Mehr Menschenleben durch eine effektivere Reanimation zu retten - das ist das Ziel
der überarbeiteten Richtlinien zur kardiopulmonalen Reanimation, die am 28.November
2005 von internationalen Expertenkommissionen zeitgleich in Europa und in den USA
in den Zeitschriften „Resuscitation” und „Circulation” veröffentlicht wurden. Vorausgegangen
war eine mehr als zweijährige Vorbereitungsphase, innerhalb derer Experten des European
Resuscitation Council (ERC), der American Heart Association (AHA) und weiterer Organisationen
im Rahmen des multidisziplinären International Liaison Committee on Resuscitation
(ILCOR) die neuen Erkenntnisse umfassend gesichtet und bewertet hatten.
Wie sind die Richtlinien entstanden?
Das wichtigste Treffen, an dem 380 Experten teilnahmen, fand im Januar 2005 in Dallas
(Texas) statt. Zur Vorbereitung dieses Treffens wurden zu ca. 450 Themen unter Berücksichtigung
der gesamten Literatur worksheets erstellt, welche auch im Internet verfügbar sind
(www.c2005.org). Nach ausführlicher Diskussion wurden die Behandlungsempfehlungen
nach ihrer Fundiertheit klassifiziert. Das CoSTR-Dokument („consensus on science and
treatment recommendations”) der ILCOR fasst die gesamte wissenschaftliche Evidenz
für alle behandelten Bereiche der Reanimation zusammen und bewertet die verfügbaren
Studien. Basierend auf diesem CoSTR-Dokument haben dann sowohl das ERC als auch die
AHA eigene und in vielen Punkten identische CPR-Guidelines erstellt.
Die neuen europäischen Richtlinien zur kardiopulmonalen Reanimation
Mit den neuen europäischen Richtlinien des ERC liegt nun eine internationale Leitlinie
vor, die in einer der nächsten Ausgaben von Intensivmedizin up2date ausführlich dargestellt
werden wird. Die Richtlinien sind zusammen mit dem ihnen zugrunde liegenden CoSTR-Dokument
auch auf der Homepage des European Resuscitation Council (www.erc.edu) abrufbar. Einige
der wichtigsten Neuerungen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Der neue Reanimationszyklus: Verhältnis von Kompression zu Beatmung
Bei Atem- und Kreislaufstillstand wird das Verhältnis von Herzdruckmassage zu Beatmung
von bisher 15 : 2 auf jetzt 30 : 2 erhöht. Diese neue Regel soll auch bei 2 Helfern
angewendet werden. Einzige Ausnahme ist die Wiederbelebung von Kindern (außer Neugeborenen)
durch 2 professionelle Helfer, bei der weiterhin ein Verhältnis von 15 : 2 gilt.
Außerdem sollen Laien-Ersthelfer nicht mehr nach komplizierten Zeichen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand
suchen, bevor sie eine Herzmassage beginnen. Bei Erwachsenen wird zudem auf die initiale
Beatmung verzichtet.
Defibrillatoren auch an öffentlichen Orten mit hohem Publikumsverkehr
Die neuen Richtlinien schlagen vor, dass an Orten mit hohem Publikumsverkehr Defibrillatoren
installiert werden, die von Laien bedient werden können.
Defibrillationsmodus
Eine Defibrillationssequenz mit 3 Schocks ist nicht mehr vorgesehen. Ab sofort soll
bei initialem Kammerflimmern oder ventrikulärer Tachykardie nur noch einmal pro Zyklus
defibrilliert werden. Daran schließt sich unmittelbar eine 2-minütige Herzmassage
an. Mit dieser soll also nicht mehr gewartet werden, bis der Herzrhythmus analysiert
ist, denn jede auch kurze Unterbrechung der Herzmassage verschlechtert die Prognose.
Hypothermie und Thrombolyse können Leben retten
Bewusstlose Patienten, die nach einem Herzstillstand in das Krankenhaus eingeliefert
werden, sollten für 12 - 24 Stunden auf 32 - 34 °C gekühlt werden. Auch Kinder können
von einer milden Hypothermie nach Kreislaufstillstand profitieren.
Erstmals wurde die Anwendung von Thrombolytika während der Reanimation in die Richtlinien
aufgenommen. Insbesondere wenn eine Lungenembolie als Ursache eines Herzstillstandes
vermutet wird, sollten der Einsatz eines Thrombolytikums erwogen und die Reanimation
für 60 - 90 Minuten weitergeführt werden. Ähnliches gilt auch beim Verdacht auf einen
Herzinfarkt, wenn der Patient durch konventionelle Maßnahmen nicht zu stabilisieren
ist.
Der Beitrag der Europäer
An der Ausarbeitung des den Richtlinien zugrunde liegenden ILCOR-Dokumentes waren
die Europäer maßgeblich beteiligt. Diese Beteiligung beschränkte sich nicht nur auf
die überaus aktive Teilnahme an allen Konferenzen. Vielmehr basieren viele der relevanten
Änderungen in den neuen Richtlinien auf klinischen und experimentellen Studien aus
Europa. Die europäische Reanimationsforschung ist international sehr hoch angesiedelt
und mittlerweile auch entsprechend angesehen.