge COPD bei Anwendung über 16 - 24 Stunden pro Tag zu einer Verbesserung der Prognose [288] [289] (Evidenzgrad A).

Weitere Effekte sind eine Verringerung der Progression der pulmonalen Hypertonie bei COPD [290] sowie positive Auswirkungen auf Hämatokrit, Belastbarkeit [291], Atemmechanik und neuropsychologische Parameter [293]. Bei Patienten mit Belastungshypoxämie können Kraft und Funktion der Muskulatur durch die Sauerstoffgabe bei körperlicher Belastung gefördert werden. Die positiven Effekte der LOT sind um so ausgeprägter, je länger die tägliche Sauerstoffinsufflation erfolgt (Evidenzgrad A, Empfehlungsgrad A).

Bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz ist die Indikation für die LOT gegeben, wenn in der stabilen Phase der Erkrankung nach Optimierung der Pharmakotherapie folgende Entscheidungskriterien erfüllt sind:

  • PaO2 ≤ 55 mm Hg mit und ohne Hyperkapnie.

  • PaO2-Werte zwischen 55 mm Hg und 59 mm Hg bei Nachweis einer pulmonalen Hypertonie, von peripheren Ödemen als Hinweis auf eine Herzinsuffizienz oder bei einer Polyglobulie (Hämatokrit > 55 %).

Die Indikation zur LOT kann anhand der am Tage gemessenen PaO2-Werte gestellt werden. In die Entscheidung sollten auch Messungen während des Treppensteigens oder während eines Gehtestes einfließen. Bei belastungsinduzierter Hypoxämie kann die Dyspnoe durch Verordnung von tragbaren Systemen und die Einstellung höherer Sauerstoffflussraten vermindert werden.

Ein begrenzter Anstieg des PaCO2 auf ≤ 60 - 70 mm Hg unter Inhalation von Sauerstoff ist keine Kontraindikation gegen die Langzeitsauerstofftherapie, sofern die Werte nicht stetig ansteigen. Primär hyperkapnische Patienten zeigen sogar bessere Effekte unter der LOT bezüglich Reduktion von Morbidität und Mortalität als chronisch hypoxämische Patienten ohne Hyperkapnie [287] (Evidenzgrad A).

Vorschläge zur Auswahl der Sauerstoffapplikationssysteme (Konzentrator, Flüssigsauerstoff, Sauerstoffdruckflasche) sowie die Modalitäten der Verordnung sind den Leitlinien zur LOT [287] zu entnehmen, ebenso Angaben zur Auswahl geeigneter Patienten und Hinweise für die Durchführung von Verlaufskontrollen.

Von den verfügbaren Systemen hat sich der Sauerstoffkonzentrator gegenüber Sauerstoffflaschen und Flüssigsauerstoffsystemen als preisgünstigstes System erwiesen [292] [293] [294]. Unter Berücksichtigung der Stromkosten und der fallenden Preise für Flüssigsauerstoffsysteme sind Änderungen der Preisrelationen in Zukunft zu erwarten.

Bei der Verordnung muss die vom Arzt getroffene Wahl des Applikationssystems - Sauerstoffkonzentrator für wenig bewegliche Patienten, Flüssigsauerstoffsysteme für Patienten mit guter Mobilität - gegenüber dem Kostenträger begründet werden. Die Langzeitnutzung durch die Patienten ist zu überprüfen.

Heimbeatmung

Bei Patienten mit COPD ist die Atemmuskulatur durch die Erhöhung der Atemarbeit schon bei Ruheatmung vermehrt beansprucht infolge

  • der Atemwegsobstruktion,

  • der erhöhten Ventilation zur Kompensation der emphysembedingten Gasaustauschstörung,

  • ungünstiger geometrischer Verhältnisse für die Kraftentfaltung der Atemmuskeln (Zwerchfelltiefstand).

Dem erhöhten Bedarf an Leistung der Atemmuskeln steht eine Verminderung ihrer Leistungsfähigkeit infolge von Lungenüberblähung, (evtl. glukokortikoidbedingter) Muskeldystrophie [173] [174] und (bei kachektischen Patienten) verminderter Energiezufuhr [295] gegenüber.

Führt die chronische Überlastung der Atemmuskulatur zur Atemmuskelermüdung, so ist die Heimbeatmung zu erwägen. Bei chronischer ventilatorischer Insuffizienz wird die Indikation zur intermittierenden nichtinvasiven Beatmung als Heimbeatmung dann gestellt, wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und der Patient weiterhin hyperkapnisch ist [296].

Bei arterieller Hypoxämie mit leichter Hyperkapnie (PaCO2 ≤ 50 mm Hg) wird zunächst eine LOT durchgeführt, die über eine Abnahme des Atemminutenvolumens die Atemmuskulatur entlastet. Bei fortbestehender schwerer Symptomatik, insbesondere Ruhedyspnoe, massiv eingeschränkter Belastbarkeit, Konzentrationsstörungen und Beeinträchtigung der Vigilanz und PaCO2-Werten über 50 mm Hg sollte die intermittierende Selbstbeatmung in Betracht gezogen werden (Evidenzgrad D). Die Beatmung sollte nichtinvasiv über Nasen- oder Mund-Nasen-Masken erfolgen.

Die Einleitung der nichtinvasiven Beatmung sowie die Einstellung finden in entsprechend spezialisierten Krankenhausabteilungen statt.

Zur möglichst kompletten Entlastung der überlasteten Atemmuskulatur wird eine kontrollierte Beatmung vorgezogen, wobei unter Beatmung normale bis leicht erniedrigte PaCO2-Werte anzustreben sind. Teilentlastende Beatmungsformen haben den Vorteil der häufig besseren Akzeptanz bzw. leichteren Adaptation. Sie führen aber nur zu einer inkompletten Entlastung der Atemmuskulatur und damit nur zu einem geringen Erholungseffekt. Sie können daher nur in leichteren Fällen angewandt werden.

Die Beatmungsdauer, die in der Regel bei 8 - 14 Stunden pro Tag liegt, muss individuell nach Symptomatik, arteriellen Blutgasen und Inspirationsdrücken ermittelt werden. Anzustreben ist ein nahezu normaler PaCO2 bei Spontanatmung, der bei guten Erholungseffekten der Atemmuskeln auch erreicht werden kann. Empfehlenswert ist eine nächtliche Beatmung, damit am Tage möglichst viel beatmungsfreie Zeit verfügbar ist.

Die Ergebnisse der Heimbeatmung bei COPD weisen eine gegenüber neuromuskulären Erkrankungen, Skoliose bzw. posttuberkulösen Syndromen relativ schlechte Prognose mit einer 5-Jahresletalität von etwa 50 - 60 % auf [297]. Zusammen mit der LOT kann die nichtinvasive Beatmung zu einer deutlichen Besserung der arteriellen Blutgase am Tage, der Effizienz des Nachtschlafs und der Lebensqualität führen [298] (Evidenzgrad B).

Aufgrund der vorliegenden Daten kann die nichtinvasive Beatmung für den Einsatz bei Patienten mit chronischer ventilatorischer Insuffizienz infolge COPD noch nicht generell empfohlen werden. Bei Subgruppen, insbesondere bei Patienten mit ausgeprägter Hyperkapnie am Tage, sollte sie jedoch zum Einsatz kommen [299].

Operative Therapieverfahren

Bullektomie

Bei großen Bullae, die mehr als 1/3 eines Lungenflügels einnehmen und das benachbarte Gewebe komprimieren, kann die Bullektomie zu einer Besserung der Lungenfunktion und zu einer Abnahme der Dyspnoe führen [300] (Evidenzgrad B). Gelegentlich kann die Indikation auch bei Hämoptysen oder rezidivierenden Infektionen gestellt werden.

Vor der Entscheidung zur Bullektomie sollten eine Bronchoskopie, ein Computertomogramm des Thorax (HR-CT), Lungenfunktionstests unter Einschluss der arteriellen Blutgase, die Messung der CO-Diffusionskapazität, die Bestimmung der funktionellen Residualkapazität mittels Helium-Methode und ein Perfusionsszintigramm der Lunge durchgeführt werden.

Gute Ergebnisse des chirurgischen Eingriffs sind bei normaler oder nur gering reduzierter Diffusionskapazität, dem Nachweis von komprimiertem Lungengewebe im Randbereich der Bullae und dem Fehlen einer signifikanten Hypoxämie zu erwarten [301].

Die Bullektomie kann im Rahmen einer videoassistierten oder offenen Thorakotomie, bei beidseitigen Bullae auch mittels Sternotomie erfolgen. Bei schwerem, generalisiertem Lungenemphysem ist dieser Eingriff nicht indiziert.

Lungenvolumenreduktion

Das von Cooper [302] etablierte Konzept der operativen Lungenvolumenreduktion (LVR) beim Lungenemphysem beinhaltet die Resektion von stark emphysematös veränderten Lungenarealen mit dem Ziel, die Lungenüberblähung zu reduzieren, die Dyspnoe zu lindern und die Lungenfunktion zu bessern. Eine randomisierte nordamerikanische Studie (NETT-Studie) [303] prüfte an 1033 Patienten die LVR gegen eine konservative Therapie. Dabei waren die Endpunkte Lebensqualität, Belastbarkeit und Mortalität. Insgesamt lag die 3-Monats-Sterblichkeit in der operierten Gruppe mit 7,9 % deutlich höher als in der konservativ behandelten Kohorte (1,3 %). Ein signifikanter Vorteil bezüglich Belastbarkeit und Prognose lag nur in einer Subgruppe mit Oberlappen-betontem Emphysem und eingeschränkter Belastbarkeit vor. Zur in der Studie verwendeten Definition der eingeschränkten Belastbarkeit (<25W bei Frauen, <40W bei Männern bei einem definierten ergometrischen Rampen-Protokoll) ist anzumerken, dass schwersteingeschränkte Patienten (6 min-Gehstrecke < 140 m) ausgeschlossen wurden. Somit sollte die LVR nur dieser kleinen Subgruppe offeriert werden. Weiter sind definierte Ausschlusskriterien zu beachten: Bronchiektasen, FEV1 < 20 % des Sollwertes, manifeste ventilatorische Insuffizienz (persistierende respiratorische Globalinsuffizienz mit PaCO2 > 55 mm Hg oder nasale Beatmung), pulmonale Hypertonie (rechtsventrikulärer Druck > 50 mm Hg in Ruhe), homogene Verteilung des Emphysems, homozygoter Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel, relevante Komorbiditäten (z. B. koronare Herzkrankheit, schwere linksventrikuläre Funktionseinschränkung, Tumorleiden) (Evidenzgrad A).

Wie auch bei der Lungentransplantation können nur Patienten für die Operation berücksichtigt werden, bei denen präoperativ eine Rehabilitation [304] erfolgte und alle medikamentösen und nicht medikamentösen Therapieoptionen ausgeschöpft wurden. Weiter ist eine mehrmonatige Rauchabstinenz zwingend erforderlich.

In Studien werden gegenwärtig endoskopische Verfahren zur Emphysemtherapie (EET) geprüft. Prinzipien sind hierbei die endobronchiale Okklusion, die Implantation von Ventilsystemen [305] oder die Schaffung eines Bypass zur kollateralen Ventilation. Ergebnisse randomisierter Studien gegen Plazebo liegen bislang für keines der Verfahren vor. Dem gegenüber der chirurgischen LVR (3-Monats-Mortalität in erfahrenen Zentren unter 5 %) niedrigeren Risiko des Eingriffs müssen spezifische Komplikationen der EET wie Pneumothorax, Pneumonien oder bronchiale Blutung gegenübergestellt werden. Aktuell hat die EET außerhalb von Studien keinen Stellenwert in der Emphysembehandlung.

Lungentransplantation

Weltweit stellt die COPD die häufigste Indikation zur Lungentransplantation dar (in Deutschland etwa 25 % der Empfänger, ca. 60 Patienten pro Jahr) [306] [307]. Randomisierte Studien zur Klärung der Frage, ob die Lungentransplantation (LTx) die Prognose von COPD-Patienten im Terminalstadium verbessert, liegen nicht vor. Im Gegensatz zu einer früheren nordamerikanischen retrospektiven Analyse (mit Einschluss von weniger schwer erkrankten Patienten) [308] hat eine britische retrospektive Untersuchung Hinweise dafür erbracht, dass die LTx bei präoperativ funktionell deutlich schlechteren Patienten einen Überlebensvorteil mit sich bringt [309]. Es gilt, im Kollektiv der COPD Patienten Kandidaten mit ungünstigen Prognosekriterien zu selektionieren und ggf. der LTx zuzuführen. Neben der Prognoseverbesserung hat die LTx auch die Verbesserung der Lebensqualität [310] zum Ziel. Eine LTx kommt nur dann in Betracht, wenn alle anderen Therapieverfahren ausgeschöpft worden sind. Dies beinhaltet auch LOT, intermittierende Heimbeatmung, Ernährungs- und Trainingstherapie. Voraussetzung für die Aufnahme auf die Warteliste ist eine dokumentierte mindestens 6-monatige Abstinenz vom Tabakrauchen. Es gilt in den meisten Zentren eine Altersobergrenze von 60 (in Ausnahmen 65) Jahren. Eine durchschnittlich 2-jährige Wartezeit vor Verfügbarkeit eines Spenderorgans ist zu berücksichtigen. Kontraindikationen sind relevante extrapulmonale Komorbiditäten (z. B. KHK, BMI > 30 kg/m2, Niereninsuffizienz, Leberzirrhose) [310].

Allgemein akzeptierte Kriterien für die Aufnahme auf die Warteliste zur Transplantation sind eine FEV1 < 25 % Soll, ein pulmonaler Hochdruck (mittlerer pulmonalarterieller Druck ≥ 25 mm Hg) und eine respiratorische Globalinsuffizienz (PaCO2 ≥ 50 mm Hg, PaO2 < 55 mm Hg).

Gehäufte Exazerbationen (> 3/Jahr, insbesondere mit Hospitalisation), Untergewicht, weibliches Geschlecht, hoher Sauerstoffbedarf und stark eingeschränkte Belastbarkeit scheinen negative Prognosekriterien für fortgeschrittene COPD-Patienten zu sein [311].

In den aktuell publizierten Empfehlungen einer Arbeitsgruppe zur Selektion von LTx-Kandidaten mit COPD wird dem BODE-Index der gesundheitsspezifischen Lebensqualität eine wichtige Rolle als unabhängigem Prädiktor für die Mortalität zugeschrieben [312]. Hierbei ist kritisch anzumerken, dass der BODE-Index mit der Fragestellung der Selektion von Transplantationskandidaten nicht validiert wurde. Das Kollektiv, an dem er entwickelt wurde, war durchschnittlich 66 Jahre alt und multimorbide, entsprach also gerade keinem Transplantationskandidatenkollektiv. Von deutschen Experten wird deshalb der BODE-Index als Selektionskriterium zur Aufnahme auf die Warteliste abgelehnt. In den BODE-Index gehen 3 von 4 Parametern ein, die beeinflussbar sind (BMI, 6-Minuten-Gehstrecke und Dyspnoe-Empfinden). Der Index erleichtert in der klinischen Praxis Patienten zu identifizieren, die Interventionsbedarf (z. B. Rehabilitation, Ernährungstherapie) haben. Wenn diese Maßnahmen ausgeschöpft sind, sollte auch die Option der Transplantation geprüft werden. Die Messung der Diffusionskapazität allein ist bei schweren obstruktiven Ventilationsstörungen viel zu unzuverlässig, als dass aus Resultaten dieser Messung Transplantationsentscheidungen getroffen werden sollten.

Für Transplantationskandidaten werden eine hohe Motivation, eine effiziente, vorbereitende Rehabilitations- und Trainingstherapie sowie psychosoziale Stabilität vorausgesetzt.

Besonders ungünstig ist der Lungenfunktionsverlauf bei homozygotem Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel. Bei diesen meist jüngeren Patienten sollte frühzeitig Kontakt mit einem Transplantationszentrum aufgenommen werden.

Die Ergebnisse für Einzel- und Doppellungentransplantation unterscheiden sich nicht wesentlich für die Altersgruppe der über 60-Jährigen, während in einer Analyse von 2260 Transplantationen wegen COPD aus dem ISHLT-Register 1991 - 1997 [313] in der Altersgruppe der unter 50-Jährigen die 5-Jahres-Überlebensrate nach Doppellungentransplantation mit 68 % gegenüber der nach Einzellungentransplantation mit 43 % deutlich besser war. Ein ähnliches Bild ergab sich auch in der Altersgruppe der 50 - 60-Jährigen mit 60 % gegenüber 40 % zugunsten der Doppellungentransplantation [314].

Für die Altersgruppe der über 60-Jährigen ist die Einzellungentransplantation eine mit reduziertem operativen Risiko durchführbare Maßnahme, außerdem erhöht sie die Verfügbarkeit von Spenderorganen. Zu beachten ist beim Operationsverfahren der Einzellungentransplantation bei Überblähung der nativen Lunge eine postoperative Kompression der transplantierten Lunge. Eine quantitative Ventilations-Perfusions-Szintigraphie (seitengetrennt) ist in diesen Fällen präoperativ obligat. Bei ausgeprägter pulmonaler Hypertonie - die bei der COPD selten vorkommt - scheidet die Einzellungentransplantation als Option wegen der Gefahr eines postoperativen schweren Reperfusionsschadens aus. Bei beidseitigen Bronchiektasen und Atemwegskolonisation mit Problemkeimen sollte ebenfalls keine Einzellungentransplantation erfolgen.

In [Tab. 10] sind die Differenzialindikationen zur Durchführung einer LVR vs. einer LTx dargestellt.

Tab. 10 Kriterien zur Differenzialindikation für Lungenvolumenreduktion (LVR) und Lungentransplantation (LTx) bei Patienten mit ausgeprägtem Lungenemphysem
LVR LTx
Lungenfunktion FEV1: 25 - 45 % Soll FEV1: < 25 % Soll
Bildgebung oberlappenbetontes Emphysem panlobuläres Emphysem, Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel
6-Minuten-Gehstrecke > 150 m < 150 m
Blutgasanalyse PaCO2 < 55 mm Hg PaCO2 > 55 mm Hg
Echokardiographie RVP systolisch < 50 mm Hg RVP systolisch > 50 mm Hg

Palliative Therapie

Angesichts des prinzipiell progressiven Krankheitsverlaufs und der damit in Verbindung stehenden progredienten klinischen Symptomatik einer leidvollen respiratorischen Insuffizienz können und müssen bei Patienten mit weit fortgeschrittener COPD auch primär palliativmedizinisch orientierte Therapieoptionen zum Einsatz kommen. Ergebnisgerichtete Studien zum Stellenwert von palliativmedizinischen Maßnahmen bei COPD liegen bislang nicht vor, dennoch darf nach Expertenmeinung erwartet werden, dass COPD Patienten im Endstadium von der Palliativmedizin profitieren.

Atemnot, Müdigkeit, Depressionen und Schmerzen unterschiedlicher Organzugehörigkeit sind die Hauptsymptome bei Patienten im letzten Jahr vor ihrem Tod [315]. Die Wirksamkeit von Sauerstoff zur Minderung der Atemnot bei COPD-Patienten im Endstadium ist durch kontrollierte Studien nicht belegt, als Expertenmeinung aber unbestritten [316]. Eine Metaanalyse zum Einsatz von Opioiden bei Dyspnoe jeder Ursache zeigt einen statistisch zu sichernden Effekt, der bei oraler oder parenteraler größer als bei inhalativer Applikation ist [317].

Bezüglich der palliativen Beeinflussung von Müdigkeit und rascher Erschöpfung werden Appetitstimulanzien, Zytokinantagonisten und Anabolika in Kombination mit physikalischer Therapie empfohlen (siehe auch Ernährung). Wenigstens bei Zweidrittel aller COPD-Patienten im Endstadium liegen Depression und Angststörungen vor. Zur Behandlung stehen in Abhängigkeit von der Qualität der Störung medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapieverfahren zur Verfügung [318]. Die analgetische Therapie auch eines COPD-Patienten orientiert sich an den WHO-Empfehlungen [319].

Ausmaß und Zeitpunkt einer palliativen Therapie des kritisch kranken COPD-Patienten lassen sich heute noch nicht ausreichend sicher definieren. Ihre Bedeutung wird aber trotz weiterer Fortschritte der kausal ausgerichteten Basisbehandlung der COPD in den nächsten Jahren zweifelsfrei zunehmen.

Management akuter Exazerbationen

Leitsätze

  • Akute Exazerbationen bedürfen einer zusätzlichen medikamentösen Therapie. Hauptursachen sind Bronchialinfekte (Evidenzgrad B).

  • Medikamente der Wahl sind inhalative Bronchodilatatoren, insbesondere β2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika und systemisch applizierte Glukokortikoide (Evidenzgrad A), bei unzureichendem Effekt auch Theophyllin (Evidenzgrad D).

  • COPD-Patienten mit Exazerbationen und den klinischen Zeichen eines bakteriellen Atemwegsinfektes können von einer Behandlung mit Antibiotika profitieren [320] (Evidenzgrad B).

  • Bei Patienten mit respiratorischer Partialinsuffizienz ist die Sauerstoffgabe indiziert, bei respiratorischer Insuffizienz mit Hyperkapnie im Rahmen der akuten Exazerbation der Einsatz der nichtinvasiven Beatmung mit positivem Druck (NIPPV) (Evidenzgrad A).

Definition

Eine COPD-Exazerbation ist als ein Ereignis im Verlauf der Erkrankung definiert, das durch eine Änderung der Dyspnoe, des Hustens und/oder des Auswurfs charakterisiert ist. Diese Änderung geht über die täglichen Schwankungen der Symptome hinaus, beginnt akut und macht eine Änderung der Medikation notwendig.

Während in manchen Publikationen bereits die Erhöhung der Dosis der Bronchodilatatoren als Ausdruck einer Exazerbation gewertet wird, fordern andere Autoren eine systemische Glukokortikoid- und/oder eine Antibiotikatherapie. In anderen Untersuchungen wird die Notwendigkeit einer Notarztbehandlung oder gar einer stationären Behandlung als Basis der Definition der Exazerbation gewählt. Wieder andere Definitionen orientieren sich an der Symptomatik. Diese unterschiedlichen Definitionen erschweren die vergleichende Bewertung von Studien erheblich.

Akute Verschlechterungen treten bei COPD-Patienten häufig auf [321] [322] [323]. Über die Prognose akuter Exazerbationen in Abhängigkeit vom Schweregrad liegen unterschiedliche Daten vor. Während ca. 50 % der meist leichten Exazerbationen ohne ärztlichen Kontakt von den betroffenen Patienten selbst bewältigt werden [48], liegt die Krankenhaussterblichkeit von COPD-Patienten mit schweren Exazerbationen zwischen 3 % und 10 % [324] [325] [326] [327] [328]. Noch schlechter ist die Prognose bei Aufnahme auf die Intensivstation. Die Sterblichkeit erreicht etwa 40 % innerhalb eines Jahres [325] [326] [327] [328] und bei Patienten mit einem Alter von mehr als 65 Jahren sogar bis zu 59 % [328].

Häufigste Ursachen der Exazerbationen sind wahrscheinlich virale und/oder bakterielle Atemwegsinfektionen. In ca. 30 % der Fälle kann die Ursache bislang nicht identifiziert werden [329] [330] [331].

Folgende Erreger werden als die häufigsten Verursacher einer Exazerbation angesehen:

  • H. influenzae,

  • S. pneumoniae,

  • M. catarrhalis,

  • Enterobakterien Species,

  • P. aeruginosa,

  • virale Erreger (Influenzaviren, Respiratory Syncitial Virus (RSV), Rhino-, Corona- und Adenoviren).

Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind Pneumonien, Herzinsuffizienz, Pneumothorax, Pleuraergüsse, Lungenembolie, Arrhythmien oder ein Thoraxtrauma.

Diagnostik

Leitsymptom der akuten Exazerbation ist zunehmende Atemnot, häufig verbunden mit vermehrtem Husten, Zunahme von Menge und Viskosität des Sputums und/oder gelb-grüner Verfärbung des Auswurfs, Engegefühl im Brustraum und gelegentlich Fieber. Unspezifische Zeichen wie Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma, Schlafstörungen, leichtere Ermüdbarkeit und Depressionen können hinzutreten.

Für eine schwere akute Exazerbation sprechen eine neu aufgetretene oder progrediente zentrale Zyanose, periphere Ödeme, der Einsatz der so genannten „Atemhilfsmuskulatur” bei der Inspiration sowie eine hämodynamische Instabilität. Für die Einschätzung der Gefährdung des Patienten durch die Exazerbation wesentlich sind Kenntnisse über den Zustand des Patienten vor der Exazerbation, über Häufigkeit und Schweregrad früher durchgemachter Exazerbationen, über die bisherige Therapie und die Komorbiditäten. Wichtigstes diagnostisches Verfahren ist die Blutgasanalyse, die eine Einschätzung des Schweregrades der respiratorischen Insuffizienz sowie anhand des zusätzlich bestimmten Säure-Basen-Haushaltes auch der Gefährdung des Patienten erlaubt.

Eine respiratorische Insuffizienz liegt bei einem arteriellen Sauerstoffpartialdruck von weniger als 60 mm Hg bzw. einer Sauerstoffsättigung von weniger als 90 % bei Atmung von Raumluft vor.

Im Falle einer respiratorischen Globalinsuffizienz bei Sauerstoffpartialdrücken von < 50 mm Hg, CO2-Partialdrücken > 70 mm Hg und pH-Werten < 7,30 muss von einer lebensbedrohlichen Situation mit der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung ausgegangen werden [332].

Kenngrößen der Ventilation sind im Rahmen einer akuten Exazerbation, insbesondere bei älteren Patienten, häufig nicht korrekt zu bestimmen.

Anhaltspunkte für eine schwere Exazerbation bieten Peak-Flow-Werte unter 100 l/min und eine FEV1 < 1 l [333] [334] [335]. Wichtiger als die Absolutwerte sind akute Verschlechterungen wesentlicher Kenngrößen der Atemwegsobstruktion.

Zur Labordiagnostik gehören: BSG, Blutbild, CRP, D-Dimere, Elektrolyte, Kreatinin und Blutzucker.

Eine mikrobiologische Sputumuntersuchung (Gramfärbung und Bakterienkultur mit Resistenztestung) wird nur bei Patienten mit häufigen Exazerbationen (> 3 pro Jahr), Therapieversagen und/oder bei besonders schweren Erkrankungen mit Verdacht auf multiresistente Bakterien empfohlen. Voraussetzungen sind das Vorliegen eines makroskopisch purulenten Sputums und die Gewährleistung der notwendigen logistischen Voraussetzungen (Transport und Verarbeitung innerhalb von 2 - 4 Stunden) ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Sputumdiagnostik bei Patienten mit akuter Exazerbation der COPD.

Bei jeder Sputumanalyse sollte auch eine mikroskopische Untersuchung mit Auszählung von Plattenepithelzellen und Leukozyten erfolgen, um darüber auf die Qualität des Sputums schließen zu können.

Zur differenzialdiagnostischen Abklärung bei akuter Atemnot sind eine Röntgenaufnahme der Thoraxorgane (möglichst in 2 Ebenen) sowie ein EKG sinnvoll. Darüber hinaus sollte bei unklarer Ursache der Atemnot ein D-Dimer-Test erfolgen. Bei pathologischem Ausfall ist eine Lungenarterienembolie auszuschließen [336].

In Abhängigkeit vom Schweregrad der Grunderkrankung, den Folgen der akuten Exazerbation und der Komorbidität kommen sowohl eine ambulante als auch eine stationäre Behandlung in Betracht. Kriterien für die Krankenhauseinweisung sowie für die Aufnahme auf die Intensivstation sind [Tab. 11] zu entnehmen. Respiratorische Azidose, eine notwendige Beatmung und bedeutsame Komorbiditäten sind Prädiktoren einer ungünstigen Prognose [324].

Tab. 11 Kriterien zur stationären und intensivmedizinischen Behandlung bei COPD-Exazerbationen
Stationäre Behandlung Aufnahme auf die Intensivstation
schwere Atemnot schwere Atemnot mit fehlendem Ansprechen auf die initiale Notfalltherapie
schlechter Allgemeinzustand komatöser Zustand
rasche Progression der Symptomatik persistierende arterielle Hypoxämie (PaO2 < 50 mm Hg) trotz Sauerstoffgabe und/oder schwere oder progrediente Hyperkapnie (PaCO2 > 70 mm Hg) und/oder schwere/zunehmende respiratorische Azidose (pH < 7,30) trotz nichtinvasiver Beatmung mit positivem Druck (NIPPV)
Bewusstseinstrübung
Auftreten/Zunahme von Ödemen und/oder einer zentralen Zyanose
fehlendes Ansprechen auf die initiale Therapie
unklare Diagnose
neu aufgetretene Arrhythmien
bedeutsame Komorbidität
höheres Lebensalter
unzureichende häusliche Betreuung

Therapie der Exazerbation

Das Management der akuten Exazerbationen sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad der Exazerbation und der Beeinträchtigung des Patienten ambulant oder stationär durchgeführt werden ([Abb. 6]). [Tab. 12] enthält eine Zuordnung der medikamentösen und apparativen Therapieoptionen zu drei anhand klinischer Kriterien festgelegter Schweregrade der Exazerbation.

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Abb. 6 „Management der Exazerbation der COPD”.

Tab. 12 Schweregradorientierte Behandlung der Exazerbation der COPD
Schweregrad Kennzeichen Therapie
alle Schweregrade Nikotinverzicht
Antibiotika bei purulentem Sputum
Therapie der Komorbidität(en)
leichtgradig leichte subjektive Verschlechterung ± Verschlechterung der Lungenfunktion Anticholinergika u./o. β2-Sympathomimetika
mittelgradig Atemnot↑/Husten↑
+ Verschlechterung der Lungenfunktion
evtl.
+ systemische Glukokortikoide
+ Theophyllin
schwergradig Bewusstseinstrübung
Tachykardie/-pnoe
Zyanose (neu/progredient)
Ödeme
+ Sauerstoff
± NIV
± Therapie der Komplikationen

Die leichtgradige Exazerbation ist durch eine leichte subjektive Beeinträchtigung mit oder ohne leichte Verschlechterung der Lungenfunktion mit einer Abnahme der FEV1 von maximal 20 % des Ausgangswertes vor Beginn der Exazerbation gekennzeichnet. Patienten mit leichtgradiger Exazerbation können ambulant behandelt werden. Als medikamentöse Therapieoptionen stehen in erster Linie β2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika zur Verfügung, wobei für die langwirksamen Substanzen beider Medikamentengruppen noch keine Evidenz für den Therapieeinsatz zur Bewältigung der Exazerbation vorliegt.

Die mittelgradige Exazerbation ist durch eine stärkere Verschlechterung des Befindens mit zunehmender Atemnot und/oder Husten gekennzeichnet sowie durch eine messbare Einschränkung der Lungenfunktion.

Zusätzlich zu Anticholinergika und/oder β2-Sympathomimetika können systemische Glukokortikosteroide (Evidenzgrad A) und bei fehlender Besserung auch Theophyllin eingesetzt werden (Evidenzgrad D). Auch die mittelgradige Exazerbation kann überwiegend ambulant behandelt werden.

Kennzeichen der schweren Exazerbation sind das Auftreten von Ödemen, eine neu aufgetretene oder progrediente Zyanose, Bewusstseinstrübungen bis zu komatösen Zuständen sowie das Auftreten von Tachykardien, Arrhythmien und Tachypnoe. Die schwere Exazerbation sollte stationär behandelt werden. Als Therapieoptionen stehen neben Anticholinergika, β2-Sympathomimetika, systemischen Glukokortikosteroiden und Theophyllin die Behandlung mit Sauerstoff, die nichtinvasive Beatmung sowie die Therapie der Komplikationen zur Verfügung.

Die Therapie aller Schweregrade sollte den Verzicht auf Tabakkonsum, den Einsatz von Antibiotika bei purulentem Sputum und die Behandlung der Komorbiditäten einschließen.

Medikamentöse Therapie

Bronchodilatatoren.

Kurzwirksame β2-Sympathomimetika (initial 100 - 200 µg eines Dosier-Aerosols bzw. Pulverinhalators) sind die bevorzugten Bronchodilatatoren in der Therapie der akuten Exazerbation der COPD [5] [6] [8] (Evidenzgrad A). Bei unzureichender Besserung können zusätzlich Anticholinergika höher dosiert verabreicht werden mit initial 250 - 500 µg, z. B. über Vernebler, schließlich Theophyllin i. v. mit einer Initialdosis von 200 mg, oder einer kontinuierlichen Infusion mit 0,5 mg/kg/Stunde, falls der Patient nicht mit Theophyllin vorbehandelt ist. Der Stellenwert der Theophyllintherapie ist umstritten [337] [338] [339] [340] [341]. Einige Studien zeigen eine Verschlechterung des Gasaustausches und der arteriellen Hypoxämie bei Besserung von Obstruktion und Lungenüberblähung [338] [339]. Die aktuellste Studie [342] ergab, dass die Gabe von Theophyllin vs. Plazebo zusätzlich zu hoch dosierten Bronchodilatatoren und systemischen Glukokortikoiden keinen klinisch bedeutsamen Effekt hat. Lediglich eine geringfügige Verbesserung des Säure-Basen-Haushalts war in der Theophyllingruppe feststellbar. Um unerwünschte Effekte des Theophyllins zu vermeiden, sind die Theophyllin-Serumspiegel engmaschig zu kontrollieren [340] [341].

Antibiotika

Antibiotika sind nur bei Exazerbationen infolge eines bakteriellen Atemwegsinfektes wirksam. Bakterielle Exazerbationen sind neben einer Zunahme von Dyspnoe, Husten und Sputummenge durch das Auftreten eines purulenten Sputums [320] [329] charakterisiert.

Procalcitonin III, ein spezifischer Marker für bakterielle Infektionen, könnte ein Marker für die Behandlungsbedürftigkeit von Exazerbationen mit Antibiotika sein [343] (Evidenzgrad B), allerdings ist der Marker aus Kostengründen bisher nicht im klinischen Alltag etabliert.

Eine Antibiotikatherapie wird empfohlen, wenn alle klinischen Zeichen (Dyspnoe, vermehrtes und gelbgrün verfärbtes Sputum) der bakteriellen Infektion vorliegen (Evidenzgrad B, Empfehlungsgrad A), bei allen Patienten mit sehr schwerer COPD (Evidenzgrad D) und bei Patienten, die eine respiratorische Unterstützung mittels nichtinvasiver oder invasiver maschineller Beatmung benötigen [344] (Evidenzgrad A).

Eine Antibiotikatherapie kann erwogen werden (Evidenzgrad D) bei Patienten aller Schweregrade mit häufig rezidivierenden akuten Exazerbationen (> 4/Jahr) und Patienten aller Schweregrade mit relevanter kardialer Komorbidität.

Die Wahl des Antibiotikums für die kalkulierte Therapie der Exazerbation entsprechend den oben genannten Indikationen richtet sich nach der Schwere der Lungenfunktionseinschränkung und dem Risiko für eine kausale Beteiligung von Pseudomonasspecies an der Exazerbation. Für Patienten mit einer Erkrankung im Stadium I und II werden in Abhängigkeit von der lokalen Resistenzlage in erster Linie Aminopenicilline (ggf. plus Betalactamase-Inhibitoren) empfohlen [345]. Makrolide sollten aufgrund der aktuellen deutschen Resistenzsituation nur in Ausnahmefällen (z. B. Penicillinunverträglichkeit) zum Einsatz kommen [346] (Evidenzgrad B).

In unkomplizierten Fällen können auch Tetrazykline und Oralcephalosporine eingesetzt werden [345]. Bei fehlendem Ansprechen auf andere Antibiotika kann auch der Einsatz von Ketoliden erwogen werden (Evidenzgrad B).

Für Patienten im Stadium III und IV werden Aminopenicilline mit Betalaktamaseinhibitor (Amoxicillin + Clavulansäure oder Sultamicillin) oder Fluorchinolone mit Pneumokokkenwirksamkeit (Levofloxacin, Moxifloxacin) empfohlen.

Ein Risiko für einen kausalen Einfluss von Pseudomonas aeruginosa besteht bei Vorliegen folgender Faktoren [347] (Evidenzgrad B):

  • pulmonale Komorbidität (strukturelle chronische Erkrankungen wie COPD im Stadium IV, Bronchiektasen, Mukoviszidose),

  • stationärer Aufenthalt von mehr als 2 Tagen in den letzten 30 Tagen vor Beginn der akuten Pneumonieepisode,

  • Glukokortikoidtherapie (mindestens 10 mg Prednisonäquivalent über mindestens 4 Wochen),

  • Aspiration,

  • Breitspektrum-Antibiotikatherapie über mehr als 7 Tage innerhalb des letzten Monats,

  • Malnutrition.

Bei Patienten mit einem solchen Risiko müssen pseudomonaswirksame Substanzen eingesetzt werden, wobei Cipro- und Levofloxacin die einzigen oral verfügbaren Substanzen darstellen.

Eine intravenöse Therapie wird nur empfohlen, wenn der Patient nicht schlucken kann, unsichere Resorptionsverhältnisse bestehen, eine schwere akute Exazerbation oder ein Pseudomonasrisiko vorliegen.

Die Dauer der Antibiotikatherapie einer akuten bakteriellen Exazerbation liegt in der Regel bei 5 - 10 Tagen. Kriterien des Ansprechens der antibiotischen Therapie bei Exazerbation sind nur unzureichend definiert. Zeichen des klinischen (symptombezogenen) Ansprechens sind der Rückgang der Dyspnoe und der Sputummenge und die Entfärbung des Sputums.

Ein signifikanter Anteil von Patienten weist nur eine unzureichende Besserung der Exazerbationssymptome auf. Das therapeutische Vorgehen bei diesen Patienten ist nicht etabliert. In jedem Fall sollte eine protrahierte Gabe antimikrobieller Substanzen (über 10 Tage) vermieden werden, da die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzzunahme nach diesem Zeitraum ansteigt.

Ein Therapieversagen äußert sich in einer persistierenden Symptomatik trotz adäquater Therapie von mindestens 48 - 72 h Dauer. Zum Vorgehen im Rahmen eines Therapieversagens liegen keine Studien vor.

Bei Patienten mit Therapieversagen ist die antibiotische Medikation abzusetzen und nach einer Behandlungspause von 2 - 3 Tagen eine mikrobiologische Diagnostik durchzuführen.

Glukokortikoide

Glukokortikoide sollen oral oder intravenös zusätzlich zur Gabe von Bronchodilatatoren eingesetzt werden. Sie verkürzen die Genesungszeit und führen zu einer rascheren Besserung der Lungenfunktion [348] [349] [350] (Evidenzgrad A). Sie sollten bei einer Einschränkung der FEV1 < 50 % des Sollwertes im Rahmen einer Exazerbation zusätzlich zu Bronchodilatatoren gegeben werden (Empfehlungsgrad A). Eine Dosis von 20 - 40 mg Prednisolonäquivalent über 10 - 14 Tage wird empfohlen [348] [349] (Evidenzgrad C). Eine längere Behandlungsdauer führt nicht zu einer höheren Effizienz, erhöht aber das Risiko von unerwünschten Effekten [350].

Falls im Rahmen der ambulanten Therapie eine Wiederherstellung des Ausgangszustandes vor der Exazerbation nicht gelingt bzw. die Exazerbation progredient verläuft oder weitere Maßnahmen wie Sauerstoffgabe bzw. eine nicht invasive Beatmung erforderlich werden, ist eine stationäre Einweisung notwendig, die primär dann erfolgen sollte, wenn die Kriterien in [Tab. 11] erfüllt sind.

Zusätzliche Maßnahmen bei der Behandlung akuter Exazerbationen im Krankenhaus

Im Krankenhaus wird der Schweregrad der Exazerbation anhand der Symptome, der arteriellen Blutgase und des Röntgenbildes der Thoraxorgane bestimmt. Zusätzlich müssen die Suche nach den Ursachen der Exazerbation und die Diagnostik etwaiger Begleitkrankheiten unter Einschluss von EKG-Registrierung und Laborstatus rasch erfolgen.

Bei respiratorischer Insuffizienz ist die Sauerstoffgabe über eine Nasensonde bzw. Atemmaske sofort einzuleiten ([Abb. 7]). Falls die in [Tab. 11] genannten Kriterien zutreffen, sollte der Patient auf die Intensivstation verlegt werden.

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Abb. 7 Stationäre Therapie der Exazerbation der COPD.

Ziel der Sauerstofftherapie ist eine adäquate Oxygenierung mit arteriellen PaO2-Werten von mehr als 60 mm Hg bzw. einer Sauerstoffsättigung von mehr als 90 %. Eine Kontrolle zur Beurteilung des Erfolges und zur Überprüfung einer unter Sauerstoffgabe auftretenden CO2-Retention kann bereits nach 20 Minuten durchgeführt und sollte im Verlauf überprüft werden.

Unter stationären Bedingungen mit Kontrolle der Herzfrequenz können kurzwirksame β2-Sympathomimetika höher dosiert und auch parenteral appliziert werden, bei fehlender Besserung mit Anticholinergika und ggf. auch mit Theophyllin kombiniert werden.

Diuretika sind bei peripheren Ödemen und erhöhtem Jugularvenendruck indiziert. Für die Initialtherapie ist die Gabe von 40 mg Furosemid i. v. empfehlenswert. Die Flüssigkeitsbilanz ist sorgfältig zu überwachen. Eine leicht zu trinkende orale Zusatzernährung oder gegebenenfalls auch eine intravenöse Kalorienzufuhr können notwendig werden, wenn der Patient infolge ausgeprägter Atemnot keine Nahrung zu sich nimmt. Eine Alternative bietet die Ernährung über eine Magensonde. Bei immobilisierten Patienten, bei Patienten mit Polyglobulie, Dehydratation, bei Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz und/oder thromboembolischen Erkrankungen sollte eine Heparinisierung erfolgen, wobei niedermolekulare Heparine wie Standardheparine einsetzbar sind.

Die Bedeutung der Physiotherapie bei Patienten mit akuter Exazerbation unter Krankenhausbedingungen ist nicht eindeutig geklärt [351]. Bei großen Sputummengen und lobären Atelektasen sind Lagerungsdrainagen empfehlenswert. Hierbei ist aber auch eine Bronchoskopie in Erwägung zu ziehen, insbesondere wenn die Exazerbation einen hohen Schweregrad aufweist. Die Sekretelimination kann durch Wärmeapplikation sowie den Einsatz von Hilfsmitteln mit und ohne Oszillationen und nachfolgendem Huffing, ggf. Absaugen, unterstützt werden.

Beatmung

Mithilfe einer nichtinvasiven oder invasiven Beatmung können die im Rahmen schwerer Exazerbationen häufig überlastete Atemmuskulatur [352] [353] bis zur Beseitigung der Ursache der Exazerbation entlastet und hierdurch Morbidität und Mortalität reduziert werden. Bei akuten Exazerbationen der COPD kann die Beatmung nichtinvasiv über eine Gesichts- oder Nasenmaske oder invasiv über eine orotracheale Intubation im Sinne einer konventionellen invasiven Beatmung erfolgen.

Nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck (NIPPV)

Die nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck wurde bei akuter respiratorischer Insuffizienz von COPD-Patienten in den letzten Jahren in zahlreichen unkontrollierten und 5 randomisierten kontrollierten Untersuchungen geprüft [354] [355] [356] [357] [358]. Die NIPPV führte zu einer Reduktion der respiratorischen Azidose, einem Abfall des PaCO2 sowie einer Abnahme der Atemnot in den ersten 2 - 4 Stunden nach Beginn der Therapie sowie auch zu einer Senkung der Mortalität [354] [355] [356]. Eine Intubation mit invasiver Beatmung konnte häufig verhindert werden und wurde in nur 15 - 20 % der Fälle notwendig [357] [358] [359]. Im Vergleich zur invasiven pressure support ventilation verkürzt die nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck (NIPPV) die Entwöhnungszeit, reduziert den Aufenthalt auf der Intensivstation, führt zu einer Reduktion der Häufigkeit nosokomialer Pneumonien und verbessert die Prognose während eines Beobachtungszeitraums von 60 Tagen [359] (Evidenzgrad A). Die nichtinvasive Beatmung ist daher, falls keine Kontraindikationen bestehen, der invasiven Beatmung vorzuziehen (Empfehlungsgrad A).

Die Ein- und Ausschlusskriterien für die NIPPV sind in [Tab. 13] dargestellt.

Tab. 13 Ein- und Ausschlusskriterien für die nichtinvasive Beatmung (NIPPV) bei COPD-Patienten mit respiratorischer Insuffizienz
Einschlusskriterien Ausschlusskriterien
Schwere Atemnot mit Einsatz der „Atemhilfsmuskulatur” und paradoxer abdominaler Atmung Atemstillstand
Azidose (pH < 7,35) und Hyperkapnie (mit PaCO2 > 50 mm Hg) Herz-Kreislauf-Instabilität (Herzinfarkt, kardiogener Schock, Hypotonie, schwere Arrhythmie)
Atemfrequenz > 25/min Bewusstseinstrübung (Somnolenz → Koma)
Fehlende Kooperation des Patienten
erhöhte Gefahr von Regurgitation und Aspiration (Schluckstörung, Ileus, gastrointestinale Blutung, kürzliche Operation im Bereich von Gesicht, Speiseröhre und Oberbauch, Gesichtstrauma, Fehlbildungen im Nasopharynx)
visköses Sekret, große Sputummenge

Wenn die in [Tab. 13] genannten Ausschlusskriterien zutreffen, sollte die Indikation zu einer invasiven Beatmung gestellt werden ([Tab. 14]).

Tab. 14 Kriterien für die Intubation und invasive Beatmung bei ventilatorischer Insuffizienz infolge exazerbierter COPD
Hauptkriterien Nebenkriterien
Atemstillstand Atemfrequenz > 35/min, höher als bei der Aufnahme
Atempausen mit Bewusstseinsverlust oder Schnappatmung pH < 7,30 und Abfall während der Überwachung
psychomotorische Agitation mit der Notwendigkeit zur Sedierung PaO2 < 40 mm Hg trotz Sauerstoffgabe und NIPPV
Herzfrequenz < 50/min progrediente Bewusstseinstrübung
hämodynamische Instabilität mit RR-syst. < 70 mm Hg
Intubation bei Vorliegen eines Hauptkriteriums
nach 1-stündiger Therapie unter Einschluss der NIPPV:
Intubation bei Vorliegen von 2 Nebenkriterien.
Treten Nebenkriterien beim Aussetzen der NIPPV auf, kann diese weitergeführt werden.

Invasive Beatmung

Der Nutzen der invasiven Beatmung bei COPD-Patienten im Endstadium ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Patienten ohne wesentliche Komorbiditäten, mit potenzieller Reversibilität der Ursache der akuten Exazerbation (Infektion) sowie relativ mobile Patienten profitieren am häufigsten von einer derartigen Therapie. An Komplikationen sind die ventilatorassoziierte Pneumonie, das Barotrauma und Entwöhnungsprobleme zu nennen. Bei invasiv beatmeten COPD-Patienten ist mit einer deutlichen Verlängerung des Aufenthaltes auf der Intensivstation zu rechnen. Die Hospitalsterblichkeit der maschinell beatmeten Patienten liegt etwa bei 17 - 30 %.

Bei der Entscheidung zur invasiven Beatmung ist der zuvor festgelegte Wille des Patienten hinsichtlich einer derartigen Therapiemaßnahme zu berücksichtigen.

Management nach der akuten Exazerbation im Krankenhaus

Die Krankenhausverweildauer für eine Exazerbation von COPD-Patienten muss individuell festgelegt werden. Mögliche Entlassungskriterien sind:

  • die Fähigkeit des Patienten, auf ebener Strecke zu gehen, wenn dies vor der Exazerbation möglich war; ferner zu essen und zu schlafen ohne häufige Unterbrechungen infolge Dyspnoe,

  • Stabilität der Symptomatik und der arteriellen Blutgase über mindestens 24 Stunden,

  • die Reduktion der bedarfsorientiert eingesetzten inhalativen kurzwirksamen β2-Sympathomimetika auf weniger als 6x am Tage.

Vor der Entlassung sollten der Patient und/oder seine Angehörigen den Einsatz der für die Therapie der Erkrankung notwendigen Medikation kennen, die Inhalationstechniken beherrschen und gegebenenfalls über die weitere Durchführung der LOT und/oder NIPPV-Therapie informiert sein. Außerdem ist zu prüfen, ob der Patient einer Anschlussrehabilitation zuzuleiten ist, um erneuten Exazerbationen mit Krankenhausaufenthalten vorzubeugen.

Die weitere Versorgung muss in Zusammenarbeit mit dem Patienten, seinen Angehörigen, dem Hausarzt und dem Pneumologen gesichert sein. 4 - 6 Wochen nach der Entlassung sollte eine Überprüfung des Gesundheitszustandes mit Messung der Lungenfunktion, Kontrolle der Inhalationstechnik und der Kenntnisse über die notwendige Behandlung erfolgen.

Außerdem sollten die Meidung von Risikofaktoren, insbesondere der Verzicht auf Nikotinkonsum, die Notwendigkeit für eine LOT und/oder eine Heimbeatmung überprüft werden.

Der Patient muss eine korrekte Inhalationstechnik beherrschen sowie die Fähigkeit zur Erkennung einer Exazerbation [148] [360] und zur Einleitung von Selbsthilfemaßnahmen (Patientenschulung, Rehabilitation) erwerben.

Exazerbationsprophylaxe

Exazerbationen treten bevorzugt im Winter auf. Der Häufigkeitsgipfel liegt in den ersten 2 - 3 Monaten eines Jahres. In dieser Zeit sind Krankenhauseinweisungen wegen einer akuten Exazerbation bis zu 6-mal häufiger als in den Sommermonaten. Mit fortschreitendem Schweregrad der COPD nehmen das Exazerbationsrisiko und die Häufigkeit der stationären Behandlungen zu. Prädiktoren für ein erhöhtes Hospitalisierungsrisiko sind vorausgegangene Hospitalisierungen wegen Exazerbation chronische Mukushypersekretion, chronische respiratorische Globalinsuffizienz, chronisches Cor pulmonale sowie hohes Lebensalter in Verbindung mit Multimorbidität [324]. Angesichts der gesteigerten Morbidität, der geminderten Lebensqualität und des erhöhten Mortalitätsrisikos ist - auch aus ökonomischen Gründen - die Prävention der akuten Exazerbation ein wichtiges medizinisches Ziel.

Empfohlene Maßnahmen zur Exazerbationsprophylaxe sind:

  • Raucherentwöhnung (Evidenzgrad A),

  • Meidung von inhalativen Noxen (Arbeitsplatz, Hobby) und Kälte,

  • Schutzimpfungen (Influenza: Evidenzgrad A; Pneumokokken: Evidenzgrad D),

  • inhalative Anticholinergika [51] [52] [361] (Evidenzgrad A),

  • inhalative Glukokortikoide [54] [120] [168] [169] (Evidenzgrad A),

  • langwirksame β2-Sympathomimetika [54] [125] [168] [169] (Evidenzgrad A),

  • Patientenschulung (Evidenzgrad B).

Appendix A

Berufsbedingte Bronchitis

Im angloamerikanischen Sprachraum ist die „berufsbedingte Bronchitis” (occupational bronchitis) ein feststehender Begriff und wird als Folge einer Exposition gegenüber irritativ wirkenden Stäuben und Gasen am Arbeitsplatz angesehen.

Als gefährdend werden unter anderem Bergbautätigkeiten, Arbeiten mit Rohbaumwolle und in der Getreideverladung, Schweiß-, Koksofen-, Isolier- und Feuerlöscharbeiten genannt, als Noxen quarzhaltige Stäube, Baumwollstäube, Getreidestäube, Schweißrauche, Mineralfasern und irritativ wirksame Gase wie Ozon, Stickstoffdioxid und Chlorgas [362]. Die beruflich verursachte Bronchitis wird in der Regel als warnender Hinweis auf eine vermehrte Exposition gegenüber Irritantien des Atemtraktes anzusehen sein.

Bronchitis im Unfall- und Berufskrankheitenrecht

Die alleinige Bronchitis ohne obstruktive Lungenfunktionseinschränkung erfüllt in Deutschland nicht die unfallversicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 oder 2 des SGB 7. Dies liegt im Wesentlichen darin begründet, dass es für die nicht obstruktive Form der Bronchitis in arbeitsmedizinisch-epidemiologischen Studien bislang nicht ausreichend gelungen ist, ein Verdoppelungsrisiko zu belegen. Die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ist im Wesentlichen unter den BK-Nummern 4301, 4302, 1315 und 4111 möglich, wobei unter den erstgenannten drei Nummern die asthmatischen gegenüber den bronchitischen Erkrankungen im Vordergrund stehen [363]. Nach epidemiologischen Studien werden bei Beschäftigungen mit langjähriger Untertage-Tätigkeit im Steinkohlenbergbau Erkrankungen an chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem signifikant gehäuft angetroffen. Dies trifft auch zu, wenn radiologische Zeichen einer eindeutigen Silikose nicht vorliegen. Es gelang bei dieser Personengruppe, eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Einatmen der Staubmenge und der Häufigkeit des Auftretens von chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem nachzuweisen [364].

Zur Prüfung des Vorliegens der entsprechenden Berufskrankheit 4111 [364] [365] bedarf es der Errechnung der kumulativen Feinstaubdosis.

Die Dokumentation der Staubexposition im deutschen Steinkohlenbergbau ist seit den 60er Jahren praktisch lückenlos, so dass im Einzelfall nachvollziehbare Abschätzungen der kumulativen Feinstaubdosis möglich sind.

Die kumulative Feinstaubdosis ergibt sich aus der Feinstaubkonzentration in der Luft am Arbeitsplatz in mg/m3 multipliziert mit der Anzahl der Expositionsjahre, bezogen auf jährlich 220 gefahrene Schichten zu je 8 Stunden Dauer.

Weiterhin kann eine Bronchitis Begleiterkrankung einer Pneumokoniose sein, also einer Lungenveränderung durch eingeatmeten (quarzhaltigen) Staub. Sofern die entsprechenden unfallversicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, sind die funktionsanalytisch nachweisbaren obstruktiven Folgezustände unter der jeweils für die Substanz zutreffenden BK-Nummer zu entschädigen. [Tab. 15] enthält die obstruktiven Atemwegserkrankungen in der Fassung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997, [Tab. 16] mögliche Auslöser von Erkrankungen der Atemwege und Lunge, bei denen obstruktive Ventilationsstörungen vorkommen können.

Tab. 15 Obstruktive Atemwegserkrankungen nach der Liste der Berufskrankheiten in der Fassung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997
BK-Nr. 4301 „Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können”
BK-Nr. 4302 „Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können”
BK-Nr. 1315 „Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können”
BK-Nr. 4111 „Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m3) × Jahre]”
Tab. 16 Mögliche Auslöser von Erkrankungen der Atemwege und Lunge, bei denen im weiteren Sinne obstruktive Ventilationsstörungen vorkommen können
Auslöser BK-Nummer
Chrom 1103
Vanadium 1107
Fluor 1308
Quarz 4101, 4102
Asbest 4103
Aluminium 4106
Nickel 4109
Steinkohlengrubenstäube unter Tage 4111
Verschimmeltes Heu, Stroh, Pilze 4201
Rohbaumwolle, -Flachs, -Hanf 4202

Eine Bronchitis kann Folge eines Arbeitsunfalles sein, z. B. nach lokalisierten Entzündungen, Kontusion, Verletzung der großen Atemwege, Inhalationsintoxikation oder nach unfallbedingten neurologischen Erkrankungen.

Sofern haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität aus unfallversicherungsrechtlicher und gutachterlicher Sicht bejaht werden und ggf. die gefährdende Tätigkeit aufgegeben ist (BK 4302, 1315), ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom Gutachter einzuschätzen. Diese richtet sich nach anamnestischen, klinischen und funktionsanalytischen Kenngrößen. Von wesentlicher Bedeutung ist die Längsschnittbeurteilung der Erkrankung, d. h. es ist in aller Regel erforderlich, auf früher erstellte Originalbefunde zurückzugreifen. Ein Vorschlag zur gutachterlichen Wertung findet sich bei Kroidl u. Mitarb. [366].

Bronchitis im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht

Hinsichtlich des gutachterlichen Vorgehens im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht sei auf die Anhaltspunkte des Bundesministeriums für Arbeit- und Sozialordnung verwiesen [367].

Prävention am Arbeitsplatz

Als allgemeinen Staubgrenzwert hat die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Konzentration des alveolengängigen Anteils (bisher „Feinstaub”) von 1,5 mg/m3 und eine Konzentration des einatembaren Anteils (bisher „Gesamtstaub”) von 4 mg/m3 festgesetzt.

Überschreitungen sind zulässig, wobei die Höhe der zulässigen Überschreitungen das Zweifache des genannten allgemeinen Staubgrenzwertes nicht übertreffen sollte.

Nach gegenwärtigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand ist bei dauerhafter Einhaltung des allgemeinen Staubgrenzwertes nicht mit einer Gesundheitsgefährdung im Sinne einer chronischen Bronchitis zu rechnen. Der vorgesehene allgemeine Staubgrenzwert gilt nur, wenn sichergestellt ist, dass eine genotoxische, fibrogene, allergisierende oder sonstige toxische Wirkung des Staubes nicht zu erwarten ist.

Appendix B

Teilnehmerliste der Konsensuskonferenz zur COPD-Leitlinie am 30.10.2005 in Kassel

Herr Dr. Helmut Berck
Patientenliga Atemwegserkrankungen e. V.
Lindenstr. 26
55 130 Mainz
Patientenorganisationen

Frau Dr. Brigitte Bartuschka
Schillbachstr. 13
07 743 Jena
Gast

Frau Dr. Uta Butt
Bergstr. 13
57 223 Kreuztal-Ferndorf
Für das Protokoll

Herr Prof. Dr. Carl-Peter Criée
Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende
Med. Klinik, Abtlg. Beatmungsmedizin/Schlaflabor
Pappelweg 5
37 120 Bovenden/Lenglern
Deutsche Atemwegsliga e. V.

Herr Hans Dirmeier
Dtsch. Selbsthilfegruppe für Sauerstoff-Langzeit-Therapie(LOT) e. V.
Brunhuberstr. 23
83 512 Wasserburg
Patientenorganisationen

Herr Prof. Dr. Adrian Gillissen
Städt. Kliniken St. Georg, Robert Koch-Klinik
Nikolai-Rumjanzew-Str. 100
04 207 Leipzig
DGP

Herr Dr. Peter Kardos
Gemeinschaftspraxis & Zentrum für Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin
Klinik Maingau Frankfurt am Main
Scheffelstr. 33
60 318 Frankfurt
Deutsche Atemwegsliga, niedergelassene Pneumologen

Herr Prof. Dr. Dieter Köhler
Fachkrankenhaus, Kloster Grafschaft
Annostr. 1
57 392 Schmallenberg
DGP

Herr Dr. Michael Köhler
Abt. Med. Wissenschaft Sektionsleiter Pneumologie, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG
Bingerstr.
55 126 Ingelheim
Arzneimittelhersteller

Herr Prof. Dr. Helgo Magnussen
Krankenhaus Großhansdorf
Wöhrendamm 80
22 927 Großhansdorf
DGP

Frau Dorothea Pfeiffer-Kascha
Zentralverband der Physiotherapeuten/Krankengymnasten e. V.
Deutzer Freiheit 72 - 74
50 679 Köln
Physiotherapeuten

Herr Prof. Dr. Klaus F. Rabe
Department of Pulmonology, University of Leiden
Albinusdreef 9
2333 XA Leiden/Niederlande
GOLD

Herr Dr. Konrad Schultz
Fachklinik Allgäu
Peter-Heel-Str. 29
87 459 Pfronten-Ried
Sektion Prävention und Rehabilitation der DGP

Herr Dr. Helmut Sitter
Inst. f. theor. Chirurgie, Zentrum für op. Medizin
Klinikum der Phillips-Universität Marburg
Baldinger Str. 1
35 033 Marburg
Moderation

Herr Hans-Jürgen Smith
VIASYS Healthcare GmbH
Leibnizstr. 7
97 204 Höchberg
Gerätehersteller

Herr Dr. Diethard Sturm
Weinkellerstr. 20
09 337 Hohenstein-Ernstthal
Deutscher Hausärzteverband

Herr Prof. Dr. Helmut Teschler
Ruhrlandklinik
Tüschener Weg 40
45 239 Essen
Klinische Pneumologie

Herr Prof. Dr. Claus Vogelmeier
Universitätsklinikum, Schwerpunkt Pneumologie
Baldinger Str.
35 033 Marburg
Deutsche Atemwegsliga

Herr Karsten Wagner-Gillen
GlaxoSmith-Kline GmbH
Theresienhöhe 11
80 339 München
Arzneimittelhersteller

Herr Prof. Dr. Tobias Welte
Med. Hochschule Hannover, Pneumologie
Carl-Neuberg-Str. 1
30 625 Hannover
Deutsche Atemwegsliga

Herr Prof. Dr. Ralf Wettengel
Schillbachstr. 13
07 743 Jena
Deutsche Atemwegsliga

Herr Prof. Dr. Heinrich Worth
Med.Klinik I/Klinikum Fürth
Jakob-Henle-Str. 1
90 766 Fürth
Deutsche Atemwegsliga

Literatur

Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier

Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg

Baldingerstraße

35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de

Literatur

Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier

Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg

Baldingerstraße

35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de

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Abb. 1 Standardisierte Terminologie für klinische Algorithmen.

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Abb. 2 Diagnostik der COPD
Der Algorithmus beschreibt die differenzierte Abklärung der COPD.
GKP: Ganzkörperplethysmographie, Raw: Gesamtatemwegswiderstand, FRC: funktionelle Residualkapazität, BGA: Blutgasanalyse, DLCO: CO-Diffusionskapazität, KCO: CO-Transferkoeffizient (DLCO/VA), VA: alveoläres Volumen, COB: chronisch obstruktive Bronchitis.

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Abb. 3 Stufenplan für die Prophylaxe und Langzeittherapie der COPD.

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Abb. 4 Auswirkungen der COPD auf körperliche Belastbarkeit, Lebensqualität und Psyche.

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Abb. 5 Sputumdiagnostik bei Patienten mit akuter Exazerbation der COPD.

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Abb. 6 „Management der Exazerbation der COPD”.

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Abb. 7 Stationäre Therapie der Exazerbation der COPD.