Rofo 2007; 179(7): 755-756
DOI: 10.1055/s-2007-982604
Mitteilungen der DRG

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Gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung der KV - Ausschreibungsverfahren im Mammografie-Screening

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Publication Date:
26 June 2007 (online)

 
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Bereits im Jahr 2002 wurde vom Bundestag die Einführung eines qualitätsgesicherten, bundesweiten und förderungsbezogenen Mammografie-Screening-Programms für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren nach den europäischen Leitlinien beschlossen. Der Auftrag, ein solches Programm zu installieren, erging an die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Spitzenverbände der Krankenkassen. Aufgrund des Umfangs des Programms erfolgte die Entwicklung in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie dem Bundesamt für Strahlenschutz und den zuständigen Landesbehörden.

Grundlage für die Auswahl der am Screening-Programm teilnehmenden Ärzte ist ein öffentliches Ausschreibungsverfahren. Jeder interessierte Radiologe oder Gynäkologe, der über die Fachkunde im Strahlenschutz und die fachlichen Voraussetzungen zur kurativen Mammografie sowie zu Mamma-Sonografie verfügt, kann sich als sog. Pogrammverantwortlicher Arzt (PVA) in einer Screening-Einheit bewerben, idealerweise bereits zusammen mit einem von ihm ausgewählten Team an kooperierenden Ärzten (Befundern, Pathologen) und radiologischen Fachkräften. Hierzu ist ein detailliertes Konzept einzureichen, aus dem die fachlichen Voraussetzungen des Arztes und seines Teams ersichtlich sind und dargestellt ist, welche Praxisausstattung und apparative Ausstattung geplant oder ggf. bereits vorhanden ist. Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung wählt aus den Bewerbern den nach Eignung und bestmöglicher räumlicher Zuordnung für die Versorgung der Frauen geeignetsten aus und erteilt diesem im Einvernehmen mit den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene eine Genehmigung. Die Genehmigung ist mit der Auflage verbunden, dass der Arzt innerhalb von höchstens neun Monaten die für den Screening-Betrieb erforderlichen spezifischen fachlichen Qualifikationen (z. B. Fortbildungsveranstaltungen, praktische Tätigkeit im Referenzzentrum) erwirbt und die Realisierung der im Bewerbungskonzept beschriebenen baulichen und apparativen Maßnahmen nachweist. Ist dies erfolgt, kann mit der Übernahme des Versorgungsauftrages begonnen werden.

Bewerben sich nach erfolgter Ausschreibung mehrere Ärzte für das Screening-Programm, hat die zuständige KV eine Auswahlentscheidung zu treffen. Diese trifft sie gem. § 25 Abs. 5 Satz 3 SGB V auf der Grundlage der Bewertung der Qualifikation der Bewerber und der geeigneten räumlichen Zuordnung ihres Praxissitzes für die Versorgung im Rahmen eines in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-RL) geregelten Ausschreibungsverfahrens. Weitere Einzelheiten zur Erteilung des Versorgungsauftrages sind insbesondere in Abschnitt B Nr. 4 lit. i) der Krebsfrüherkennungs-RL geregelt. Hiernach hat die KV unter mehreren Bewerbern, die an dem Ausschreibungsverfahren teilnehmen, den PVA nach pflichtgemäßen Ermessen auszuwählen. Für diese Auswahl sind die persönliche Qualifikation des Bewerbers, Verfügbarkeit und Qualifikation der kooperierenden Ärzte sowie seiner Mitarbeiter in der Screening-Einheit, Praxisausstattung, Praxisorganisation und apparative Ausstattung sowie die geeignete räumliche Zuordnung für die Versorgung der Frauen maßgeblich. Bei mehreren gleich geeigneten Bewerbern, die einen Versorgungsauftrag übernehmen wollen, entscheidet die bestmöglich räumliche Zuordnung über die Versorgung der Frauen.

Gegen diese Auswahlentscheidung der KV steht dem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit eines Rechtsmittels (Widerspruchs) zu. Im Falle einer für den unterlegenen Bewerber negativen Entscheidung über diesen Widerspruch, kann dieser daran anschließend Klage vor dem zuständigen Sozialgericht gegen die Auswahlentscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung in Form der Widerspruchsentscheidung erheben.

Die Ermessenentscheidung der KV unterliegt einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung daraufhin, ob die KV von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, alle wesentlichen Umstände ermittelt worden sind, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt worden ist, gesetzliche Grenzen der Ermessensausübung beachtet worden sind und keine Willkürentscheidung getroffen worden ist.

Dabei hat das Gericht zunächst den Zeitpunkt zu bestimmen, der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dieser ergibt sich aus dem materiellen Recht. In der Regel ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der KV abzustellen. Erfüllen die Bewerber im Auswahlverfahren entscheidende Voraussetzungen erst zu einem späteren Zeitpunkt, wird deshalb die zeitlich frühere Verwaltungsentscheidung nicht rechtswidrig. Denn ansonsten liefen die Regelungen in den Krebsfrüherkennungs-RL leer, wonach vollständig und fristgerecht eingereichte Konzepte der Bewerber zur Organisation eines Versorgungsauftrages berücksichtigt werden müssen, die erkennen lassen, dass sich die Anforderungen an ein Mammografie-Screening innerhalb des vorgegebenen Zeitraums verwirklichen und im Routinebetrieb aufrechterhalten lassen.

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Genehmigungserteilung an ermächtigte Ärzte

Neben niedergelassenen Vertagsärzten kommen nach einem aktuellen Beschluss des SG Schwerin vom 29.03.2007 (Az.: S 3 ER 182/06 KA) auch ermächtigte Ärzte als PVA in Betracht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä i.V.m. Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV gelten die "in diesem Vertrag für Vertragsärzte getroffenen Regelungen ... auch für ... ermächtigte Ärzte ..., soweit nichts anderes bestimmt ist." Diese Regelung entspricht nach Auffassung des Gerichts dem in SGB V angelegten Grundsatz grundsätzlicher Gleichstellung der zugelassenen und der ermächtigten Ärzte. Etwas anderes könnte nach Ansicht des Gerichts nur dann in Betracht kommen, wenn und soweit vertragliche Bestimmungen mit ausreichender Deutlichkeit ihre Geltung für ermächtigte Ärzte wirksam ausschlössen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. § 25 SGB V verwendet nur den Begriff des "Arztes". Die Krebsfrüherkennungs-RL sprechen von dem "PVA" bzw. den "Bewerbern". Voraussetzungen für die Bewerbung und Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens sollen sich aus den §§ 4 und 5 der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV ergeben. Gem. § 3 Abs. 2 der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV wird der "Vertragsarzt", dem die Genehmigung auf Übernahme des Versorgungsauftrages nach § 4 erteilt worden ist, Programmverantwortlicher Arzt genannt. § 4 spricht wiederum nur von den Bewerbern, ohne nähere Eingrenzungen in Bezug auf den Teilnahmestatus. Aus der Verwendung des Begriffs "Vertragsarzt" in Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV sei somit nach Auffassung des Gerichts eine Beschränkung auf die niedergelassenen Ärzte und eine Ausgrenzung ermächtigter Ärzte nicht abzuleiten.

Nach Ansicht des Gerichts wird der Terminus Vertragsarzt darüber hinaus zwar im SGB V in der Wendung "Zulassung als Vertragsarzt" auf die niedergelassenen Kassenärzte bezogen, aber nicht auf sie beschränkt. Für niedergelassene Vertragsärzte sei an sich der Ausdruck "zugelassene Ärzte" gebräuchlich, gerade wenn es um die Unterscheidung von den ermächtigten Ärzten geht. Der zeitlich nach einem vergleichbaren Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.03.1999 (Az.: B 6 KA 19/98 R) vereinbarte besondere Versorgungsauftrag in Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV wäre nach Auffassung des Gerichts anders formuliert worden, wenn die ermächtigten Ärzte hätten ausgeschlossen sein sollen.

Des Weiteren ist nach Ansicht des Gerichts Sinn und Zweck des besonderen Versorgungsauftrages die Sicherung der Versorgungsqualität und der Wirtschaftlichkeit im Rahmen des Programms zur Früherkennung von Brustkrebs. Wenn aber die Bewertung der KV ergibt, dass die fachlichen und sonstigen Voraussetzungen an die Leistungserbringung von einem ermächtigten Arzt besser erfüllt werden, liefe es nach Ansicht des Gerichts dem Zweck zuwider, dem Vertragsarzt allein aus formellen Gründen den Vorrang einzuräumen und den ermächtigten Krankenhausarzt auszuschließen.

Nach § 116 SGB V i.V.m. §§ 31 und 31a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) können Ermächtigungen zur Abwendung von Unterversorgung oder zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung hinsichtlich besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erteilt werden. Die Erteilung einer Ermächtigung setzt damit nach ständiger Rechtsprechung des BSG einen quantitativ-allgemeinen Bedarf oder einen qualitativ-speziellen Bedarf voraus. Das SG Schwerin hat in seiner Entscheidung die Beurteilung der Zulassungsgremien, die Übernahme des Versorgungsauftrages könne nicht durch niedergelassene Vertragsärzte sichergestellt werden, keiner eigenen Überprüfung unterzogen, sondern diese Feststellung der Zulassungsgremien akzeptiert und nicht beanstandet. Es erscheint zweifelhaft ob dies ausreichend ist, einen entsprechenden Bedarf anzunehmen. Man kann nicht davon ausgehen, dass der Screening-Auftrag eine Ausnahme von der Rechtsprechung des BSG beinhalten soll. Auch im Rahmen des Screenings soll grds. der Vorrang der niedergelassenen Ärzte gelten und Ermächtigungen nur im o.g. Rahmen möglich sein. Eine Würdigung durch das SG Schwerin hinsichtlich der tatsächlich besseren qualitativen Erfüllung der Versorgung der Patientinnen im Rahmen des Screening-Auftrags durch den ermächtigten Krankenhausarzt ist nicht erfolgt.

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Bedingte Erteilung des Versorgungsauftrages möglich

Nach Ansicht des SG Schwerin kann die Erteilung des Versorgungsauftrages mit einer aufschiebenden Bedingung bzw. Nebenbestimmung versehen werden, dass die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung noch erteilt werden muss. Letztlich kann die Ermächtigung nach Ansicht des Gerichts daher auch auf die Beteiligung am Mammograhpie-Screening begrenzt werden. Auch dies unterliegt nach Auffassung des Gerichts keinen Bedenken. In einem solchen "gestuften Verfahren" kann eine Entscheidung im Ermächtigungsverfahren des Krankenhausarztes damit noch nachträglich nach Erteilung des aufschiebend bedingten Versorgungsauftrages für das Mammografie-Screening erfolgen. Dies heißt letztlich nichts anderes, als dass die Ermächtigung einzig und allein zur Übernahme des Versorgungsauftrags erteilt werden kann.

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Fazit

Die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung der KV im Rahmen des Mammografie-Screenings erfolgte durch das SG Schwerin bislang nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Wege einer sog. summarischen Prüfung. Dennoch kann bereits jetzt festgehalten werden, dass die Bestimmung eines ermächtigten Krankenhausarztes zum PVA grds. zulässig ist, da dies in den Krebsfrüherkennungs-RL nicht ausgeschlossen ist. Die KV hat jedoch im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung den gesetzlich angeordneten Vorrang niedergelassener Vertragsärzte und die Rechtsprechung des BSG hierzu zu berücksichtigen. Nur wenn eine entsprechende Abwägung ergibt, dass ein ermächtigter Arzt vor dem Hintergrund der im Screening-Auftrag angeordneten räumlichen und zeitlichen Nähe der Versorgung für die Patientinnen besser geeignet ist, kann dieser den Versorgungsauftrag erhalten. Dies hat das SG Schwerin nicht ausreichend gewürdigt, so dass dies voraussichtlich erst im Rahmen des noch laufenden Hauptsachverfahrens geklärt werden kann.

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