Die lebenslange korrekte Einnahme der immunsuppressiven Medikamente ist eine wichtige
Voraussetzung dafür, dass ein Transplantat seine Funktion behält und im fremden Körper
überlebt. Allerdings erweist sich die Annahme, Transplantierte hätten generell eine
besonders gute Compliance, um ihrem Transplantat die optimalen Voraussetzungen für
den langfristigen Erhalt der Funktion zu geben, als falsch. Dies zeigen auch die Ergebnisse
verschiedener Studien.
Zwei große Metaanalysen zahlreicher Studien an Nierentransplantierten legen erschreckende
Zahlen offen: Die mittlere Prävalenz von Non-Compliance betrug 22,3 bzw. 27,7 % [5], wobei die Spannbreite zwischen 2 und 67 % lag [2]. Dabei wurde als Non-Compliance das Vergessen oder Auslassen einzelner Dosen, bewusste
Therapiepausen (sogenannte "drug holidays"), das Ändern der Dosierung oder die fallweise
verspätete Einnahme des Immunsuppressivums definiert. Zu vergleichbaren Ergebnissen
kam eine große prospektive Studie, in der 22,6 % der Patienten als non-compliant identifiziert
wurden (Abb. [1]; [12]).
Abb. 1 Non-Compliance (Mittelwerte) nach Nierentransplantation in verschiedenen Studien
(nach [2], [5], [12])
Risiko für akute Abstoßungen und Transplantatverluste erhöht
Risiko für akute Abstoßungen und Transplantatverluste erhöht
Die Konsequenzen von Non-Compliance bei der Einnahme immunsuppressiver Medikamente
liegen auf der Hand. Aufgrund der variierenden Exposition mit dem Immunsuppressivum
ist eine kontinuierliche gleichmäßige Suppression der gegen das Transplantat gerichteten
Immunantwort nicht gegeben. Die Non-Compliance ist wahrscheinlich der wichtigste Risikofaktor
für späte akute Abstoßungen, diese wiederum sind ein wesentlicher Risikofaktor für
chronische Transplantatnephropathie ("chronic allograft nephropathy", CAN) und Transplantatverlust
[12].
In der genannten prospektiven Studie wurden die Folgen von Non-Compliance über fünf
Jahre untersucht. Bei 21,2 % der Patienten, die im ersten Jahr nach Transplantation
als non-compliant identifiziert worden waren, traten späte akute Abstoßungen auf.
Die Abstoßungshäufigkeit bei den Patienten, die die Immunsuppressiva korrekt eingenommen
hatten, lag dagegen bei 8 % (Abb. [2]). Non-Compliance erhöhte somit das Risiko für späte akute Abstoßungen um den Faktor
3,2 (Cox-Regressionsanalyse). Non-Compliance war zudem mit einer deutlich schlechteren
Nierenfunktion assoziiert, was sich bei diesen Patienten in einem signifikant höheren
Anstieg des Serumkreatinins manifestierte (Abb. [3]; [12]).
Abb. 2 Anteil der Patienten ohne späte akute Abstoßungen bei Non-Compliern und Compliern(p
= 0,03) (modifiziert nach Vlaminck, [12])
Abb. 3 Veränderung des Serumkreatinins bei Non-Compliern und Compliern (p < 0,001)
(modifiziert nach Vlaminck, [12])
Die beiden Metaanalysen bestätigten diese Zusammenhänge. Auch sie zeigten eine starke
Korrelation zwischen Non-Compliance und einer erhöhten Inzidenz von späten akuten
Abstoßungen sowie Transplantatverlusten [2], [5]. Butler et al. kamen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass bei mangelnder Therapietreue
das Risiko für Transplantatverluste versiebenfacht ist und 36% der Transplantatverluste
mit Non-Compliance assoziiert waren [2]. Die Analyse von Denhaerynck et al. ergab, dass jede fünfte späte akute Abstoßung
und jeder sechste Transplantatverlust auf die Nichteinhaltung des immunsuppressiven
Therapieregimes zurückzuführen war [5].
Da Non-Compliance ein beeinflussbarer Risikofaktor für CAN und erhöhte Morbidität
ist, sind die Überprüfung der Compliance und das Verständnis der Einflussfaktoren
essenziell, um rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Therapietreue
einzuleiten.
Non-Compliance multifaktoriell bedingt
Non-Compliance multifaktoriell bedingt
Die Compliance ist ein multidimensionales Phänomen, das durch das Zusammenspiel von
etwa 200 Faktoren aus fünf Kategorien determiniert wird. Es handelt sich dabei um
sozioökonomische, patientenbezogene, krankheitsbezogene und therapiebezogene Faktoren.
Hinzu kommen Faktoren, die im Zusammenhang mit dem Behandlungsteam und dem Gesundheitssystem
stehen. Weit verbreitet ist noch die Meinung, die Compliance werde hauptsächlich von
Faktoren beeinflusst, die im Patienten selbst liegen. Diese jedoch gehören nur zu
einer von fünf Kategorien, das heißt eine Vielzahl weiterer Faktoren kann das Verhalten
des Patienten und dessen Vermögen, seine Behandlung korrekt durchzuführen, beeinträchtigen
[11]. Häufig identifizierte Risikofaktoren für Medikamenten-Non-Compliance sind in Tabelle
[1] aufgeführt.
Tab. 1 Häufig identifizierte Risikofaktoren für Medikamenten-Non-Compliance
Wesentliche, die Compliance beeinflussende Faktoren sind in der Medikation selbst
begründet. Komplexe Einnahmeschemata mit unterschiedlichen Medikamenten, eine Vielzahl
von Tabletten und spezielle Einnahmemodalitäten stellen hohe Anforderungen an den
transplantierten Patienten. Die Korrelation zwischen der Häufigkeit der erforderlichen
Tabletteneinnahmen und Non-Compliance ist in der Medizin allgemein bekannt und wurde
für unterschiedliche chronische Erkrankungen wie Arthrose, Diabetes mellitus und Morbus
Parkinson nachgewiesen [9].
Dies trifft auch auf die immunsuppressive Therapie bei transplantierten Patienten
zu. Wie eine prospektive Studie zeigte, ist die Dosierungsfrequenz ein unabhängiger
Risikofaktor für Non-Compliance bei der Einnahme von Immunsuppressiva. Folglich lässt
sich mit einer täglichen Einmalgabe die Wahrscheinlichkeit für eine gute Compliance
gegenüber einer Zweimalgabe mehr als verdoppeln (Abb. [4]; [13]). Eine Metaanalyse verschiedener Studien kam zu dem Ergebnis, dass der beste Prädiktor
für eine gute Compliance eine einfache Therapie ist [7].
Abb. 4 Wahrscheinlichkeit für Compliance in Abhängigkeit von der Dosierungsfrequenz
(modifiziert nach Weng, [13])
Ein enger Zusammenhang besteht zudem zwischen Nebenwirkungen der Medikation, Lebensqualität
und Compliance. Besonders häufig führen kosmetische Nebenwirkungen der Immunsuppression
wie Gingivahyperplasie, Hypertrichose oder Stiernacken zu einem Nichteinhalten der
Therapieschemata. Sie haben primär keinen Einfluss auf Morbidität und Mortalität,
können für den Patienten allerdings eine extreme subjektive Belastung darstellen,
seine Lebensqualität negativ beeinflussen und zur Non-Compliance bis hin zum Therapieabbruch
führen [3], [6].
Strategien zur Förderung der Compliance
Strategien zur Förderung der Compliance
Strategien zur Verbesserung der Compliance verfolgen drei Ziele, nämlich die Prävention
der Non-Compliance, die kontinuierliche Beachtung potenzieller Symptome für Non-Compliance
(Compliance-Monitoring), um Non-Compliance so früh wie möglich zu erkennen, sowie
die umgehende Intervention bei Identifikation einer Non-Compliance [6].
Die Grundlage zur Prävention von Non-Compliance bildet die Schulung des Patienten
über die Erkrankung und die notwendige Medikation. Dazu gehört in erster Linie die
Information über die Relevanz der regelmäßigen und pünktlichen Einnahme der immunsuppressiven
Medikation sowie über potenzielle Nebenwirkungen. Von besonderer Bedeutung ist die
Schulung von Verhaltensstrategien. Sie beinhaltet vor allem den sicheren Umgang mit
den Medikamenten und Erinnerungshilfen zur Sicherung einer regelmäßigen und pünktlichen
Einnahme sowie Maßnahmen zur Optimierung der Lebensqualität. Je nach Persönlichkeitstypus
des Patienten kann auch Bedarf an emotionaler Unterstützung bestehen [6].
Die Patientenschulung alleine genügt meist nicht zur Sicherung der Therapietreue.
Denn wesentliche Faktoren, welche die Medikamenten-Compliance beeinflussen, sind die
Häufigkeit der erforderlichen Medikamenteneinnahme und die Verträglichkeit der Therapie.
Dabei gilt: "Je einfacher die Verordnung, desto besser die Compliance" [10]. Eine Verbesserung der Compliance ist bei Immunsuppressiva zu erwarten, deren Einnahme
einfach ist und die nur einmal täglich einzunehmen sind. Subjektiv als nicht akzeptabel
empfundene Nebenwirkungen müssen bei der individuellen Auswahl der Immunsuppression
Berücksichtigung finden.
Dr. Hedwig Weisser, München
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Astellas Pharma GmbH, München