Zusammenfassung
Häufige Ursachen von Handinfektionen sind initial bagatellisierte Minimalläsionen.
Dass eine effektive Lokaltherapie trotz manifester Infektionszeichen oftmals verschleppt
wird, ist eine Konsequenz dieser Fehleinschätzung. Wir haben postuliert, dass bestimmte
Verletzungsformen mit einer besonders hohen Neigung zur Bagatellisierung korrelieren.
Zur Prüfung dieser Hypothese wurden die Behandlungsverläufe von 105 in den Jahren
2001 bis 2003 stationär und operativ behandelten Patienten prospektiv erfasst und
analysiert. Abhängig von der Latenz zwischen Trauma und dem Beginn unserer Behandlung
haben wir diese Patienten in zwei Gruppen unterteilt (Schwellwert 48 Stunden). Kriterien,
die in der Gruppe der besonders langen Behandlungsverzögerung signifikant häufiger
gefunden wurden, waren Verletzungsformen, die Folge von Schnitt- oder Stichverletzungen
sowie oberflächlich und punktförmig waren. Außerdem wurden hier stärkere Schmerzintensitäten
angegeben und Lymphknotenschwellungen häufiger gefunden. Ferner fanden sich in dieser
Gruppe vermehrt Patienten, die uns erst nach externer Vorbehandlung zugewiesen worden
waren. Auch mussten im Vergleich mehr Operationen erfolgen. Abgeleitet aus diesen
Befunden kann mithilfe eines Scoring-Systems ein Maß für den potenziellen Grad der
Fehleinschätzung errechnet werden. Damit steht ein Instrument zur Verfügung, das bei
der Entscheidungsfindung helfen kann, einen Patienten frühzeitig in ein handchirurgisches
Zentrum zur Mitbehandlung zu überweisen.
Abstract
Frequently, the timely onset of adequate treatment is delayed when a hand infection
is the result of minor trauma. The patients as well as the physicians are tempted
to underestimate this complication. To prove that certain forms of trauma correlate
with the degree of underestimation, we have prospectively studied the cases of 105
patients who required hospitalisation and surgical interventions between 2001 and
2003. We defined a cut-off point at 48 hours following trauma and differentiated between
patients who appeared within this period from those who came later. Lesions at the
fingertips, superficial and punctual injuries were more frequent among patients belonging
to the group with the longer delay of treatment onset. Also pain was more intense
and swelling of axillary lymph nodes was seen in this group more often. Patients who
had been treated elsewhere before, were commonly found in this group as well. Patients
who came within 48 hours following trauma required less surgical procedures. Also
hospitalisation was shorter. Using a discriminant analysis, we calculated a linear
equation to calculate a score, which helps to assess the individual degree of underestimation.
This scoring system can help to identify patients who would benefit from early surgical
treatment of the hand.
Schlüsselwörter
Handinfektion - Erstbehandlung
Key words
hand infection - first treatment
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Priv.-Doz. Dr. med. Bert Reichert
Klinik für Plastische, Wiederherstellende und Handchirurgie
Zentrum für Schwerbrandverletzte
Klinikum Nürnberg-Süd
Breslauer Straße 201
90471 Nürnberg
Email: bert.reichert@klinikum-nuernberg.de