In der Epidermis unterliegt die Regulation der Proliferation und Differenzierung des
Keratinozyten komplexen, bis heute noch nicht vollständig geklärten Mechanismen. In
den letzten Jahren wurden dabei zunehmend Transmitter-vermittelte Signalwege beschrieben,
bei denen ursprünglich neurogene Botenstoffe über die Bindung an spezifischen Rezeptoren
Einfluss auf die Funktion von Keratinozyten nehmen [1]
[2]
[3]. Ihrer chemischen Struktur und Eigenschaften nach können Transmitter in biogene
Amine, Neuropeptide, Nukleotide, Aminosäuren und lösliche Gase unterteilt werden und
binden meist an spezifischen Rezeptoren. Die hierdurch ausgelösten Signale sind vielgestaltig
und können aus der Öffnung transmembranöser Ionenkanäle, Entleerung intrazellulärer
Kalziumspeicher oder der Ausschüttung von Zytokinen bestehen [3]
[4]
[5]. Als Beispiel für eine ursprünglich neurogene Transmitter-/Rezeptorwirkung soll
nachfolgend der aktuelle Kenntnisstand keratinozytärer Glutamatrezeptoren beschrieben
werden.
L-Glutamat ist der wichtigste exzitatorische Transmitter im Nervensystem der Vertebraten,
der seine Wirkung über die Bindung an verschiedenen ionotropen und metabotropen Glutamatrezeptoren
entfaltet ([Abb. 1]). Metabotrope Glutamatrezeptoren erhöhen als G-Protein-gekoppelte Rezeptoren entweder
über Gq-Phospholipase C die intrazelluläre Calciumkonzentration (Rezeptoren der Gruppe
I) oder führen über Gi zu einer Verminderung von intrazellulärem cAMP (Rezeptoren
der Gruppen II + III) [6]
[7]. Die ionotropen Glutamatrezeptoren hingegen sind ligandengesteuerte, nicht-selektive,
postsynaptisch gelegene, transmembranöse Kationenkanäle [7]. Neben L-Glutamat sind noch eine Reihe spezifischer Agonisten bekannt, die selektiv
an verschiedenen ionotropen Glutamatrezeptoren binden. Nach diesen selektiven Agonisten
werden die ionotropen Glutamatrezeptoren weiter in AMPA- (Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionat), Kainat- und NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-D-Aspartat) unterteilt [7].
Abb. 1 Familie der Glutamatrezeptoren. Blauunterlegt: bislang bei Keratinozyten gefundene
Subtypen.
Die Existenz von Glutamatrezeptoren wurde bislang überwiegend im Nervensystem angenommen.
In den letzten Jahren fanden sich jedoch vermehrt Hinweise auf eine Präsenz auch in
nicht-neuronalen Zellen wie beispielsweise Keratinozyten [8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]. Sowohl in der dermatologischen als auch der neurologisch/neuropathologischen Forschung
ist der NMDA-Rezeptor der am besten untersuchte und charakterisierte Glutamatrezeptor.
Bei ihm werden eine konstante R1-Komponente und variable R2- (NMDA-R2A-D) und R3-Subtypen
unterschieden [7], die für funktionelle Besonderheiten der jeweiligen Rezeptorsubtypen von besonderer
Bedeutung sind. Keratinozyten exprimieren NMDA-Rezeptoren vom Typ NMDAR2D [10]. Über die R3-Komponente bei Keratinozyten liegen bislang keine Erkenntnisse vor.
Innerhalb der Epidermis ist der NMDA-Rezeptor (NMDAR1) in der gesamten vitalen Epidermis
nachweisbar, wobei sich eine besonders starke Ausprägung innerhalb des Stratum granulosum
findet ([Abb. 2]) [8]
[9]. Diese Verteilung stimmt sehr gut mit dem von Menon und Elias [16] beschriebenen Kalziumgradienten überein, der einen sprunghaften Anstieg innerhalb
des Stratum granulosum zeigt. Dieser abrupte Kalziumanstieg wird als wichtiges Signal
für die Differenzierung des Keratinozyten angesehen. Tatsächlich findet sich auch
bei kultivierten Keratinozyten (HaCaT-Zellen, normale humane epidermale Keratinozyten
(NHEK)) eine Erhöhung der intrazellulären Kalziumkonzentration nach Stimulation der
Zellen mit NMDA [8]. Dieses Phänomen war durch die vorherige Blockade des Rezeptors mit dem NMDA-Rezeptor-Antagonisten
MK-801 zu unterdrücken. Physiologisch scheint die Aktivierung des keratinozytären
NMDA-Rezeptors mit der Differenzierung und insbesondere der orthologen Verhornung
assoziiert zu sein. So konnte durch selektive Blockade des NMDA-Rezeptors mit MK-801
eine verminderte Expression der Differenzierungsmarker CK-10 und Filaggrin bei HaCaT-Zellen
nachgewiesen werden [8]
[9]. Darüber hinaus korreliert die immunhistochemische Expression von NMDAR1 in der
Epidermis mit der Expression des kalziumabhängigen Differenzierungsmarkers Filaggrin
[9]. Dies ließ sich besonders für die parakeratotische Verhornung bei der Psoriasis
vulgaris zeigen [9]. Im Gegensatz zu der Wertung, dass keratinozytäre NMDA-Rezeptoren für die kalziumabhängige
Differenzierung bedeutsam sind, stellen Fuziwara et al. [11] einen negativen Einfluss von NMDA-Rezeptoren auf die Barrierefunktion der Haut heraus,
der durch eine gesteigerte Proliferation bedingt sein soll. Diese Argumentation fußt
insbesondere auf der lokalen Applikation des selektiven Agonisten NMDA im Mausmodell,
der zu einer verminderten Barrierefunktion führte. Mögliche zytotoxische, von der
Rezeptorfunktion unabhängige Einflüsse (z. B. pH-Wert des aufgetragenen NMDA), blieben
hierbei jedoch unberücksichtigt.
Abb. 2 Immunhistochemische Darstellung von Glutamatrezeptoren vom Typ des N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptors
in gesunder menschlicher Epidermis. Maximale Expression im Stratum granulosum, der
intraepidermalen Kalziumkonzentration entsprechend.
Außer den Daten zum NMDA-Rezeptor des Keratinozyten existieren nur wenige Arbeiten
zur Präsenz anderer Glutamatrezeptoren. So wurden bei Ratten ionotrope Glutamatrezeptoren
vom Typ des AMPA-Rezeptors immunhistochemisch in geringer Ausprägung im Stratum basale
der Epidermis gefunden [12]. Untersuchungen zu keratinozytären Kainatrezeptoren wurden bislang nicht publiziert.
Für metabotrope Glutamatrezeptoren (mGluR) in Keratinozyten existieren bislang nur
immunhistochemische Untersuchungen, die bei Ratten die Existenz von mGlu1 in der basalen
Epidermis nachweisen konnten [12].
L-Glutamat ist der physiologische Transmitter der Glutamatrezeptoren. Es wird im Nervensystem
von Gliazellen/Schwann’schen Zellen gebildet [17] oder von exzitatorisch wirkenden Neuronen in den synaptischen Spalt abgegeben. Im
Vergleich zur Datenlage bei Nervenzellen sind die Erkenntnisse zu L-Glutamat als Transmitter
bei Keratinozyten gering, weshalb derzeit vielfach noch Analogieschlüsse zum Nervengewebe
notwendig sind. Im Unterschied zum Nervengewebe ist insbesondere die Herkunft des
L-Glutamats, das am NMDA-Rezeptor des Keratinozyten bindet, unbekannt. Als möglicher
Ursprung werden Schwann’sche Zellen, Makrophagen und Axone diskutiert [18]. Schwann’sche Scheidenzellen und Makrophagen sind jedoch als Quelle von epidermalem
L-Glutamat allein aufgrund der Anatomie sehr unwahrscheinlich. Eine L-Glutamatversorgung
von Keratinozyten durch intraepidermale Axone wäre hingegen grundsätzlich denkbar,
da zumindest Axone der dermo-epidermalen Übergangszone sowohl L-Glutamat enthalten
als auch zu dessen Biosynthese befähigt sind [19]. Möglich ist jedoch auch ein autokriner/parakriner Mechanismus, bei dem das am keratinozytären
NMDA-Rezeptor wirkende L-Glutamat aus Keratinozyten stammt. Neuere Studien konnten
eine Freisetzung von L-Glutamat durch kultivierte Keratinozyten (HaCaT) nachweisen
[20]. Darüber hinaus ist Glutamat in der Epidermis mittels Immunfluoreszenz bzw. Immunhistochemie
gefunden worden [11]
[21], wobei die Datenlage widersprüchlich ist. Während Fuziwara et al. [11] bei Nacktmäusen eine überwiegende Expression in der oberen Epidermis beschreiben,
konnten Nordlind et al. [21] L-Glutamat in der gesamten Epidermis finden. Eine gleichmäßige Verteilung von L-Glutamat
innerhalb der Epidermis würde allerdings die Vermutung nahe legen, dass außer dem
NMDA-Rezeptor noch andere funktionell bedeutsame Glutamatrezeptoren in der Epidermis
vorhanden sind, sodass die biologische Funktion von L-Glutamat von der Verteilung
der jeweiligen Rezeptorsubtypen in der Epidermis abhängt. Für diese These fanden sich
in unserer Arbeitsgruppe zuletzt Hinweise, da bei kultivierten normalen humanen epidermalen
Keratinozyten eine durch L-Glutamat ausgelöste Erhöhung der intrazellulären Kalziumkonzentration
durch den selektiven NMDA-Rezeptorantagonisten AP5 nur partial antagonisiert werden
konnte [22]. Welche Glutamatrezeptoren hierfür verantwortlich sind, ist bislang unbekannt.
Die bisherigen Erkenntnisse zu keratinozytären Glutamatrezeptoren zeigen, dass vermeintlich
exklusiv neurogene Transmitter auch in der Epidermis spezifische und funktionell bedeutsame
Effekte haben können. Interessanterweise ist dabei auch die Lokalisation des Rezeptorsubtyps
für seine Funktion von Bedeutung und kann dazu führen, dass ein und derselbe Transmitter
in Abhängigkeit der vorhandenen Rezeptorsubtypen und ihrer Lokalisation unterschiedliche,
teils gegenläufige Wirkungen entfalten kann. Als Beispiel hierfür sind Pruinrezeptoren
(Transmitter: ATP) zu nennen, die sowohl eine Förderung der Proliferation als auch
der Differenzierung bewirken [3]
[5]. So ist der G-Protein-gekoppelte Subtyp P2Y2 des Purinrezeptors bei Keratinozyten
im Stratum basale zu finden und führt nach Stimulation zur Proliferation, während
P2X-Rezeptoren (Subtypen P2X5 und P2X7) in oberen Epidermisanteilen lokalisiert sind
und calciumabhängig die Differenzierung von Keratinozyten fördern [3]
[5]. Ein ähnlicher Effekt ist bei Acetylcholinrezeptoren des Keratinozyten zu beobachten,
die ebenfalls einen Einfluss auf die Proliferation und Differenzierung von Keratinozyten
zeigen und innerhalb der Epidermis ein spezifisches Verteilungsmuster haben [1]
[23]. Auch hier haben die einzelnen Rezeptorsubtypen unterschiedliche Funktionen. So
beeinflussen, abhängig vom jeweiligen Subtyp, muskarinische und nikotinische Acetylcholinrezeptoren
die Proliferation und Differenzierung, aber auch die Migration und Adhäsion von Keratinozyten
[23]. Diese Effekte werden bei den G-Protein-gekoppelten muskarinischen Acetylcholinrezeptoren
durch Veränderungen im transmembranösen Kalziuminflux bewirkt, wohingegen die nikotinischen
Acetylcholinrezeptoren verschiedene Ionenkanäle (Na+, K+, Ca++) öffnen können [23].
Die bislang vorliegenden Befunde zu ursprünglich neurogenen Transmittern und Rezeptoren
bei Keratinozyten lassen vermuten, dass in der Epidermis ein ähnlich komplexes Signalnetzwerk
vorhanden ist wie im Nervensystem. Dies bietet Ansatzpunkte für vielfältige Forschungsprojekte.