Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-985768
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Augenbeschwerden bei Flugreisen - Das trockene Auge
Publication History
Publication Date:
21 September 2007 (online)
- Bedingungen und Anforderungen an die Atmosphäre und das Klima in der Kabine
- Der Tränenfilm - Schutz für die empfindliche Augenoberfläche
- Auswirkungen der Kabinenatmosphäre auf den Tränenfilm
- Behandlung der Augenbeschwerden
- Literatur
Die Verkehrsflugzeuge für den kommerziellen Passagiertransport bewegen sich in Höhen, die für den Menschen absolut lebensfeindlich sind, etwa wegen der niedrigen Temperaturen, dem reduzierten Luftdruck und dem niedrigen Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Man ist daher auf ein autarkes Druck- und Klimatisierungssystem angewiesen.
In den heute üblichen Reiseflughöhen von 40000 Fuß muss im Flugzeug künstlich ein konstanter Kabinendruck hergestellt werden, der nach den geltenden Bestimmungen dem atmosphärischen Gesamtluftdruck einer Höhe von 8000 Fuß (ungefähr 2500 Meter) entspricht.
#Bedingungen und Anforderungen an die Atmosphäre und das Klima in der Kabine
Die Kabinenatmosphäre wird dabei durch mehrere Gegebenheiten entscheidend beeinflusst. Der im Vergleich zu dem in dieser Höhe herrschenden geringen atmosphärischen Druck erhöhte Kabinendruck wird durch Kompression von Außenluft in den Triebwerken und anschließende Einleitung in die Kabine erzeugt.
Der Wasseranteil der äußeren Atmosphäre ist aufgrund der extrem niedrigen Temperaturen in Reiseflughöhe ohnehin schon äußerst gering. Durch die technische Kompression der Außenluft wird ihr noch zusätzlich Feuchtigkeit entzogen. Die Luft anzufeuchten ist nicht möglich, da neben der Gefahr von Korrosionsbildung auch das Risiko der Vereisung der feuchten Luft an der eiskalten Flugzeugzelle besteht [4].
Im Rahmen des Lungenstoffwechsels des Menschen wird Sauerstoff aufgenommen und Kohlendioxid als Abbauprodukt wieder ausgeatmet. Im geschlossenen System Flugzeugkabine würde daher ohne entsprechende Vorkehrungen allmählich der Sauerstoffgehalt sinken und der Kohlendioxidgehalt zunehmen.
In einem Flugzeug ist die vollständige Durchlüftung des Innenraums problematisch, da eine hohe Anzahl von Passagieren auf sehr engem Raum untergebracht werden muss. Durch die technischen Beschränkungen für die Führung von Lüftungskanälen aufgrund der vielfältigen Hindernisse, beispielsweise der zahlreichen Sitzreihen, kann es zu Inhomogenitäten in Form sogenannter "CO2-Nester" kommen. Zudem muss nicht nur das ausgeatmete Kohlendioxid, sondern auch die sonstigen Ausdünstungen der Insassen verdünnt werden.
Diesen Schwierigkeiten kann man im Flugzeug nur durch eine extrem hohe Luftströmungsgeschwindigkeit beikommen [17]. Die Strömungsgeschwindigkeit der Frischluft im Flugzeug muss aus diesen Gründen höher angesetzt werden, als dies zum Beispiel an einem normalen Büroarbeitsplatz empfehlenswert ist [1].
Bei hinreichender Ausspülung des Kohlendioxids durch die Luftströmung wird gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit der Kabinenatmosphäre weit abgesenkt. Typische Messwerte liegen bei relativen Feuchten von 5-15 % auf Langstreckenflügen. In beheizten Räumen wird jedoch im Allgemeinen eine relative Luftfeuchtigkeit von 40-45 % als angenehm empfunden.
Die Strömung der Luft in der Längsrichtung der Kabine von vorne nach hinten führt zu einer leichten Zunahme der Luftfeuchte. In der ersten Klasse mit großen Sitzabständen kann die Luftfeuchte bis auf 4,3 % sinken, in der deutlich dichter bestuhlten Economy-Class werden dagegen etwas höhere Werte gemessen [1].
Abbildung [1] zeigt die unterschiedlichen relativen Luftfeuchten in den unterschiedlichen Kabinenabschnitten. In der Kabine wie auch im Cockpit herrscht eine extrem niedrige Luftfeuchte, die bei den Mitgliedern der Crew und den Passagieren Beschwerden verursachen kann. In direktem Zusammenhang mit der niedrigen Luftfeuchte stehen die sehr häufig auftretenden typischen Augenbeschwerden wie Brennen, Fremdkörper- oder Sandkorngefühl und Rötungen, die durch Störungen des Tränenfilms verursacht werden.

Abb. 1 Die unterschiedlichen relativen Luftfeuchten (ungefähre Prozentangaben) in unterschiedlichen Kabinenabschnitten
Der Tränenfilm - Schutz für die empfindliche Augenoberfläche
Das sogenannte trockene Auge ist eine krankhafte Veränderung des Tränenfilms, die durch Tränenmangel oder exzessive Verdunstung der Tränenflüssigkeit entsteht und mit Schädigungen der Augenoberfläche und Symptomen einhergeht [12]. Die Augenoberfläche wird durch einen dreischichtigen Tränenfilm befeuchtet, mit Nährstoffen versorgt und von äußeren Einflüssen geschützt.
Abbildung [2] zeigt einen schematischen Aufbau des Tränenfilms. Die innere Muzinphase ist eine dünne Schleimschicht, die direkt auf der Augenoberfläche liegt und diese erst durch die Tränenflüssigkeit benetzbar macht. Den mengenmäßigen Hauptteil des Tränenfilms bildet die wässrige Phase, die aus Wasser und darin gelösten Bestandteilen, wie Nährstoffen, Proteinen und Elektrolyten besteht. Obwohl sie den weitaus größten Anteil stellt, spielt die wässrige Phase in Zusammenhang mit dem trockenen Auge nur eine untergeordnete Rolle. Bei gerade einmal 8 % der Betroffenen sind die Beschwerden alleine durch eine Störung dieser Schicht, das heißt einen quantitativen Tränenmangel, verursacht [7]. Auch bei den hier beschriebenen Tränenfilmstörungen ist ein quantitativer Tränenmangel als Ursache zu vernachlässigen.

Abb. 2 Der Aufbau unseres Tränenfilms
Ganz im Vordergrund stehen dagegen die Störungen der Lipidphase, welche den Tränenfilm zur Luft hin abgrenzt und für seine Stabilität eine entscheidende Bedeutung hat. Eine intakte Lipidschicht reduziert die Verdunstung der Tränenflüssigkeit um bis zu 95 %. Demgemäß führt eine gestörte Lipidschicht zu einer exzessiven Verdunstung der Tränenflüssigkeit. Lipidphasenstörungen gelten generell als die mit Abstand häufigste Ursache für das trockene Auge und liegen statistisch gesehen bei 78 % der Betroffenen vor [7].
#Auswirkungen der Kabinenatmosphäre auf den Tränenfilm
Die Lipidschicht des Tränenfilms reagiert sehr empfindlich auf den Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden Luft. Veränderungen der Luftfeuchtigkeit führen zu bedeutenden Veränderungen der Lipidschicht [8], wobei eine hohe Luftfeuchtigkeit mit einer niedrigeren Verdunstungsrate der Tränenflüssigkeit in Beziehung steht [15].
Eine äußerst niedrige Luftfeuchtigkeit, wie sie aufgrund der beschriebenen Umstände in der Flugzeugkabine vorzufinden ist, führt zu einer Beeinträchtigung der Lipidschicht und damit einhergehend zu einem deutlichen Stabilitätsverlust des gesamten Tränenfilms und einem hohen Verdunstungsverlust. Bei den Insassen machen sich bereits nach relativ kurzer Zeit typische Symptome bemerkbar.
In besonderem Maße leiden Kontaktlinsenträger unter diesen ungünstigen Bedingungen. Bereits das Tragen der Kontaktlinsen an sich führt zu einer Störung der Lipidschicht und einer Erhöhung der Verdunstungsrate [9]. Ohne adäquate Behandlung kann es dann unter den in der Kabine herrschenden Bedingungen zur Unverträglichkeit der Kontaktlinsen kommen.
#Behandlung der Augenbeschwerden
Im Allgemeinen wird das trockene Auge nach wie vor überwiegend mit Tränenersatzmitteln oder Benetzungsmitteln in Form von Augentropfen und Augengels behandelt, obwohl die Unzulänglichkeiten dieser Therapie wohl bekannt und weitestgehend unbestritten sein dürften.
Das Einträufeln von Augentropfen oder -gelen führt zu einer zusätzlichen und anhaltenden Störung der Lipidschicht [5] und damit zu einer Erhöhung der Verdunstung [14]. Die Anwendung eines Augengels verbietet sich für die Crew-Mitglieder schon wegen der damit verbundenen längerfristigen Störung der Sehschärfe.
Wie in einer Studie zudem festgestellt wurde, kehrt die Verdunstungsrate nach dem Einträufeln von Augentropfen erst zirka 40 Minuten später wieder auf die Ausgangswerte zurück, was auch als "rebound dry eye"-Effekt bezeichnet wird [16]. Der Anwendungsbereich der Tränenersatzmittel beschränkt sich somit auf die wenigen Fälle des Tränenmangels [6].
Für den Bereich der Lipidphasenstörungen hat sich dagegen das neue Therapiekonzept mit einem liposomalen Augenspray (Tears Again®) in klinischen Studien [11] als auch in eigenen Untersuchungen [2] sehr gut bewährt. Das Augenspray enthält Phospholipid-Liposomen, die einfach auf das geschlossene Auge gesprüht werden. Ein Teil der aufgesprühten Phospholipid-Liposomen gelangt über den Lidrand auf den Tränenfilm und kann die gestörte Lipidschicht wieder stabilisieren, da Phospholipide für die Stabilität und Struktur der Lipidschicht von entscheidender Bedeutung sind [3].
Aufgrund der dargestellten Ursachen der Tränenfilmstörungen und den dadurch verursachten Augenbeschwerden ist das liposomale Augenspray hier auch aus flugmedizinischer Sicht als Mittel der ersten Wahl für Crew-Mitglieder wie auch für betroffene Passagiere zu empfehlen. Außerdem hat sich die Behandlung mit dem liposomalen Augenspray im direkten Vergleich mit einem Benetzungsmittel gerade auch bei Kontaktlinsenträgern als deutlich überlegen erwiesen [10].
Dr. med. Hans Brandl, Fürstenfeldbruck
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der optima Pharmazeutische GmbH, Moosburg
Hinweis: aktualisierte Version vom 17.09.2007
#Literatur
- 01 Bergau L . Luftqualität an Bord von Verkehrsflugzeugen. Dtsch Arztebl. 1997; 94 (49) 34-39
- 02 Brandl H . Therapie des Trockenen Auges bei Störungen der Lipidphase. Wehrpharmazie und Wehrmedizin. 2005; 29 (2) 55-56
- 03 Dausch D . Lee S . Dausch S . et al . Vergleichende Studie zur Therapie des Trockenen Auges bedingt durch Lipidphasenstörungen mit lipidhaltigen Tränenpräparaten. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2006; 223 974-983
- 04 Frank PW . Flugphysiologie. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 1999; 93 476-479
- 05 Guillon JP . Abnormal lipid layers. Observation, differential diagnosis, and classification. Adv Exp Med Biol. 1998; 438 309-313
- 06 Heiligenhaus A . Koch JM . Kemper D . et al . Therapie von Benetzungsstörungen. Klin Monatsbl Augenheilkd. 1994; 204 162-168
- 07 Heiligenhaus A . Koch JM . Kruse FE . et al . Diagnostik und Differenzierung von Benetzungsstörungen. Ophthalmologe. 1995; 92 6-11
- 08 Korb DR . Greiner JV . Glonek T . et al . Effect of periocular humidity on the tear film lipid layer. Cornea. 1996; 15 129-134
- 09 Korb DR . Tear film-contact lens interactions. Adv Exp Med Biol. 1994; 350 403-410
- 10 Künzel P . Fabian E . Kontaktlinsenträger und Trockenes Auge: ein neues Therapiekonzept mit einem liposomalen Augenspray. Tagung der Vereinigung Bayerischer Augenärzte, München-Großhadern, 7.-8.06.2006. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2006; 223 S 2
- 11 Lee S . Dausch S . Maierhofer G . Dausch D . Ein neues Therapiekonzept zur Behandlung des Trockenen Auges - die Verwendung von Phospholipid-Liposomen. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2004; 221 825-836
- 12 Lemp MA . Report of the National Eye Institute/Industry workshop on Clinical Trials in Dry Eyes. CLAO J. 1995; 21 221-232
- 13 Lufthansa. Cabin air quality, 2002.
- 14 Mathers W . Evaporation from the ocular surface. Exp Eye Res. 2004; 78 389-394
- 15 Mathers WD . Ocular evaporation in meibomian gland dysfunction and dry eye. Ophthalmology. 1993; 100 347-351
- 16 Trees GR . Tomlinson A . Effect of artificial tear solutions and saline on tear film evaporation. Optom Vis Sci. 1990; 67 886-890
- 17 Wenzel J . Physiologische Randbedingungen für die Auslegung von Flugzeugkabinen, Workshop von DGLR/EADS-Airbus "Flugzeugkabine/Kabinensysteme - Die nächsten Schritte", Hamburg-Finkenwerder, 10.-11.05.2001. Tagungsband: DGLR-Bericht. 2001; 01 39-40
Literatur
- 01 Bergau L . Luftqualität an Bord von Verkehrsflugzeugen. Dtsch Arztebl. 1997; 94 (49) 34-39
- 02 Brandl H . Therapie des Trockenen Auges bei Störungen der Lipidphase. Wehrpharmazie und Wehrmedizin. 2005; 29 (2) 55-56
- 03 Dausch D . Lee S . Dausch S . et al . Vergleichende Studie zur Therapie des Trockenen Auges bedingt durch Lipidphasenstörungen mit lipidhaltigen Tränenpräparaten. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2006; 223 974-983
- 04 Frank PW . Flugphysiologie. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 1999; 93 476-479
- 05 Guillon JP . Abnormal lipid layers. Observation, differential diagnosis, and classification. Adv Exp Med Biol. 1998; 438 309-313
- 06 Heiligenhaus A . Koch JM . Kemper D . et al . Therapie von Benetzungsstörungen. Klin Monatsbl Augenheilkd. 1994; 204 162-168
- 07 Heiligenhaus A . Koch JM . Kruse FE . et al . Diagnostik und Differenzierung von Benetzungsstörungen. Ophthalmologe. 1995; 92 6-11
- 08 Korb DR . Greiner JV . Glonek T . et al . Effect of periocular humidity on the tear film lipid layer. Cornea. 1996; 15 129-134
- 09 Korb DR . Tear film-contact lens interactions. Adv Exp Med Biol. 1994; 350 403-410
- 10 Künzel P . Fabian E . Kontaktlinsenträger und Trockenes Auge: ein neues Therapiekonzept mit einem liposomalen Augenspray. Tagung der Vereinigung Bayerischer Augenärzte, München-Großhadern, 7.-8.06.2006. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2006; 223 S 2
- 11 Lee S . Dausch S . Maierhofer G . Dausch D . Ein neues Therapiekonzept zur Behandlung des Trockenen Auges - die Verwendung von Phospholipid-Liposomen. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2004; 221 825-836
- 12 Lemp MA . Report of the National Eye Institute/Industry workshop on Clinical Trials in Dry Eyes. CLAO J. 1995; 21 221-232
- 13 Lufthansa. Cabin air quality, 2002.
- 14 Mathers W . Evaporation from the ocular surface. Exp Eye Res. 2004; 78 389-394
- 15 Mathers WD . Ocular evaporation in meibomian gland dysfunction and dry eye. Ophthalmology. 1993; 100 347-351
- 16 Trees GR . Tomlinson A . Effect of artificial tear solutions and saline on tear film evaporation. Optom Vis Sci. 1990; 67 886-890
- 17 Wenzel J . Physiologische Randbedingungen für die Auslegung von Flugzeugkabinen, Workshop von DGLR/EADS-Airbus "Flugzeugkabine/Kabinensysteme - Die nächsten Schritte", Hamburg-Finkenwerder, 10.-11.05.2001. Tagungsband: DGLR-Bericht. 2001; 01 39-40

Abb. 1 Die unterschiedlichen relativen Luftfeuchten (ungefähre Prozentangaben) in unterschiedlichen Kabinenabschnitten

Abb. 2 Der Aufbau unseres Tränenfilms