Z Orthop Unfall 2007; 145(2): 120-123
DOI: 10.1055/s-2007-980296
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Endoprothetik - Oberflächenersatz der Hüfte - was sagen die Patienten und wie sind die Revisionsraten?

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Publication Date:
01 June 2007 (online)

 
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Eine besondere Herausforderung für Operateur und Implantat sind die Coxarthrose junger und aktiver Patienten. Die Idee, nur die Gelenkoberfläche der Hüfte zu ersetzen, ist in der Vergangenheit schon mehrfach umgesetzt worden. Allen früheren Ansätzen gemein ist Problematik der Gleitpaarung, die zum zu frühen Versagen vieler Implantate führte. Der Name McMinn ist ein Synonym geworden für den modernen Oberflächenersatz der Hüfte mit einer Metall-Metall-Gleitpaarung (MOM).

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Sparsame Knochenresektion im Hinblick auf eine Wechseloperation

Die fortgeschrittene Arthrose des Hüftgelenkes, ob primär oder sekundär, ist eine, für den Patienten schmerzhafte und vor allem die Lebensqualität einschränkende Erkrankung. Nach Ausschöpfen aller konservativen Therapieoptionen ist dann bei Beschwerdepersistenz in den meisten Fällen die Indikation zu einem alloplastischen Gelenkersatz gegeben.

Die gelenkerhaltende Chirurgie zeigt bei bereits fortgeschrittener Knorpeldestruktion meist keine länger anhaltenden Erfolge. Bewährte Methoden ermöglichen in fast allen Fällen mit einem Routineeingriff den Gelenkersatz. Bezogen auf die Lebensqualität, ist das Kunstgelenk der Hüfte für den Patienten ein großer Gewinn. Eine besondere Herausforderung stellen jedoch junge und aktive Patienten für Operateur und Implantat dar. Zunächst ist aufgrund der vorauszusetzenden Lebenserwartung der jüngeren Patienten eine möglichst lange Standzeit des Kunstgelenkes sehr entscheidend. Darüber hinaus muss aber bei einer höheren Lebenserwartung mit einer Revision und Wechseloperation des Kunstgelenkes gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund wünscht man sich die sparsame Knochenresektion für den Primäreingriff um eine sichere Prothesenverankerung bei der Wechseloperation zu ermöglichen.

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Von der Wagner - Kappe zum McMinn-Oberflächenersatz

Im deutschen Sprachraum ist hier vor allem die Wagner-Schalenendoprothese zu erwähnen. Die auch als Wagner-Kappe bezeichnete Prothese zeigte bei guten Frühergebnissen nicht akzeptable Lockerungsraten [2]. Allen früheren Ansätzen gemein ist Problematik der Gleitpaarung, die zum zu frühen Versagen vieler Implantate führte (zur Übersicht [8]).

Der moderne Oberflächenersatz wurde wesentlich durch die Entwicklungen von Derek J. W. McMinn bestimmt. Der Name McMinn ist ein Synonym geworden für den Oberflächenersatz der Hüfte mit einer Metall-Metall-Gleitpaarung (MOM). Dank neuerer Instrumente, vor allem des Zielgerätes für die Kappe, sind auch kleinere Zugänge möglich geworden (Abb. [1]), als von McMinn zunächst beschrieben.

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Abb. 1 Dank neuer Zielgeräte müssen die Zugänge nicht mehr so ausgedehnt sein (50 jährige Patientin, 5 < y Monate post-operativ).

Neben McMinn [5] haben auch andere Autoren einige gute, mittelfristige Ergebnisse zu dem von ihm entwickelten Birmingham Hip Resurfacing (BHR®) vorgestellt. Trotzdem hält sich eine Skepsis gegenüber dem modernen Oberflächenersatz. Im Vordergrund steht dabei die Angst vor ähnlichem Frühversagen wie bei den Vorläuferprothesen. In der Literatur sind die Revisionsraten nicht höher beschrieben als bei anderen Hüftendoprothesen. Die häufigste Ursache für eine Revision ist die Schenkelhalsfraktur [1,5], eine Komplikation, die bei anderen Prothesen nicht auftreten kann. Hieraus leitet sich eine der zentralen Fragen dieser Untersuchung ab nach der Höhe der Revisionsrate, der Frakturrate und anderen lokalen Komplikationen.

Weiter herrscht eine Verunsicherung über die Folgen einer erhöhten Metallionenkonzentration im Blut durch Metallabrieb, obwohl es keine Hinweise auf eine Schädigung gibt und der Metallabrieb in anderen Gleitpaarungen (Metall / PE) allgemein als unkritisch betrachtet wird. Durch den Nachweis von erhöhten Metallionenkonzentrationen im Blut nach Knietotalendoprothese [4] müsste auch die Akzeptanz der Metall-Metall-Gleitpaarung steigen. Auch das mögliche Bewegungsausmaß nach Oberflächenersatz wird unterschiedlich bewertet. Durch die Verwendung großer Kopfdurchmesser beim Oberflächenersatz (je nach Kopfgröße des ursprünglichen Hüftkopfes zwischen 38 und 58 mm) ergibt sich einerseits eine größere Stabilität des Gelenkes gegenüber einer Standartprothese mit einem 28- oder 32-mm-Kopf. Extreme Bewegungen sind luxationssicherer auszuführen [8]. Da der Schenkelhals andererseits im Durchmesser deutlich stärker ist als bei einem Prothesenschaft und komplett erhalten bleibt, soll die ungünstigere Relation von Kopf zu Hals bewegungslimitierend sein [6]. So ergab sich für uns die Frage nach der Beweglichkeit eines operierten Gelenkes.

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Follow-up von 2,6 Jahren

Der erste Oberflächenersatz der Hüfte ist im Jahre 2000 in unserem Zentrum durchgeführt worden. Einbezogen in die Analyse wurden alle 439 Patienten, die einen Oberflächenersatz des Hüftgelenkes erhielten bis Ende 2005. In der Summe wurden 490 Operationen von vier Operateuren durchgeführt, 168 Operationen bei Frauen und 322 bei Männern. Das Durchschnittsalter lag bei 55 Jahren zum OP-Zeitpunkt. Indikationen waren die primäre Coxarthrose, Dysplasiecoxarthrose, sekundäre Coxarthrose, Hüftkopfnekrose und die rheumatoide Arthritis. Verwendet wurden 423 BHR®-Prothesen (früher MMT, jetzt Smith & Nephew) und 67 ADEPT®-Prothesen (Finsbury). Die Operationen erfolgten in Seitenlage über den postero-lateralen Zugang (Moore).

371 Patienten mit 416 Eingriffen sind in unserer regelmäßigen Nachbetreuung untersucht worden. Aus dieser Gruppe wurden Revisions- und lokale Komplikationsrate ermittelt. 3 Patienten sind verstorben, ein Patient davon mit akutem Herzversagen 3 Tage postoperativ. Zu den übrigen 65 Patienten können wir keine aktuellen oder mindestens 1 Jahr postoperativ liegende Angaben machen. Die durchschnittliche Follow up-Zeit betrug 2,6 Jahre (min 1 Jahr; max 6,7 Jahre). Der Einladung zu einer ausführlichen Nachuntersuchung sind bisher 293 Patienten gefolgt und so konnten die Daten von 328 Operationen für unten genannte Analysen herangezogen werden mit einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 2,8 Jahren (min 1 Jahr; max 6,7 Jahre). Es erfolgte eine Befragung zu Zufriedenheit mit Antwortmöglichkeiten (sehr zufrieden bis unzufrieden), die Erhebung des Harris-Hip-Scores und Röntgenkontrollen der operierten Gelenke.

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Hohe Zufriedenheit

Von den 371 Patienten mit insgesamt 416 Oberflächenersatzoperationen, die in unserer Nachsorge waren mussten 13 Patienten nachoperiert werden, dass entspricht einer Revisionsrate von 3,1 %. Die einzelnen Gründe für die jeweilige Revision sind in Tabelle 1 (Tab. [1]) zusammengefasst. Die häufigste Ursache für eine Revision war die Schenkelhalsfraktur mit einer Rate von 1,4 % (6 von 416 Operationen). Der Zeitraum zwischen Operation und Fraktur war im Mittel 38 Wochen. Eine Gruppe mit drei Patienten mit einer Fraktur innerhalb von 6 Wochen postoperativ (1,3 bzw. 5 Wochen) und einer weiteren Gruppe späterer Frakturen nach 5 und 12 Monaten bzw. 3 Jahren. Abbildung 2 (Abb. [2]) zeigt das postoperative Röntgenbild eines 48 jährigen Patienten, der 12 Monate postoperativ eine Fraktur des Schenkelhalses entwickelte. Deutlich zu erkennen ist die Verletzung der lateralen Schenkelhalskortikalis.

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Tab. 1 Gründe für eine offene Revision nach Oberflächenersatz-Prothese

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Abb. 2 Postoperatives Röntgenbild: Intraoperative Verletzung des Schenkelhalses. Fraktur erfolgte erst 12 Monate später (Patient, männlich, 48 Jahre).

Bei einem anderen Patienten fiel 16 Monate postoperativ ein lyseverdächtiges Areal am lateralen Schenkelhals-Kappenübergang auf. Es erfolgte eine Revision und Versorgung mit Modularkopf und Zweymüller-Schaft auf Wunsch des Patienten, da dieser Angst vor einer plötzlichen Fraktur entwickelte und einen elektiven Eingriff vorzog. Intraoperativ zeigte sich jedoch kein Hinweis auf einen Stabilitätsverlust. Weitere Details zu den Revisionen sind in Tabelle 2 (Tab. [2]) zusammengefasst. Die weiteren lokalen Komplikationen waren reversible und irreversible Nervenläsionen, eine Hüftluxation, die geschlossen reponiert werden konnte und eine Wundheilungsstörung.

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Tab. 2 Übersicht zu den Patienten mit Schenkelhalsfraktur nach Oberflächenersatz

Ein Patient gab nach einem Sprung aus drei Meter Höhe Schmerzen in der Leiste an, 4 1/2 Jahre nach Oberflächenersatz. Szintigraphisch fand sich eine frakturtypische Mehrbelegung distal der Kappe und radiologisch eine minimale Veränderung des Pin-Schaftachsenwinkels (PSA). Nach sechs Wochen Entlastung an Unterarmgehstützen war der Patient schmerzfrei und ohne radiologische Progredienzzeichen. Die einzelnen lokalen Komplikationen sind in Tabelle 3 (Tab. [3]) zusammengefasst.

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Tab. 3

Die Frage nach der Zufriedenheit beantworteten 82 % mit sehr zufrieden und 14 % mit zufrieden, 2 % waren unentschlossen und weitere 2 % der Patienten gaben an, mit der operierten Hüfte unzufrieden zu sein. 96,7 % der Patienten äußerten, den Eingriff nochmals durchführen zu lassen. Bei der Beweglichkeitsuntersuchung der Hüftgelenke zeigte sich eine große Varianz der Werte. Die Gesamtbeweglichkeit ist in Abbildung 4 (Abb. [4]) gegen die Beuge- und Streckfähigkeit aufgetragen. Die Flexionsfähigkeit betrug im Mittel 106° (min 60°; max 145°) und die Gesamtbeweglichkeit 217° (min 115°; max 355°). Eine Korrelation von Beweglichkeit und Zufriedenheit fand sich nicht (Abb. [5]). Im Durchschnitt erreichten die Patienten im Harris-Hip-Score einen Wert von 99 Punkten (n = 310; min 77 Punkte; max 100). In Abbildung 6 (Abb. [6]) ist die Verteilung der Punktwerte dargestellt.

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Abb. 3 Patientenzufriedenheit nach Oberflächenersatz. 96 % der Patienten waren zufrieden oder sehr zufrieden.

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Abb. 4 Die Extension-Flexionsfähigkeit zeigt eine gute Korrelation zur Gesamtbeweglichkeit.

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Abb. 5 Es findet sich keine Relation von Patientenzufriedenheit zu Beweglichkeit des Gelenkes.

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Abb. 6 Harris Hip Score: Verteilung der Punktwerte (Durchschnitt 99 Punkte).

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Vorzug der geringen Knochenresektion

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Oberflächenersatz als gute Option für den Hüftgelenkersatz jüngerer Patienten

Die minimale Knochenresektion auf der Seite des Oberschenkels ist sicher der große Vorzug des Oberflächenersatzes. Eine evtl. später notwendige Schaftverankerung bei einer Revision wird hierdurch deutlich vereinfacht gegenüber einem Schaftwechsel. Die in unserem Patientengut ermittelte Revisionsrate von 3,1 % ist nicht höher als bei anderen Hüftimplantaten. Die häufigste Revisionsursache nach Oberflächenersatz am Hüftgelenk war die Schenkelhalsfraktur mit einer Häufigkeit von 1,4 %. Aus dem australischen Prothesenregister sind sehr ähnliche Werte veröffentlicht [1]. Dem Knochenerhalt femoral steht ein kritisch betrachteter, möglicher Knochenverlust des Acetabulums gegenüber [3]. Bei Verwendung zu großer Femurkappen muss das knöcherne Pfannenlager unnötig weit aufgefräst werden, da der Pfannenaußendurchmesser aufgrund der Wandstärken mindestens 6 mm größer sein muss als die verwendete Kappe. Die Kappe sollte aus diesem Grund möglichst klein gewählt werden.

Das Bewegungsausmaß nach einem Oberflächenersatz wird noch konträr diskutiert in der Literatur [6, 7]. Unsere Daten zeigen, dass ein enormes Bewegungsausmaß möglich sein kann, aber sie zeigen auch, dass eine große Zahl Patienten in der Flexion nicht über 90° hinaus kommen. Da die Patientenzufriedenheit keine Korrelation zum Bewegungsumfang des Gelenkes zeigt, liegt der Schluss nahe, dass die Patienten ausführlicher auf die erreichbare Beweglichkeit hingewiesen werden müssen. Die intraoperative Beweglichkeitsüberprüfung sollte zeigen, in welchen Grenzen das Gelenk postoperativ früh mobilisiert werden kann. Die aus der Kopfgröße resultierende Stabilität des Gelenkes erlaubt in den meisten Fällen aggressivere Nachbehandlung in Bezug auf das Bewegungsausmaß. Bei einer zu strikten Limitierung für die ersten 6 Wochen führen die engen anatomischen Verhältnisse von Schenkelhals und Pfanne und die Readaptation von Kapselgewebe zur Ausbildung eines straffen Neoarthros-Kapselgewebes. Im weiteren Verlauf ist die Mobilisation des Gelenkes erschwert und verzögert.

Der ovalär angelegte Schenkelhals ist in der medio-lateralen Ausdehnung größer als in der anterio-posterioren. So kann auch eine knapp bemessene, eher ventral positionierte Kappe dem Gelenk eine hohe Flexionsfähigkeit geben. Die Wahl einer größeren Kappe zur Verbesserung der Beweglichkeit scheint deshalb nur dann sinnvoll, wenn das Pfannenpressfit zur kleinstmöglichen Kappe nicht ausreicht. Eine gute Option sind hierbei Abstufungen der Kopfgrößen in 2 mm-Schritten, wie es schon von einzelnen Herstellern angeboten wird.

Die korrekte Pfannenpositionierung scheint ein weiterer wichtiger Punkt für ein gutes Bewegungsausmaß zu sein. Leider stehen zurzeit keine genauen Bestimmungsmöglichkeiten zu Verfügung, um radiologisch die Pfannenposition postoperativ korrekt zu evaluieren. Lediglich das völlige Fehlen von Antetorsion ist im Röntgenbild gut erkennbar und kann bei der klinischen Untersuchung zu einem harten Anschlag in Beugung führen, was einige Patienten als unangenehmes Impingement empfinden. Die Flexionsfähigkeit ist dann oft auf 90° beschränkt.

Abschließend unterstreicht die hohe Patientenzufriedenheit im untersuchten Patientengut den hohen Zugewinn an Lebensqualität durch ein Kunstgelenk nach längerem, chronischem Arthroseschmerz. Denn gerade bei jungen Patienten ist die Krankengeschichte oft lang bis der Entschluss zu einem Gelenkersatz gefasst wird. Das Prinzip des Oberflächenersatzes mit seiner minimalen Knochenresektion und der anatomienahen Arthroplastik imponiert Patienten, die sich oft über die gängigen Medien lange im Vorfeld informieren und sich dann nach langem Hinauszögern einfacher zu einem derartigen Eingriff entschließen können. Unsere Daten stützen aktuell die These, dass der Oberflächenersatz eine gute Option für den Gelenkersatz der Hüfte jüngerer Patienten ist.

Literatur beim Verfasser

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Dr. Martin Schulte-Mattler

Dr. Martin Schulte-Mattler, Dr. D. Glaser, Dr. H. Spilker,

Surface, Zentrum für Orthopädie Neuss,

 
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Abb. 1 Dank neuer Zielgeräte müssen die Zugänge nicht mehr so ausgedehnt sein (50 jährige Patientin, 5 < y Monate post-operativ).

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Tab. 1 Gründe für eine offene Revision nach Oberflächenersatz-Prothese

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Abb. 2 Postoperatives Röntgenbild: Intraoperative Verletzung des Schenkelhalses. Fraktur erfolgte erst 12 Monate später (Patient, männlich, 48 Jahre).

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Tab. 2 Übersicht zu den Patienten mit Schenkelhalsfraktur nach Oberflächenersatz

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Tab. 3

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Abb. 3 Patientenzufriedenheit nach Oberflächenersatz. 96 % der Patienten waren zufrieden oder sehr zufrieden.

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Abb. 4 Die Extension-Flexionsfähigkeit zeigt eine gute Korrelation zur Gesamtbeweglichkeit.

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Abb. 5 Es findet sich keine Relation von Patientenzufriedenheit zu Beweglichkeit des Gelenkes.

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Abb. 6 Harris Hip Score: Verteilung der Punktwerte (Durchschnitt 99 Punkte).

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Dr. Martin Schulte-Mattler