Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 67(10): 1126-1131
DOI: 10.1055/s-2007-965677
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Dilemma des frühen vorzeitigen Blasensprunges: Entbinden oder abwarten?

The Dilemma of Preterm Premature Rupture of Membranes: Prolongation of Pregnancy or Delivery?M. Schmidt1 , V. Dietrich1 , R. Callies1 , A. Stein2 , R. Kimmig1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • 2Klinik für Pädiatrie I, Universitätsklinikum Essen, Essen
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Publication History

eingereicht 11.6.2007 revidiert 26.6.2007

akzeptiert 13.8.2007

Publication Date:
24 October 2007 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung: Ein früher vorzeitiger Blasensprung ist ein ätiologisch bedeutsamer Faktor der Frühgeburtlichkeit und der damit verbundenen perinatalen Mortalität und Morbidität. Das optimale klinische Management bei frühem vorzeitigem Blasensprung und insbesondere der ideale Entbindungszeitpunkt werden kontrovers diskutiert. Die Analyse des klinischen Verlaufs bei Patientinnen mit vorzeitigem Blasensprung vor der 34. SSW soll einen Beitrag zur Frage des optimalen Entbindungszeitpunktes leisten. Material und Methoden: Wir analysierten retrospektiv den klinischen Verlauf und das fetale Outcome bei 178 Patientinnen, die aufgrund eines frühen vorzeitigen Blasensprunges vor der 34. SSW an der Universitätsfrauenklinik Essen behandelt wurden. Ergebnisse: 81,2 % der Schwangerschaften wurden innerhalb einer Woche nach vorzeitigem Blasensprung entbunden, die mediane Prolongation betrug weniger als 4 Tage. Bei 64 % konnte ein kompletter Lungenreifezyklus über 48 Stunden erzielt werden. Histologisch wurde in 55 % der Fälle Zeichen einer Chorionamnionitis beschrieben. 52 Kinder (27,2 %) zeigten postpartal Zeichen einer Sepsis, mit zunehmender Prolongationszeit nahm die Häufigkeit der neonatalen entzündlichen Komplikationen zu. 86,7 % der Neugeborenen wurden nach stationärer Behandlung nach Hause entlassen. 3 Kinder verstarben bei Entbindung nach der 28. SSW. Hiervon hatten 2 Kinder komplexe Fehlbildungssyndrome. Intrakranielle Blutungen 3. und 4. Grades wurden bei Entbindung nach der 30. SSW nicht beobachtet. Schlussfolgerung: Da eine längerfristige Prolongation aufgrund des sich typischerweise ausbildenden Amnioninfektionssyndroms häufig nicht möglich ist und mit längerer Prolongationszeit septische Komplikationen des Neugeborenen zunehmen, sollte die Indikation zur Entbindung beim frühen vorzeitigen Blasensprung großzügig gestellt werden. Aufgrund des guten neonatalen Outcomes nach der 30. SSW ist der Nutzen einer Prolongation über 48 Stunden hinaus als fragwürdig anzusehen.

Abstract

Purpose: Preterm premature rupture of membranes (PPROM) is a major reason for preterm delivery and subsequent perinatal morbidity and mortality. There is some controversy over the optimal clinical management and time of delivery with PPROM. The analysis of the clinical data of patients with preterm premature rupture of membranes should contribute to this discussion. Material and Methods: We retrospectively analyzed the clinical course and fetal outcome of 178 patients with preterm premature rupture of membranes before 34 weeks of pregnancy in our clinic. Results: 81.2 % of patients delivered within one week after rupture of membranes; the median time of prolongation of pregnancy was less than 4 days. In 64 % a single course of antenatal corticoid therapy was administered due to a prolongation of at least 48 hours. We found histological signs of chorionamnionitis in 55 %. 27.2 % of the newborns had clinically proven sepsis; this rate increased with the duration of prolongation. 86.7 % of newborns could be discharged home after clinical therapy. Intracerebral hemorrhage grade three and four did not occur in neonates delivered after 30 weeks' gestation. Three newborns died postpartum after delivery at 28 weeks; two of them had complex malformations. Discussion: As the chances of long-term prolongation of the pregnancy after preterm rupture of membranes are low and the likelihood of septic complications in the newborn increases with longer prolongation, early delivery is recommended after preterm rupture of membranes. Due to good neonatal survival and outcome, prolongation for more than 48 hours after the 30th week of pregnancy is questionable.

Literatur

Dr. med. Markus Schmidt

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Universitätsklinikum Essen

Hufelandstraße 55

45122 Essen

Email: markus.schmidt@uk-essen.de