Aktuelle Dermatologie 2007; 33(3): 76-78
DOI: 10.1055/s-2007-966310
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rosazea und Mevalonazidurie bei einem 11-jährigen Kind

Rosacea and Mevalonic Aciduria in an 11-Year-Old ChildA.  Kasche-Segnitz1 , V.  Mielke1 , U.  Reusch1 , M.  Reusch1 , E.  Christophers1
  • 1Fachübergreifende Gemeinschaftspraxis für Dermatologie und Pathologie, Hamburg
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Dr. med. Anna Kasche-Segnitz

Fachübergreifende Gemeinschaftspraxis für Dermatologie und Pathologie

Tibarg 7 - 9 · 22459 Hamburg

Email: Hautaerzte-am-Tibarg@t-online.de

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Publication Date:
26 March 2007 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Bei einem 11-jährigen Jungen mit einer Mevalonazidurie kam es nach systemischer Glukokortikosteroidtherapie zum Auftreten einer Rosazea. Unter topischer Therapie mit Metronidazol und Erythromycin sowie Reduktion der Steroiddosis zeigte sich eine deutliche Besserung des Hautbefundes.

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Abstract

We report on an 11-year-old boy with mevalonic aciduria who developed a rosacea after oral treatment with corticosteroids. After topical treatment with metronidazole and erythromycin and reduction of the steroid dosage we noted an obvious improvement of the skin lesions.

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Einleitung

Mevalonazidurie (MA) ist ein seltenes, kürzlich beschriebenes Krankheitsbild, das bis heute bei insgesamt etwa 30 Fällen beobachtet wurde [1]. Die Ursache ist ein genetisch bedingter Mangel an Melavonatkinase (MVK). Dieses Enzym reguliert die Biosynthese von Cholesterin und nicht-steroidalen Isoprenoiden [2]. Die Krankheitssymptome beruhen auf einem Mangel der Endprodukte der MVK und einer gestörten Regulation des verzweigten Biosyntheseweges. Ein defektes Gen wurde auf Chromosom 12 (12q24) beschrieben [3].

Das klinische Bild dieser Enzym-Mangelerkrankung ist vielgestaltig und spiegelt sich in einer großen Zahl von Einzeldefekten und Symptomen wider: allen voran frühe Wachstums- und Gedeihstörungen und neurologische Symptome (zerebelläre Ataxie). Im weiteren Verlauf zeigen sich Katarakte, retinale Dystrophien, Hepatosplenomegalie und Arthralgien. Ein weiteres Charakteristikum sind plötzlich einsetzende Fieberschübe mit Diarrhöen und ausgeprägter Lymphknotenschwellung [4].

Diagnostisches Kriterium sind exzessive Mevalonsäure-Mengen im Urin, Anämie, Kreatininkinase- und Transaminase-Erhöhungen [2] [4].

Wir beobachteten einen 11-jährigen Jungen, bei dem im ersten Lebensjahr eine MA erkannt wurde und der nachfolgend eine Rosazea entwickelte.

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Kasuistik

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Anamnese und Verlauf

Der Patient ist das erste Kind gesunder, nicht verwandter Eltern. Er hat einen älteren, gesunden Halbbruder. Die Mutter kommt aus Süditalien und der Vater aus Kroatien.

Auffällig wurde der Patient in der 6. Lebensstunde, als an der Haut blau-graue, makulöse gesicht- und stammbetonte Effloreszenzen auftraten. Sie wurden im Verlauf der Erkrankung als Zeichen einer extramedullären Hämatopoese erkannt.

Im Verlauf entwickelten sich eine Hepatosplenomegalie und Anämie sowie ansteigende Werte für das direkte und indirekte Bilirubin. Die Lebertransaminasen sowie die Laktatdehydrogenase waren leicht erhöht [5].

Im Urin wurde ein Peak im Bereich der Mevalonsäure gemessen und es wurde in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in Zusammenarbeit mit Prof. G. F. Hoffmann die Diagnose einer Mevalonazidurie gestellt. Bei dem Jungen kam es nachfolgend alle 4 bis 8 Wochen zum Auftreten von Fieberschüben.

Die ophthalmologische Untersuchung ergab eine Hyperopie, Astigmatismus sowie Amblyopie links.

Im Alter von 11 Jahren wiegt der Junge nur 19 kg und ist nur 102 cm groß, weist eine zerebelläre Ataxie mit Gangstörungen und eine psychomotorische Retardierung auf.

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Aufnahmebefund

Follikulär konfluierende, münzgroße und hochrote Verfärbung der Nase, die scharf begrenzt ist und von einzelnen Pusteln durchsetzt wird ([Abb. 1]). Die Umgebung erscheint nicht verändert. Morphologisch gleiche Herde finden sich im Bereiche beider Ohren am Meatus externus.

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Abb. 1 Vor Therapie: Klinisches Bild einer Rosazea.

Schwellung der nuchalen Lymphknoten mit linksseitiger Betonung.

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Befunde diagnostischer Untersuchungen

(Labor Prof. Arndt & Partner; Medizinisches Labor Bremen, Prof. Kühn-Velten)

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Mevalonsäure im Urin

Die Bestimmung von Mevalonolacton (Ringform der Mevalonsäure) lieferte ein sehr intensives Signal für diese Substanz. Der Messwert zeigte eine massive Erhöhung oberhalb des Kalibrationsbereiches von 2 mg/l (entsprechend 15 umol/l).

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Immunglobulin D:

36,0 IU/ml (Norm 2,0 - 100,0).

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Molekulargenetische Diagnostik:

Die molekulargenetische Untersuchung von Leukozyten ergab Veränderungen auf Chromosom 12. Es liegt ein Compound-Heterozygotenstatus für die Mutation T237S und I268T im Mevalonatkinase-Gen vor. Diese beiden Mutationen sind in der Literatur beschrieben [6] [7].

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Therapie und Verlauf

Der kleinwüchsige 11-jährige Patient erhielt mit Beginn im ersten Lebensjahr Prednison 5 mg/die. Jeweils bei Dosisreduktion kam es zu einer deutlichen Verschlechterung und Verstärkung der Symptome. Daher wurde die Dosis 5 mg/die über mehr als 10 Jahre beibehalten. Wegen rezidivierend auftretender anämischer Schübe wurden zeitweilig Bluttransfusionen verabfolgt. Unter dieser Behandlung (Prednison 5 mg/die) entwickelten sich erythematöse Bezirke an Nase und Ohren und das Bild einer Rosazea.

Unter Reduktion der Prednison-Dosis auf 2,5 mg/die und topischer Therapie mit Metronidazol 0,5 Linola Emulsion ad 50,0 g und Ichthyol 0.6 Sulfur praecip 0.6 Pasta zinci mollis ad 30,0 g sowie Erythromycin 0.36 Anefug simplex ad 16.0 g zeigte sich eine deutliche Besserung der Rosazea.

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Diskussion

Das defekte Mevalonatkinase (MVK) Gen auf Chromosom 12 ist ursächlich für zwei Syndrome verantwortlich: die Mevalonazidurie (MA) und das Hyper-IgD-und-periodisches-Fiebersyndrom (HIDS). Sie werden autosomal rezessiv vererbt und zeigen sich in klinisch sehr unterschiedlichen Krankheitsformen:

Bei der kompletten Defizienz der Enzymaktivität kommt es im frühen Kindesalter zur Ausprägung einer MA, einer schweren, oft letal verlaufenden Multisystemerkrankung. Charakteristische Merkmale für die MA sind psychomotorische Retardierung, Gedeihstörungen, Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie, Anämie und periodische Fieberattacken [2] [4].

Im Unterschied zur Mevalonazidurie geht das Hyper-IgD-und-periodisches-Fiebersyndrom (HIDS) mit einem partiellen Verlust der Mevalonatkinase-Aktivität einher [6]. Die Patienten leiden an rezidivierenden, plötzlich einsetzenden Fieberschüben von drei bis sieben Tagen Dauer, die sich etwa alle vier bis acht Wochen wiederholen. Die Fieberattacken werden häufig begleitet von gastrointestinalen Funktionsstörungen (Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen), Lymphadenopathie, makulösen Exanthemen, Arthritiden an großen Gelenken und Polyarthralgien [8], nicht aber von gravierenden neurologischen Veränderungen und Wachstumsstörungen.

Diagnostische Labormarker für HIDS (im Gegensatz zur MA) sind eine Erhöhung des Immunglobulin D im Serum auf mehr als 100 IU/ml sowie eine erhöhte Ausscheidung von Mevalonsäure während der Fieberepisoden.

Im vorliegenden Fall konnte ein Compound-Heterozygotenstatus für die Mutation T237S und I268T im Mevalonatkinase-Gen nachgewiesen werden. Beide Mutationen sind in der Literatur schon beschrieben worden [6] [7].

Von der molekulargenetischen Untersuchung her kann unser Befund sowohl dem HIDS als auch der MA zugeordnet werden. Das klinische Bild bei unserem Patienten mit schweren Gedeihstörungen (geistige Retardierung und Minderwuchs) und neurologischen Störungen (zerebelläre Ataxie) entspricht jedoch eindeutig einer MA. Auch zeigten sich keine erhöhten Immunglobulin-D-Spiegel, ein Befund, der gegen das Vorliegen eines HIDS spricht.

Hautveränderungen werden beim HIDS am häufigsten als makulöse Exantheme beschrieben [8]. Ihre genaue diagnostische Zuordnung erscheint aufgrund der vorliegenden Literatur schwierig, wohl auch, da die gefächerte und pathogenetisch bislang nicht definierbare Symptomatik der Grunderkrankung im Vordergrund steht.

Die jetzt beobachteten Veränderungen an Nase und Ohren entsprechen klinisch dem Bild einer Rosazea. Nach anamnestischen Angaben der Mutter entstanden sie nach dem ersten Lebensjahr. Die Zuordnung dieser kutanen Symptomatik zum Krankheitsbild der HIDS erscheint ungewöhnlich und zwingt zum Nachdenken über weitere Ursachen.

Bei der MA führt die orale Verabreichung von Prednison zu rasch erfolgender Rückbildung der interkurrenten systemischen Symptomatik, vor allem der Fieberschübe und Lymphknoten-Schwellungen. So auch bei unserem kleinen Patienten. Die Glukokortikosteroidmedikation erfolgte deshalb über länger als ein Jahrzehnt und betrug 5 mg/Tag. Versuche, die Therapie zu unterbrechen, wurden (von der Mutter) als Rezidiv-induzierend angesehen. Wohl aus diesem Grunde (einer langfristig erhöhten Glukokortikosteroidzufuhr) ist die Rosazea als klinische Folge der Therapie zu verstehen. Auch zeigten sich unsere Ansätze einer gezielten topischen Rosazea-Therapie als erfolgreich ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Nach Therapie: Deutliche Besserung des Hautbefundes nach topischer Therapie mit Metronidazol und Erythromycin sowie Reduktion der oralen Glukokortikosteroiddosis.

Im Laufe der Jahre kam es auch zu einem Rückgang der Fieberepisoden, sodass die Prednison-Dosis zuletzt auf 2,5 mg/die reduziert werden konnte.

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Literatur

  • 1 Haas D, Hoffmann G F. Mevalonate kinase deficiences: from mevalonic aciduria to hyperimmunoglobulinemia D syndrome.  Orphanet J Rare Dis. 2006;  1 13
  • 2 Hoffmann G, Gibson K M, Brandt I K, Bader P I, Wappner R S, Sweetman L. Mevalonic acid: an inborn error of cholesterol and nonsterol isoprene biosynthesis.  N Engl J Med. 1986;  314 1610-1614
  • 3 Gibson K M, Hoffmann G F, Tanaka R D, Bishop R W, Chambliss K L. Mevalonate kinase map position 12q24.  Chromosome Research. 1997;  5 150
  • 4 Hoffmann G F, Charpentier C, Mayatepek E, Mancini J, Leichsenring M, Gibson K M, Divry P, Hrebicek M, Lehnert W, Sartor K, Trefz F K, Rating D, Bremer H J, Nyhan W L. Clincal and biochemical phenotype in 11 patients with mevalonic aciduria.  Pediatrics. 1993;  91 915-921
  • 5 Hinson D D, Rogers Z R, Hoffmann G F, Schachtele M, Fingerhut R, Kohlschutter A, Kelley R I, Gibson K M. Hematological abnormalities and cholestatic liver disease in two patients with mevalonate kinase deficiency.  Am J Med Genet. 1998;  78 408-412
  • 6 Houten S M, Kuis W, Duran M, de Koning T J, van Royen-Kerkhof A, Romeijn G J, Frenkel J, Dorland L, de Barse M MJ, Huijbers W AR, Rijkers G T, Waterham H R, Wanders R JA, Poll-The B T. Mutations in MVK, encoding mevalonate kinase, cause hyperimmunoglobulinaemia D and periodic fever syndrome.  Nat Genet. 1999;  22 175-177
  • 7 Mandey S H, Schneiders M S, Koster J, Waterham H R. Mutational spectrum and genotype-phenotype correlations in mevalonate kinase deficiency.  Hum Mutat. 2006;  27 796-802
  • 8 Drenth J P, Boom B W, Toonstra J, Van der Meer J W. Cutaneous manifestations and histologic findings in the hyperimmunoglobulinemia D syndrome. International Hyper IgD Study Group.  Arch Dermatol. 1994;  130 59-65

Dr. med. Anna Kasche-Segnitz

Fachübergreifende Gemeinschaftspraxis für Dermatologie und Pathologie

Tibarg 7 - 9 · 22459 Hamburg

Email: Hautaerzte-am-Tibarg@t-online.de

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Literatur

  • 1 Haas D, Hoffmann G F. Mevalonate kinase deficiences: from mevalonic aciduria to hyperimmunoglobulinemia D syndrome.  Orphanet J Rare Dis. 2006;  1 13
  • 2 Hoffmann G, Gibson K M, Brandt I K, Bader P I, Wappner R S, Sweetman L. Mevalonic acid: an inborn error of cholesterol and nonsterol isoprene biosynthesis.  N Engl J Med. 1986;  314 1610-1614
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  • 4 Hoffmann G F, Charpentier C, Mayatepek E, Mancini J, Leichsenring M, Gibson K M, Divry P, Hrebicek M, Lehnert W, Sartor K, Trefz F K, Rating D, Bremer H J, Nyhan W L. Clincal and biochemical phenotype in 11 patients with mevalonic aciduria.  Pediatrics. 1993;  91 915-921
  • 5 Hinson D D, Rogers Z R, Hoffmann G F, Schachtele M, Fingerhut R, Kohlschutter A, Kelley R I, Gibson K M. Hematological abnormalities and cholestatic liver disease in two patients with mevalonate kinase deficiency.  Am J Med Genet. 1998;  78 408-412
  • 6 Houten S M, Kuis W, Duran M, de Koning T J, van Royen-Kerkhof A, Romeijn G J, Frenkel J, Dorland L, de Barse M MJ, Huijbers W AR, Rijkers G T, Waterham H R, Wanders R JA, Poll-The B T. Mutations in MVK, encoding mevalonate kinase, cause hyperimmunoglobulinaemia D and periodic fever syndrome.  Nat Genet. 1999;  22 175-177
  • 7 Mandey S H, Schneiders M S, Koster J, Waterham H R. Mutational spectrum and genotype-phenotype correlations in mevalonate kinase deficiency.  Hum Mutat. 2006;  27 796-802
  • 8 Drenth J P, Boom B W, Toonstra J, Van der Meer J W. Cutaneous manifestations and histologic findings in the hyperimmunoglobulinemia D syndrome. International Hyper IgD Study Group.  Arch Dermatol. 1994;  130 59-65

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Abb. 1 Vor Therapie: Klinisches Bild einer Rosazea.

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Abb. 2 Nach Therapie: Deutliche Besserung des Hautbefundes nach topischer Therapie mit Metronidazol und Erythromycin sowie Reduktion der oralen Glukokortikosteroiddosis.