Z Orthop Unfall 2007; 145(1): 8-11
DOI: 10.1055/s-2007-965859
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Osteoporose - Leitlinien in der Orthopädie und Unfallchirurgie

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Publication Date:
08 March 2007 (online)

 
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Der Funktionsverlust bei Osteoporose kann (i) aus einer Störung in der Skelettentwicklung mit der Konsequenz unzureichender Ausbildung von Knochenmasse und Stabilität; (ii) übersteigerter Knochenresorption mit Folge eines Knochenmasseverlustsyndroms und Zerstörung trabekulärer Mikroarchitektur oder (iii) unzureichender Knochenformation nach Resorption im Remodelingprozess resultieren.

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Medizinische, soziale und ökonomische Herausforderung

Diese direkt auf die knöcherne Mikroarchitektur wirkenden Faktoren sind in Kombination mit einer gesteigerten Fallneigung ursächlich für die hohe Inzidenz von Frakturen nach niederenergetischen Traumen bei Osteoporosepatienten verantwortlich (Abb. [1]). Die Frakturhäufigkeit übertrifft dabei die kombinierte Inzidenz von Mammakarzinom, Schlaganfall und Herzinfarkt bei weitem und stellt dadurch nicht nur eine massive klinische Aufgabe sondern auch eine enorme soziale und ökonomische Herausforderung dar.

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Abb. 1 Kontaktradiographie der Lendenwirbelsäule (LWS) mit strukturellen Besonderheiten im Rahmen der Osteoporoseentwicklung. A: intakte Mikroarchitektur der LWS bei einer 76-jährigen Patientin; B: Ausbildung einer strukturellen Heterogenität mit osteoporosebedingter Kompressionsfraktur von LWK 1 bei einer 51-jährigen Patientin mit post-menopausaler Osteoporose; C: Vollbild einer Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen bei einer 78-jährigen Patientin. Kontaktradiographien, 4 mm dicke sagittale Ebene der LWS (LWK 1-5) (Bild: Autor).

In Folge einer stetig steigenden Lebenserwartung zählt die Osteoporose laut WHO mittlerweile zu den zehn häufigsten Erkrankungen mit derzeit ca. 5 Millionen Betroffenen in Deutschland und weit mehr als 45 Millionen weltweit. Gleichwohl ist die Osteoporose keine neue Erkrankung, sondern in der wissenschaftlichen Literatur seit fast 200 Jahren dokumentiert. Bereits im frühen 19. Jahrhundert beschrieb der englische Chirurg Sir Astley Cooper, dass die im Alter erworbene Leichtigkeit und Erweichung des Knochens deutlich die Entstehung von Frakturen begünstigt. Der Endokrinologe Fuller Albright hat in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts die postmenopausale Osteoporose als eine gestörte Knochenneubildung auf dem Boden eines Östrogenmangels beschrieben. In der Folge wurde daraufhin das Konzept zweier unterschiedlicher Osteoporoseformen vertreten, der Typ 1 als menopausal bedingte Östrogenmangel-Osteoporose und der Typ 2 als Kalziummangelassoziierte senile Osteoporose. Diese Vorstellungen sind durch das aktuelle Konzept der Osteoporose als multikausalem Prozess, in dem unterschiedliche pathogenetische Mechanismen zusammenwirken und einen Verlust an Knochenmasse und knöcherner Mikroarchitektur bewirken, ersetzt worden.

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Mortalität bei Osteoporose oft erhöht

Oft kann die Osteoporose über viele Jahre asymptomatisch sein bis es zu Frakturen kommt, die einerseits mit funktionellen Defiziten, Einschränkungen in der Lebensqualität, vermehrter Pflegebedürftigkeit aber andererseits aber auch mit erhöhter Mortalität einhergehen. Untersuchungen zu hüftgelenksnahen Frakturen haben gezeigt, dass die 6-Monatssterblichkeit mit 20-25 % drastisch erhöht ist. Auf diesem Hintergrund sind von großer Bedeutung, Patienten mit hohem Erkrankungsrisiko frühzeitig zu identifizieren, über Präventionsmaßnahmen aufzuklären und bereits Erkrankte rechtzeitig zu identifizieren und zu therapieren.

Vor allem nach stattgehabter Fraktur nimmt der Unfallchirurg bzw. traumatologisch versierte Orthopäde dabei eine Schlüsselrolle ein, da er in der Regel die Akut- und Erstversorgung übernimmt und somit, noch während des stationären Aufenthaltes, die diagnostische Abklärung vornehmen und eine antiosteoporotische Therapie einleiten kann bzw. vor dem Hintergrund der aktuellen Osteoporose S3 Leitlinien der DVO (Dachverband Osteologie) aus medikolegalen Gründen auch muss. Dies erscheint umso wichtiger, nachdem in Studien belegt werden konnte, dass die Einleitung einer spezifischen Pharmakotherapie mit Bisphosphonaten altersunabhängig das Risiko von Folgefrakturen deutlich verringert.

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Empfehlungen zur Einleitung einer Basisdiagnostik

In der unfallchirurgischen Klinik sollte eine leitliniengerechte Basisdiagnostik zunächst unabhängig vom Alter bei allen Patienten mit peripheren Frakturen nach Bagatelltraumata durchgeführt werden. Es besteht jedoch oft eine gewisse Unsicherheit, welche Frakturen auf eine erniedrigte Knochenfestigkeit und welche durch eine übermäßig hohe Krafteinwirkung bedingt sind. In der Regel ist von osteoporotisch bedingten Frakturen nach Stürzen aus geringer Höhe oder aus dem Stand auszugehen. Der Risikofaktor für Folgefrakturen bei peripheren Frakturen besitzt zwar nicht die gleiche Stärke wie bei Sinterungsfrakturen der Wirbelkörper, jedoch konnte in Studien für zahlreiche periphere Frakturlokalisationen eine eindeutige Beziehung beschrieben werden.

Stressfrakturen, die gehäuft bei jungen Patienten vorkommen, stellen eine Besonderheit dar. Obwohl eine erniedrigte Knochenfestigkeit als Risikofaktor für Frakturen nach wiederholter mechanischer Belastung möglich ist, besteht bei derzeitiger Datenlage kein kausaler Zusammenhang, so dass sie nicht als osteoporotisch bedingte Frakturen zu werten sind. Die Indikation zur Durchführung einer Basisdiagnostik muss individuell getroffen werden.

Patienten ohne Frakturen aber mit radiologisch erkennbarem Verlust an Trabekelstrukturen sollten nicht generell einer spezifischen Diagnostik zugeführt werden. Das konventionelle Röntgen kann erst bei massivem Strukturverlust auf eine mögliche Osteoporose hinweisen. Wagner et al. konnten zeigen, dass selbst bei einem T-Wert von -3,0 in der Knochendichtemessung 10-20 % der erhobenen Befunde aus den konventionellen Aufnahmen falsch negativ gewertet wurden. Eine leitliniengerechte Basisdiagnostik sollte daher nur bei weiteren Risikofaktoren (proximale Femurfraktur eines Elternteils, periphere Frakturen nach Bagatelltrauma, Nikotinabusus, multiple Stürze, Immobilität) veranlasst werden.

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Basisdiagnostik

Die empfohlene Basisdiagnostik beinhaltet Anamnese mit Erfassung der osteoporotischen Risikofaktoren, klinischen Befund, DXA-Knochendichtemessung und Basislabor sowie eine Röntgendiagnostik der Brust- und Lendenwirbelsäule. Ziel ist es, basierend auf dem persönlichen Risikoprofil ein 10-Jahres-Frakturisiko zu ermitteln und davon abhängig - gemäß der aktuellen DVO Leitlinie - die Indikation zur spezifischen medikamentösen Behandlung zu stellen.

Da osteoporotische Wirbelkörperfrakturen für die Prognose weiterer Frakturen entscheidend sind, sollte bei neu aufgetretenen oder chronischen Schmerzen ohne vorangegangenes akutes Ereignis im Bereich der Wirbelsäule sowie bei Abnahme der Körpergröße >2 cm Wirbelkörperfrakturen radiologisch ausgeschlossen werden. Klinische Tests wie der Timed-up-and-go-Test oder Chair-raising-Test, können Aufschlüsse über Muskelkraft, Koordination, Gang- und Balancestörungen geben und lassen damit das individuelle Sturzrisiko abschätzen. Stürze bzw. Beinahe-Stürze sollten erfragt und dokumentiert werden.

Vor allem bei jüngeren Patienten mit unklaren Frakturen sollte anamnestisch unbedingt das Vorliegen sekundärer Osteoporosen ausgeschlossen werden, die einer gezielten weiteren Diagnostik bedürfen. Sekundäre Osteoporosen sind mit 5 % vergleichsweise selten und können mit einer sehr unterschiedlichen Frakturrisikoerhöhung einhergehen. Zu den wichtigsten Formen gehört der Hypogonadismus, der Hyperkortisolismus, der primäre Hyperparathyreodismus, die systemische Gabe von Glykokortikoiden, die höhergradige Niereninsuffizienz mit Kreatininwerten zwischen 2-3 mg/dl, der Diabetes mellitus II, die Malassimilation, die Einnahme von Antiepileptika sowie die Anorexia nervosa.

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Knochendichtemessung

Das Kernstück der Basisdiagnostik stellt die Messung der Knochendichte dar. Für die Abschätzung der Frakturrisikoprognostik steht zwar eine Vielzahl von Messverfahren (quantitative Ultraschallverfahren, quantitative CT) zur Verfügung, doch stellt aufgrund des bisherigen Mangels an entsprechenden Vergleichsdaten im Schrifttum die Dual-X-Ray-Absorptiometrie (DXA) den gegenwärtigen Goldstandard dar. Aus diesem Grunde sind die auf T-Werte bezogene Therapieempfehlungen der DVO-Leitlinie nur auf DXA-Werte anwendbar.

Es wird daher empfohlen die DXA-Osteodensitometrie sowohl an Lendenwirbelsäule als auch an beiden proximalen Femora durchzuführen, wobei für die Abschätzung des 10-Jahres-Frakturrisikos der niedrigste gemessene DXA-Wert heranzuziehen ist. Dabei ist zu beachten, dass nach Wirbelkörperfrakturen oder bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen es zu falsch hohen DXA-Werten im Bereich der Wirbelsäule kommen kann. In diesem Fall sollten lediglich die Werte der proximalen Femora herangezogen werden. Der Befund einer normalen Knochendichtemessung bei vorliegenden Wirbelkörperfrakturen sollte zu differentialdiagnostischen Überlegungen und Ausschluss von sekundären Osteoporosen veranlassen.

Bei der seltenen Konstellation einer beidseitigen Hüftendoprothese und osteoporotischen Lendenwirbelkörperfrakturen ist eine aussagekräftige Beurteilung der Knochendichtemessung oftmals nicht möglich, so dass hier von niedrigen Knochendichtewerten ausgegangen werden darf und eine suffiziente medikamentöse Therapie eingeleitet werden muss.

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Laborparameter

Ein weiterer Pfeiler der Basisdiagnostik stellt die Erhebung laborchemischer Parameter dar (Tab. [1]). Diese sollten immer durchgeführt werden, wenn Frakturen nach Bagatelletraumata der Anlass zu einer Osteoporose-Diagnostik war. Hierdurch können weitestgehend die wichtigsten sekundären Osteoporosen und andere differentialdiagnostisch in Frage kommende Osteopathien bzw. Ursachen für eine erniedrigte Knochendichte ausgeschlossen werden. In klinischen Studien (Study of Osteoporotic Fractures; FIT-Studie) konnte vor allem die Hypothyreose mit erniedrigtem TSH als Risikofaktor für postmenopausale bzw. vertebrale Frakturen identifiziert werden.

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Tab. 1 Basislabor und weiterführende Parameter im Rahmen der Basisdiagnostik zum Ausschluss sekundärer Osteoporosen und anderer differentialdiagnostisch in Frage kommender Osteopathien.

Bei unklaren sekundären Osteoporosen oder Osteopathien mit Frakturen nach minimalenergetischem Trauma, bei denen eine abschließende differentialdiagnostische Einordnung der bestehenden Osteopathie allein auf der Basis der erhobenen nicht-invasiven Diagnostik nicht möglich ist, sollte eine transiliakale Beckenkammbiopsie durchgeführt werden. Die anschließende unentkalkte histologische Aufarbeitung erlaubt eine Beurteilung hinsichtlich des Knochenmineralisationsstatus (Osteomalazie), ermöglicht eine zelluläre und strukturelle statische Histomorphometrie sowie die histopathologische Untersuchung bezüglich möglicher sekundärer Osteopathien (z. B. Mastozytose-assoziierte Osteoporose). Somit hat auch heute die Beckenkammbiopsie in diesen besonderen Fällen einen wichtigen Stellenwert in der osteologischen Diagnostik.

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Therapie

Der entscheidende Schritt in der Akutversorgung ist je nach Schwere der Verletzung die rasche operative bzw. konservative Frakturversorgung mit Herstellung einer Übungs- bzw. Belastungsstabilität. Ziel ist die schnellstmögliche Mobilisierung, Rehabilitation und Wiedereingliederung in den Alltag. Nur hierdurch lässt sich das Risiko von postoperativen Komplikationen, schwerwiegenden Deformitäten und dauerhafter Invalidität minimieren. Bereits eine verzögerte Frakturversorgung von 1-2 Tagen führt postoperativ zu einer deutlich höheren Mortalität. Begleitend bzw. unterstützend sollte in der Akutphase eine adäquate Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema ggf. unter konsiliarischer Mitbetreuung eines Schmerz- und Physiotherapeuten durchgeführt werden. Bei therapieresistenten Schmerzen nach Wirbelkörperfrakturen kann eine Kyphoplastie bzw. Vertebroplastie in Erwägung gezogen werden.

Dem frakturversorgenden Chirurgen bzw. Orthopäden obliegt die verantwortungsvolle Aufgabe nach o.g. Basisdiagnostik die Prävention zur Vermeidung weiterer Frakturen und vor allem die spezifische antiosteoporotische Therapie festzulegen, einzuleiten und dafür Sorge zu tragen, dass die Therapie auch nach dem stationären Aufenthalt durch den Hausarzt fortgeführt wird. Bedauerlicherweise belegen Studien, dass weniger als 10 % der Patienten mit stattgehabter osteoporotischer Fraktur in der Folge leitliniengerecht therapiert werden, obwohl ein bis zu sechsfach erhöhtes Folgefrakturrisiko bekannt ist.

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Basismaßnahmen

Unabhängig von einer Fraktur und vom Alter sollten bei allen Risikopatienten Basismaßnahmen eingeleitet werden. Hierbei gilt es, den Patienten schon während des stationären Aufenthaltes eingehend über die chronische Erkrankung "Osteoporose" aufzuklären, umso durch Verhaltensänderungen sowohl in der Prophylaxe als auch Therapie einen optimalen Erfolg erzielen zu können. Ein wesentlicher Faktor der Prävention ist die regelmäßige körperliche Aktivität mit der Zielsetzung Muskelkraft und Koordination zu fördern um so das Sturzrisiko bzw. die Fallneigung zu minimieren. Bei hohem Sturzrisiko sollte eine gezielte Sturzabklärung mit Einleitung einer Therapie der vermeidbaren Sturzursachen erfolgen. Daneben sollten die beeinflussbaren Risikofaktoren wie Nikotinabusus und Untergewicht reduziert sowie die begleitende medikamentöse Therapie mit Einfluss auf den Knochenstoffwechsel überprüft und angepasst werden.

Zu den Basismaßnahmen gehört aus mehreren Gründen die begleitende Supplementation von Kalzium und Vitamin D. Eine verminderte Kalziumaufnahme sowie verringerte alters- oder krankheitsbedingte intestinale Kalziumresorption können ebenso wie eine Vitamin-D-Defizienz zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen. Das aktive D-Hormon, 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D (Calcitriol), ist nicht nur für die optimale Kalzium- und Phosphataufnahme aus dem Darm essenziell, sondern hat darüber hinaus einen inhibitorischen Effekt auf die Parathormonsynthese, so dass hier ein dualer Regelkreis vorliegt, der zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen kann. Ein Vitamin-D-Mangel und ein sekundärer Hyperparathyreoidismus tragen nicht nur zu einem beschleunigten Knochenmasse- und Knochenstabilitätsverlust bei, sondern begünstigen über die neuromuskuläre Achse auch das Auftreten von Stürzen.

Klinische Studien mit älteren Patienten, die eine Hochrisikogruppe für Kalzium- und Vitamin-D-Mangelsituationen darstellen, haben gezeigt, dass die Supplementation von Kalzium und Vitamin D den sekundären Hyperparathyreoidismus beseitigen, den Knochenabbau verlangsamen, die Knochenmasse steigern, die Frakturrate vermindern und sogar die Sturzhäufigkeit signifikant verringern kann. Eigene laufende Untersuchungen zum Skelettstatus zeigen, dass ein latenter Vitamin-D-Mangel in Deutschland wesentlich höher ist als es bisherige US-amerikanische Studien vermuten lassen. In der Folge weisen bis zu 90 % des untersuchten Kollektives einen latenten Vitamin-D-Mangel und 20 % eine manifeste Mineralisationsstörung mit pathologischer Osteoidvermehrung auf.

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Spezifische medikamentöse Therapie

Die Einleitung einer spezifischen medikamentösen Therapie sollte gemäß den DVO-Leitlinien 2006 erfolgen (Tab. [2]). Diese ist im Gegensatz zu den bisherigen Empfehlungen nicht mehr allein von dem T-Wert der DXA-Osteodensitometrie abhängig, sondern bezieht Lebensalter und Risikofaktoren mit ein. Die Ausnahme stellen osteoporotische Wirbelkörperfrakturen dar, bei denen unabhängig vom Alter bei einem T-Wert < -2,0 umgehend mit einer spezifischen Therapie begonnen werden sollte. Ebenso stellen zwei oder mehr Wirbelkörperfrakturen sogar unabhängig von der gemessenen Knochendichte eine sofortige Therapieindikation dar. Beim Vorliegen von Risikofaktoren oder peripheren Frakturen besteht die Möglichkeit, durch Senken des T-Wertes um maximal einen Punkt die nächsthöhere Therapieschwelle zu erreichen. Eine prophylaktische medikamentöse Pharmakotherapie zur Prävention eines in späteren Jahren auftretenden erhöhten Frakturrisikos ist bislang nicht belegt und scheint daher derzeit nicht sinnvoll oder empfehlenswert.

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Tab. 2 Indikation zur Einleitung einer spezifischen medikamentö­sen Therapie nur anwendbar auf DXA-Werte nach abgeschlossener Basisdiagnostik.

Bei den spezifischen Medikamenten, die Einfluss auf die Knochenfestigkeit haben, wird zwischen antiresorptiven Medikamenten (Alendronat, Ibandronat, Risendronat, Raloxifen und Östrogene), die den Knochenabbau hemmen und anabolen Medikamenten (Strontiumranelat, Teriparatid, PTH 1-84), die den Knochenanbau fördern, unterschieden. Für alle Medikamente ist eine Senkung von Folgewirbelkörperfrakturen bewiesen und mit Ausnahme von Raloxifen ist auch eine Minimierung des Risikos für periphere Frakturen belegt (Empfehlungsgrad A).

Da es bislang keine Kriterien bezüglich Alter, Frakturtyp, Knochenumbau etc. gibt, für das eines dieser Medikamente speziell fraktursenkend wirkt, muss die Therapie individuell unter Beachtung der Durchführbarkeit, Compliance und Nebenwirkungen in Übereinkunft mit dem Patienten erfolgen. Bezüglich der Dosierung gibt es für alle Medikamente nur eine zugelassene Form für die tägliche, wöchentliche oder monatliche Applikation. Mit Ausnahme von Strontiumranelat gibt es in bisherigen Studien keine Evidenz, dass es mit Steigerung der Dosis zu einer weiteren signifikanten Abnahme von Folgefrakturen kommt.

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Biphosphonate

Bei den Bisphosphonaten besteht neben der oralen Gabe die Möglichkeit, diese bei Unverträglichkeiten des Patienten auch intravenös (Ibondronat) zu verabreichen. In einer klinischen Phase III Studie (HORIZON-Fraktur-Studie) konnte nach einmal jährlicher i.v. Applikation von Zoledronat zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose die Inzidenz für Wirbelkörper- und proximale Femurfrakturen im Vergleich zur Plazebogruppe signifikant gesenkt werden. Eine Zulassung für die Behandlung der Osteoporose ist für 2007 erwartet.

Raloxifen, das der Substanzklasse der selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) angehört, wirkt in Bezug auf den Knochenstoffwechsel analog der Östrogene resorptionshemmend. In einer großen klinischen Studie (MORE-Studie) konnte die Inzidenz zum einen von Wirbelkörperfrakturen und zum anderen von Östrogen-Rezeptor-positiven Mammakarzinomen deutlich gesenkt werden.

Obwohl konstante Erhöhungen des Parathormons (PTH) wie im Falle des Hyperparathyreodismus zu einer überwiegenden Aktivierung der Osteoklasten mit daraus resultierendem Knochenabbau führt, entfaltet das synthetisch hergestellte Parathormon seine osteoanabole Wirkung über das 1-34 N-terminale Fragment des PTH. Diese Sequenz bewirkt eine Bindung des PTH-Rezeptors an die osteoblastären Zellen. Seit April 2006 zugelassen ist das ungekürzte Parathormon 1-84, das mit 84 Aminosäuren zusätzliche die C-terminale Region beinhaltet. Teriparatid (Forsteo®) und PTH 1-84 (Preotact®) werden im Gegensatz zu den anderen Medikamenten subkutan verabreicht und konnten ebenfalls die Inzidenz für Wirbelkörper- und periphere Frakturen senken. Ein weiteres osteoanaboles Medikament ist das Strontiumranelat. Es wird vermutet, dass es zu einer Aktivierung Kationen-sensitiver Rezeptoren an der Oberfläche der Knochenzellen kommt. Es steigert zum einen die Proliferation von Osteoprogenitorzellen und hemmt zum anderen die Resorptionsfähigkeit der Osteoklasten. Für Strontiumranelat konnte ebenfalls eine Verminderung von Wirbelkörper- und peripheren Frakturen nachgewiesen werden. Die Applikation erfolgt in Form einer Suspension aus Granulat mit einer Dosierung von 2g/d. Die Therapiedauer aller o.g. Medikamente sollte 3-5 Jahre betragen, wobei zu beachten ist, dass die Behandlung mit PTH 1-34 auf 18 Monate bzw. mit PTH 1-84 auf 24 Monate beschränkt ist. Während eine klinische Kontrolle nach Therapiebeginn halbjährlich durch den Hausarzt erfolgen sollte, ist eine erneute Knochendichtemessung alle 18-24 Monate zu empfehlen.

Literatur beim Verfasser

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Prof. Dr. Michael Amling [1],[2]

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Dr. Sebastian Seitz [1],[2],[3]

01 Zentrum für Biomechanik und Skelettbiologie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, 20246 Hamburg

02 Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg,    Email: amling@uke.uni-hamburg.de

03 Chirurgische Klinik und Poliklinik - Innenstadt, Ludwig Maximilians Universität München, Nussbaumstr. 20, 80336 München

01 Zentrum für Biomechanik und Skelettbiologie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, 20246 Hamburg

02 Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg,    Email: amling@uke.uni-hamburg.de

03 Chirurgische Klinik und Poliklinik - Innenstadt, Ludwig Maximilians Universität München, Nussbaumstr. 20, 80336 München

 
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Abb. 1 Kontaktradiographie der Lendenwirbelsäule (LWS) mit strukturellen Besonderheiten im Rahmen der Osteoporoseentwicklung. A: intakte Mikroarchitektur der LWS bei einer 76-jährigen Patientin; B: Ausbildung einer strukturellen Heterogenität mit osteoporosebedingter Kompressionsfraktur von LWK 1 bei einer 51-jährigen Patientin mit post-menopausaler Osteoporose; C: Vollbild einer Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen bei einer 78-jährigen Patientin. Kontaktradiographien, 4 mm dicke sagittale Ebene der LWS (LWK 1-5) (Bild: Autor).

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Tab. 1 Basislabor und weiterführende Parameter im Rahmen der Basisdiagnostik zum Ausschluss sekundärer Osteoporosen und anderer differentialdiagnostisch in Frage kommender Osteopathien.

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Tab. 2 Indikation zur Einleitung einer spezifischen medikamentö­sen Therapie nur anwendbar auf DXA-Werte nach abgeschlossener Basisdiagnostik.

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Prof. Dr. Michael Amling [1],[2]

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Dr. Sebastian Seitz [1],[2],[3]