Am 2. März 2007 wäre Professor Helmut Jusatz 100 Jahre alt geworden. Mit dem Namen
Jusatz verbindet die Medizin, insbesondere die Tropenhygiene und die Geografie, den
Begriff "Geomedizin". Ausgehend von dem durchaus geopolitisch, miltärstrategisch und
neo-kolonialistisch orientrierten "Seuchenatlas" von Zeiss zwischen 1940 und 1944,
über das von Rodenwaldt und Jusatz zwischen 1952 und 1961 herausgegebene größte geomedizinische
Kartenwerk, den dreibändigen "Weltseuchenatlas", entwickelte Jusatz in den 1960er-
und 1970er-Jahren ein eigenes Konzept der "Geomedizin" hin zu einem Begriff, den wir
seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts als "Global Public Health" bezeichnen.
Ökologische Sichtweise der Bedingungen von Gesundheit und Krankheit
Ökologische Sichtweise der Bedingungen von Gesundheit und Krankheit
Als Vertreter der klassischen Hygiene und Leiter der geomedizinischen Forschungsstelle
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften wies Jusatz immer wieder auf die Bedeutung
der "Bio- und Soziosphäre" für Verursachung und Persistenz von Krankheiten hin. Die
ökologische Sichtweise der Bedingungen von Gesundheit und Krankheit in der Tradition
des 18. und 19. Jahrhunderts war ihm ein besonderes Anliegen, wie dies Frank Barrett
in seiner Darstellung der medizinischen Geografie ausgiebig würdigt (Barrett, FA.
Disease & Geography: The History of An Idea. York, Ontario: York University, Atkinson
College, 2000).
Dies spiegelt sich nicht nur in vielen seiner nahezu 300 Publikationen, sondern auch
in den zahlreichen internationalen geomedizinischen Symposien auf Schloss Reisensburg
und in der Herausgabe von sechs Bänden der Schriftenreihe "Medizinische Landeskunden"
wider. Seine Ideen und das Konzept einer ökologischen Sichtweise der Medizin führte
sein Nachfolger unter Mitberücksichtigung des "Gesundheitssystems" in Richtung "Gesundheitssystemforschung"
und "Internationales Gesundheitswesen" weiter, die das Institut weit über die Grenzen
Deutschlands hinaus bekannt machten.
Grundidee der hippokratischen "Salubrität des Ortes" lebt weiter
Grundidee der hippokratischen "Salubrität des Ortes" lebt weiter
Dessen Nachfolger wiederum, Prof. Rainer Sauerborn, griff nun die Grundidee der hippokratischen
"Salubrität des Ortes" in seinen Bemühungen um eine "Umwelthygiene" wieder auf, die
sowohl die globalen sozio-ökonomischen, wie auch die Klimaveränderungen und ihre Einwirkung
auf Gesundheit und Krankheit zum Forschungsgegenstand haben. So lebt diese über 50-jährige
Tradition des Uniklinikums Heidelberg mit hoch aktueller gesundheitswissenschaftlicher
und gesundheitspolitischer Relevanz weiter.
Am 2. März 1907 in Gotha geboren, studierte Jusatz Medizin in Innsbruck, Marburg,
Berlin, Prag und Jena, wo er 1932 promovierte. Auf Assistentenjahre am Hygiene-Institut
in Marburg folgte eine Tätigkeit als wissenschaftliches Mitglied der Preußischen Landesanstalt
für Wasser-, Boden- und Lufthygiene in Berlin. 1940 habilitierte Jusatz sich für das
Fach Hygiene und Mikrobiologie. Nach Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft und amts- und
werksärztlicher Tätigkeit erfolgte 1952 die Umhabilitation nach Heidelberg, wo er
die Fächer Tropenhygiene, Öffentliches Gesundheitswesen, Sozial- und Arbeitsmedizin
lehrte.
Zahlreiche akademische und öffentliche Ehrungen im In- und Ausland
Zahlreiche akademische und öffentliche Ehrungen im In- und Ausland
1962 erfolgte die Ernennung zum Direktor der neu geschaffenen Abteilung für Tropenhygiene
und Öffentliches Gesundheitswesen. Im Laufe seinen akademischen Lebens erfuhr Jusatz
viele akademische und öffentliche Ehrungen und Auszeichnungen im In- und Ausland.
Als Leiter der Gesundheitskommission der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen war es sein Anliegen, "Internationales Gesundheitswesen" und die gesundheitlichen
Belange der Entwicklungsländer der im Allgemeinen wenig interessierten Fachöffentlichkeit
nahe zu bringen. 1976 wurde Professor Jusatz emeritiert, er wirkte weiter in der geomedizinischen
Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bis zu seinem Tod am
27. April 1991.
Prof. em. Hans Jochen Diesfeld