Anamnese
Eine 45-jährige Patientin stellte sich mit seit Jahren bestehenden hautfarbenen, knotigen Veränderungen an der Stirn vor ([Abb. 1]). Als Jugendliche habe sie unter einer Akne vulgaris gelitten. Eine Therapie mit diversen lokalen Aknetherapeutika sowie Laserablation habe zu keiner Befundbesserung geführt. Allgemeinsymptome seien bisher nicht aufgetreten. Zurzeit nehme sie ein orales Kontrazeptivum und Antidepressiva ein.
Abb. 1 Lokalbefund: multiple derbe, hautfarbene Knötchen an der Stirn.
Hautbefund
An der Stirn fanden sich multiple, disseminierte etwa 3 mm große, derbe, weißliche bis hautfarbene Knötchen.
Dermatohistopathologie
Es fanden sich Exstirpate aus dem korialem Bindegewebe, bestehend aus ovalär gestaltetem Knochengewebe, z. T. trabekulär angeordnet und fokal Kalzifikationszonen enthaltend. Daneben auch komplett kalzifizierte ovaläre Strukturen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Dermatohistopathologie: HE-Färbung, 100-fache Vergrößerung: Ossifikation, Kalzifikationszonen.
Laborbefunde
Die Autoantikörpertiter ANA und ENA waren negativ. Kreatinin, Kalzium und Phosphat zeigten Normwerte.
Therapie und Verlauf
Es erfolgte die Exstirpation eines Teils der Tumoren in Lokalanästhesie. In weiteren Sitzungen ist die Exstirpation der noch restlichen Herde geplant. Nach Abschluss der Wundheilung ist ein mitteltiefes, chemisches Peeling zur Narbenreduktion angedacht.
Diskussion
Osteoma cutis ist eine seltene Erkrankung, charakterisiert durch eine ausgedehnte Formation von kompaktem Knochen in der Dermis und im subkutanem Gewebe. Als klinische Differenzialdiagnostik kommen in diesem Fall in Frage: posttraumatische Läsionen, Fremdkörperreaktionen, Parasiten, Sarkoidose, Porphyria cutanea tarda, Ehlers-Danlos Syndrom, Pseudoxanthoma elasticum, Hauttumore wie Trichilemmalzysten, Pilomatrikomata, Syringome und Calcinosis Cutis. Die Diagnose miliare Osteome des Gesichtes basiert auf der typischen knöchernen Struktur in der Histologie der Knötchen.
In Abhängigkeit von der An- oder Abwesenheit von vorherigen Hautläsionen unterscheidet man zwischen primären und sekundären Formen. Primäre Osteome sind seltener, etwa 15 % der beschriebenen Fälle, und entstehen auf unveränderter Haut, z. B. bei der Albright’schen hereditären Osteodystrophie. Sekundäre Osteome sind weitaus häufiger (etwa 85 % der beschriebenen Fälle) und entstehen auf vorgeschädigter Haut. Sekundäre Ossifikationen können in Narben, inflammatorischen Läsionen oder in kutanen Tumoren auftreten.
Zur Ätiologie lässt sich sagen, dass der pathogenetische Mechanismus der Entstehung von Osteomen in der Haut nicht geklärt ist. Es gibt mehrere Theorien:
Primäre Osteome können bereits bei der Geburt vorhanden sein oder sich später - wahrscheinlich aus embryonalen Zysten - entwickeln. Das mesenchymale Gewebe wie Bindegewebe, Knorpel, Knochen und Fett könnten dabei eine pluripotente Fähigkeit zur Knochenbildung haben. Peterson und Mandel beschrieben 1963 als Ursache einen gestörten embryonalen Prozess, bei dem primitive mesenchymale Zellen - also ektope Reste normaler mesenchymaler Zellen, die sich normalerweise zu Osteoblasten differenzieren, in ektoper Lokalisation (z. B. der Haut) auftreten und dort Knochen produzieren [1].
Die sekundären Osteome könnten das Ergebnis einer metaplastischen Ossifikation kalzifizierender Foci sein, z. B. an Stellen entzündlicher Narbenbildung [8]. Auch eine Metaplasie wird diskutiert, bei der mesenchymale Zellen durch unbekannte Prozesse stimuliert werden und sich so Osteoblasten ausbilden [2]. Für die sekundäre Osteoma cutis wurde eine Akne vulgaris in der Vergangenheit in einigen Fällen publiziert [1]
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[7]. Dieses traf auch auf unsere Patientin zu. Die Assoziation der sekundären miliaren Osteoma Cutis mit einer früheren Akne vulgaris und der erhöhten Prävalenz bei Frauen wird erklärt durch das Sexualhormon Östrogen, welches die Knochenbildung fördert [1]
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Die Therapie der ersten Wahl ist die operative Entfernung der Knochenfragmente oder eine Kombination mit Erbium Yag-Laser [5]. Allerdings sind auch multiple lokale und systemische Agentien versucht worden wie z. B. Tretinoin topisch [6].