In der radiologischen Praxis besteht aufgrund des bestehenden und zunehmenden wirtschaftlichen
Druckes ein immer größer werdendes Bedürfnis, bestimmte Leistungen vom Arzt auf ausgebildetes
Personal zu delegieren. Dogmatisch knüpft dieses Problem an der Pflicht des Arztes
zur persönlichen Leistungserbringung an. Der Arztberuf ist seiner Natur nach ein freier
Beruf und der mit dem Patienten abgeschlossene Dienstvertrag verpflichtet den Arzt
auch zur persönlichen Leistungserbringung. Dieser Beitrag soll am Beispiel der Kontrastmittelinjektion
das Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung
des Arztes und Delegationsfähigkeit darstellen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung
Das Gebot der persönlichen ärztlichen Leistungserbringung ist einer der bedeutendsten
Grundsätze im Arztrecht. Trotz dieser Bedeutung fehlt es an einer klaren gesetzlichen
oder untergesetzlichen Inhaltsbestimmung dieses Grundsatzes. Normen, die diesen Grundsatz
voraussetzen, gibt es indes viele, etwa zu finden im Zivilrecht, dem Steuerrecht oder
den Gebührenordnungen. Im ärztlichen Berufsrecht wird der Grundsatz in § 19 Abs. 1
S. 1 MBO-Ä statuiert.
Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung bedeutet nicht, dass der Arzt jede
Maßnahme im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten auch eigenhändig ausführen
muss. Der Einsatz von nichtärztlichen Hilfspersonen ist in begrenztem Umfang zulässig,
jedoch muss in allen Fällen der Kernbereich des ärztlichen Handelns dem Arzt vorbehalten
bleiben.
Die Zulässigkeit der Delegation ärztlicher Leistungen
Zunächst soll auf die Grundzüge der Delegierbarkeit der Leistungen eines Arztes eingegangen
werden.
Es lassen sich drei unterschiedliche Gruppen festlegen:
-
Nicht delegationsfähige ärztliche Leistungen
-
Im Einzelfall delegationsfähige Leistungen
-
Grundsätzlich delegationsfähige Leistungen
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Vornahme ärztlicher Leistungen durch nichtärzt-liches
Personal gelten die folgenden Grundsätze, die die Bundesärztekammer gemeinsam mit
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung entwickelt hat:
Die Anforderungen an Art und Umfang der Delegationsfähigkeit ärztlicher Leistungen
hängen im Wesentlichen von der Art der Leistung, der Schwere des Krankheitsfalles
und der Qualifikation des Mitarbeiters ab. Maßnahmen, die keine besonderen Gefahren
für die Patienten mit sich bringen (= Heilkunde im weiteren Sinne), können dem Grundsatz
nach auch von nichtärztlichem Fachpersonal durchgeführt werden. (so auch BGH vom 24.
Juni 1975 - VI ZR 72/74)
Dabei gilt, je geringer die theoretische und praktische Gefährdungsmöglichkeit des
Patienten ist, desto eher darf der Arzt die anstehende Verrichtung zur Durchführung
einer Pflegeperson übertragen.
Die Erbringung delegierter Leistung muss aber jedenfalls unter der Aufsicht und nach
Weisung des Arztes erfolgen. Eine Pflegeperson kann bzw. muss die Befolgung einer
Anordnung verweigern, wenn sie sich fachlich nicht oder nicht ausreichend qualifiziert
fühlt. Das tätig werdende Hilfspersonal trägt immer die Verantwortung für die "rein
technisch" richtige Durchführung der angeordneten Maßnahme. Sie kann für fehlerhaftes
Handeln zivilrechtlich, arbeitsrechtlich und/oder strafrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden.
Grundsätzlich delegationsfähig sind Leistungen wie Laborleistungen, mit Ausnahme des
Speziallabors, physikalischmedizinische Leistungen, bestimmte Messverfahren und der
Wechsel einfacher Verbände.
Nicht delegationsfähige ärztliche Leistungen sind sämtliche operative Eingriffe, Untersuchung
und Beratung von Patienten, Psychotherapie (wenn nicht an Diplom-Psychologen ausdrücklich
zugelassen), invasive diagnostische Eingriffe und Entscheidungen über sämtliche therapeutische
Maßnahmen. Diese Leistungen unterliegen dem strikten Arztvorbehalt und können nur
an ärztliche Mitarbeiter delegiert werden.
Im Übrigen muss darauf geachtet werden, dass die Grundsätze des Selbstbestimmungsrechts
des Patienten gewahrt sein müssen (Aufklärung, Einwilligung).
1. Überwachung und Ausbildung des Hilfspersonals durch einen Arzt
Der Arzt trägt die Verantwortung für die Anordnung der ärztlichen Leistung und deren
ordnungsgemäße Durchführung. Dem Arzt obliegen Auswahl- und Überwachungspflichten;
ihm obliegt letztlich die Gesamtverantwortung für die Behandlung des Patienten (§
28 Abs. 1 SGB V). Anhand zahlreicher Gerichtsentscheidungen lässt sich die Folgerung
ziehen, dass der Arzt für die angeordnete Maßnahme und letztlich auch für die Durchführung
verantwortlich, zumindest aber mitverantwortlich, bleibt.
Der Arzt hat sich von den erlernten Fähigkeiten und Erfahrungen selbst zu überzeugen.
Was die Intensität der Kontrolle der Mitarbeiter angeht, so muss sie in regelmäßigen
Abständen erfolgen. Der Arzt hat sich nach jeder einzelnen Leistung des Personals
von der Ordnungsgemäßheit der Durchführung zu vergewissern, um so seine Mitwirkung
an der Leistungserbringung sicher zu stellen. (LSG NRW, MedR 1997, 94)
In diesem Zusammenhang kann ein so genannter Spritzenschein (Befähigungsnachweis)
Bedeutung erlangen. Ein solcher Spritzenschein wird üblicherweise als eine Bestätigung
eingestuft, dass eine bestimmte nichtärztliche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt
nachgewiesen über die Befähigung zur Ausführung einer ausdrücklich benannten Tätigkeit
verfügte. Der so genannte Spritzenschein muss aber hinsichtlich seiner Aussagekraft
mit äußerster Vorsicht behandelt werden, denn die grundsätzlichen Verpflichtungen
eines anordnenden Arztes und einer tätig werdenden Pflegekraft, ihr konkretes Verhalten
richtig anhand der aufgezeigten Grundsätze einzuschätzen, bleiben unberührt.
Zudem muss der Arzt bei diesen Leistungen persönlich anwesend sein, um die Sicherheit
im Fall unerwarteter Komplikationen zu gewährleisten.
2. Die Delegation von Injektionsleistungen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bisher noch nicht einheitlich darüber befunden, ob
und welche Injektionen der Arzt an nicht ärztliche Mitarbeiter delegieren darf.
Im Jahr 1959 hat der BGH entschieden (BGH NJW 1959, 2302), dass eine examinierte,
also voll ausgebildete und geprüfte Krankenschwester intramuskuläre Injektionen nur
übertragen bekommen darf, wenn der verantwortliche Arzt sich vorher vergewissert,
dass die Krankenschwester ihre Aufgaben erfüllen kann und der Arzt dies auch kontrollieren
kann.
In einem Urteil aus dem Jahre 1979 entschied der BGH (BGH NJW 1979, 1935), intramuskuläre
Injektionen durch Krankenpflegerhelferinnen seien unzulässig, da Applikationsfehler
zu typischen schwerwiegenden Schäden wie Lähmungen und Spritzenabszessen führen könnten.
Intravenöse Injektionen wie Kontrastmittelinjektionen sind dann delegationsfähig,
wenn der Arzt Kenntnis von dem Krankheitsbild des Patienten und von der Qualifikation
des tätigen nichtärztlichen Mitarbeiters hat, und anhand dieser Kenntnis entscheiden
kann, ob eine Delegation der Leistung mit den medizinischen Erfordernissen vereinbar
ist, oder ob eine persönliche Leistungserbringung erforderlich ist.
Einigkeit besteht darüber, dass intravenöse Injektionen vom Arzt nur dann delegiert
werden können, wenn die nichtärztlichen Mitarbeiter eine spezifische Ausbildung im
Bereich der Punktions- und Injektionstechnik absolviert haben und auf diesem Gebiet
erfahren sind.
3. Zulässigkeit der Delegation von Kontrastmittelinjektionen
Bei der Injektion von Röntgenkontrastmitteln durch MTRAs gehen die Meinungen in der
Literatur auseinander. (ablehnend Laufs/Uhlenbruck, 3. Auflage, S. 950 m.w.N.)
Gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich sind selten. Ober- oder höchstgerichtliche
Entscheidungen gibt es derzeit (noch) nicht. Das Amtsgericht Karlsruhe (AG Karlsruhe
1997, 13 C 448/95) hält die Übertragung der Durchführung einer Kontrastmittelinfusion
auf eine Arzthelferin, die über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt und
vom Arzt überwacht wird, für zulässig.
Diese Meinung wird vor allem damit begründet, dass bei dieser Injektion eine erhöhte
Gefahr allergischer Reaktionen besteht. Dieser Gefahr sei wirksam nur bei der unmittelbaren
Durchführung und Anwesenheit eines Arztes begegnet.
Unter Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze ist diese Ansicht nicht zwingend.
Bei Leistungen mit hohem Risikopersonal ist noch mehr Wert auf die Einhaltung bestimmter
Vorschriften zu legen. Eine MTRA, die Kontrastmittel injiziert, muss genau auf diese
Art von Injektionen ausreichend und umfassend geschult sein. Der Radiologe ist verpflichtet,
bei der Durchführung durchweg anwesend zu sein, um im Notfall eingreifen zu können.
Bei strengster Einhaltung dieser Verhaltensregeln kann den teilweise geäußerten Bedenken
begegnet werden. Aus rechtlicher Sicht ist also eine Delegation auch von diesen Injektionen
zulässig.
Risiken der Delegationen in der ärztlichen Praxis
Aus den bisher dargestellten Grundsätzen ergibt sich also kein Verbot der Delegation
der Injektionen von Kontrastmitteln.
Nachfolgend soll der Übersicht halber kurz auf die möglichen Risiken eingegangen werden,
die eine Delegation mit sich bringt.
1. Haftungsrecht
Der Arzt haftet bei Unzulässigkeit der Delegation voll. Bei Durchführung der Leistung
durch eine Hilfskraft haftet er für die Auswahl des Personals. Das Hilfspersonal selbst
haftet für die ordnungsgemäße Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben.
2. Kassenarztrecht
Ein Verstoß gegen das Gebot zur persönlichen Leistungserbringung führt dazu, dass
diese Leistungen nicht abgerechnet werden können.
3. Ärztliches Berufsrecht
Bei Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten können seitens der Kassenärztlichen
Vereinigung Disziplinarmaßnahmen bis zum Entzug der Zulassung erlassen werden.
4. Steuerrecht
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes besteht bei nicht persönlich erbrachten
Leistungen die Gefahr einer Veranlagung zur Gewerbesteuer.
5. Versicherungsrecht
Bei unzulässiger Delegation von Leistungen besteht die Gefahr von Deckungsproblemen
bei Haftungsfällen.
Ergebnis
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Delegation von Kontrastmittelinjektionen
bei Beachtung der dargestellten Verpflichtungen (Aufklärung, Einwilligung des Patienten,
Ausbildung und Überwachung des Hilfspersonals) zwar zulässig, aber durchaus risikobehaftet
ist. Eine einheitliche Rechtsprechung existiert nicht und auch in der juristischen
Literatur besteht keine Einigkeit. Das bedeutet, dass nicht genau vorher gesagt werden
kann, wie in einem Streitfall über diese Leistungsdelegation entschieden werden würde.
Empfohlen werden kann in diesem Bereich, die Delegation der Injektionen von Kontrastmitteln
durch nichtärztliches Personal in ihrer Häufigkeit möglichst auf sehr arbeits- und
stressintensive Zeiten zu begrenzen und in diesen Fällen besonders auf die korrekte
Dokumentation der Leistungserbringung zu achten.