Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42(4): 286-292
DOI: 10.1055/s-2007-980032
Fachwissen: Topthema: Palliativmedizin

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Symptomkontrolle bei unheilbar Kranken

Symptom relief in Terminal IllnessMartin Gleim, Sabine Schulzeck, Dieter Siebrecht
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Publication Date:
24 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Es ist das Ziel der Palliativmedizin, Patienten, die unheilbar erkrankt sind, eine weitgehende Linderung der Krankheitssymptome zu verschaffen, um so die Qualität des verbleibenden Lebens zu verbessern. Manche der Symptome lassen sich kaum beeinflussen, andere wie Schmerz, Dyspnoe, gastrointestinale Beschwerden oder Schwitzen können meist gut gelindert werden. Voraussetzung hierfür ist eine sorgfältige Evaluation der Befunde vor der Behandlung, um durch gezielte Maßnahmen eine Symptomkontrolle ohne neue Nebenwirkung zu erreichen.

Summary

It is the goal of palliative care to provide as large a relief of the disease symptoms as possible for patients, who are incurably sick, in order to improve the quality of the remaining life. Some of the symptoms can hardly be treated; others like pain, dyspnea, gastrointestinal complaints or sweating can usually be well alleviated. The condition for this is a careful evaluation of the clinical status before the treatment, in order to reach symptom relief by purposeful actions without new side effects.

Kernaussagen

  • Die Palliativmedizin zielt nicht primär auf die Verlängerung der Lebenszeit, sondern auf Verbesserung der Lebensqualität. Zu diesem Zweck wird im Einzelfall (etwa bei unheilbaren Tumorerkrankungen) durchaus auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet.

  • Beschwerden, die direkt mit dem Tumorwachstum korrelieren (körperliche Schwäche, Paresen) werden durch Behandlung auf Palliativstation eher weniger gebessert. Symptome wie Schmerz oder Dyspnoe lassen sich hingegen zu deutlich größerem Anteil lindern.

  • Zur näheren Bestimmung von Art und Qualität der Symptome sind verschiedene Skalen gebräuchlich. Gut validiert ist das „Edmonton Symptom Assessment System” (ESAS).

  • Körperliche Schwäche und Schmerzen sind die meistbeklagten Symptome bei Palliativpatienten. Manchmal ist auch bei inkurablem Tumorleiden eine effektive kausale Schmerztherapie möglich, zumeist aber wird symptomatisch behandelt. Rund 90 % aller Tumorschmerzen lassen sich bei Anwendung des WHO-Stufenschemas mit akzeptablem Ergebnis therapieren.

  • Man unterscheidet Nozizeptorschmerzen und neuropathische Schmerzen. Effektive Schmerztherapie setzt eine genaue Schmerzanalyse voraus und bezieht außer Opioiden auch Antidepressiva, Antikonvulsiva, Nichtopioide, Koanalgetika und nichtmedikamentöse Maßnahmen ein.

  • Die orale Gabe lang wirksamer Opioide hat zum Rückgang neurodestruktiver Verfahren in der Palliativmedizin geführt. Als Alternative setzt man heute vor allem auf die rückenmarknahe Opioidtherapie.

  • Übermäßiges Schwitzen kann palliative Pflege und Therapie erheblich erschweren. Eine medikamentöse Schweißunterdrückung der Wahl gibt es nicht, die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung des Patienten.

  • Dyspnoe kann kausal unter anderem mit Erythrozyten-Transfusionen (bei Anämie), Thoraxdrainage oder der Gabe von Opioiden behandelt werden. Auch O2-Gabe, Anxiolytika und Kortikoide (bei Lymphangiosis carcinomatosa, Pneumonitis nach Radiatio) können Dyspnoe lindern.

  • Die Opioidtherapie stört Peristaltik, Sekretions- und Resorptionsverhalten des Darmes. Parallel zu ausreichender Flüssigkeitszufuhr und ballaststoffreicher Ernährung sollten Patienten schon prophylaktisch osmotisch wirksame Laxanzien erhalten.

  • Zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen stehen diverse Antiemetika zur Verfügung. Die Auswahl der Antiemetika hat die wahscheinlichste Genese der Symptome zu berücksichtigen.

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Dr. med. Martin Gleim

Email: gleim@anaesthesie.uni-kiel.de

Dr. med. Sabine Schulzeck

Email: schulzeck@anaesthesie.uni-kiel.de

Dr. med. Dieter Siebrecht

Email: siebrecht@anaesthesie.uni-kiel.de

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