Z Orthop Unfall 2007; 145(4): 405
DOI: 10.1055/s-2007-986515
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fellowship in den USA - Als Clinical Fellow am Brigham and Women’s Hospital

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Publication Date:
02 October 2007 (online)

 
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PD Dr. Marius von Knoch war Anfang dieses Jahres für zwei Monate Clinical Fellow am Brigham and Women’s Hospital in Boston, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Massachusetts. Von Knoch, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Orthopädie der Universität Duisburg-Essen, berichtet über seine Erfahrungen.

Anfang 2007 hatte ich Gelegenheit, als regulärer Clinical Fellow für 2 Monate am Brigham and Women’s Hospital in Boston, MA zu arbeiten. Das "Brigham" gehört zur Harvard Medical School. Der Aufenthalt wurde durch ein Stipendium des Rowe Carter Shoulder Fund im Rahmen des Intercontinental Shoulder Fellowships finanziert. Das Fellowship ist ein in den USA voll akkreditiertes Fellowship, welches meist von Amerikanern absolviert wird, bei Erfüllung aller Auflagen aber auch von Nichtamerikanern genutzt werden kann. Somit waren für die Stelle ein gültiges US-Examen (ECFMG) und eine Limited Medical License für Massachusetts Voraussetzung. Die Erlangung der letzteren war mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden.

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Arthroskopische und offene Verfahren der Schulterchirurgie

Formal war ich am "Sport Medicine and Shoulder Service" beschäftigt. Der Shoulder Service ist in Massachusetts und NeuEngland Anlaufstelle für Schulterprobleme aller Art, insbesondere für komplexere Probleme und Revisionsfälle. Zudem werden hier gerne Patienten mit komplexen und schwerwiegenden Begleiterkrankungen behandelt. Alle aktuellen arthroskopischen und offenen Verfahren kommen zur Anwendung. Meine Aufgabe bestand darin, Patienten mit Schulterproblemen zu operieren und Sprechstunden abzuhalten. Mir übergeordnet war ein sog. "Attendant", etwa einem Leitenden Arzt entsprechend. Dieser legte erfreulicherweise sehr viel Wert darauf, mich weiterzubilden. Dies bedeutete, dass er mir bei selteneren Eingriffen geduldig seine Strategie erklärte und mich dann die Eingriffe durchführen ließ. Mit Rücksicht auf meine Limited License war eine gewisse Erreichbarkeit (Nachbarsaal) des Attendants bzw. Gegenwart zu gewährleisten - aber dies wurde so diskret arrangiert, dass ich mich weitgehend unabhängig fühlen konnte.

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Der "Physician Assistant"

Unserem Team waren zwei "Residents" (=Assistenzärzte) zugeordnet, die durch den Attendant und mich theoretisch und operativ geschult wurden. Sehr gut gefallen hat mir die Unterstützung des Teams durch einen so genannten "Physician Assistant". Dieser steht von seiner Ausbildung und Tätigkeit her zwischen Pflege und ärztlichem Dienst und hat eigenständige Patientenkontakte im Rahmen der OP-Vorbereitung und Nachsorge. Im OP kann er z.B. die Operation beginnen, etwa im Rahmen einer diagnostischen Arthroskopie, außerhalb des OPs kann er z.B. auch Injektionen vornehmen. Die Assistenzärzte werden täglich theoretisch geschult. Entsprechend ist das theoretische Wissen sehr hoch. Praktisch sind die Assistenzärzte am Ende ihrer Ausbildung soweit, dass sie Standardeingriffe der Orthopädie wie Endoprothesen oder Arthroskopien an der unteren Extremität eigenständig durchführen können. Hinsichtlich der Schulterchirurgie ist das Niveau der Assistenten nicht ganz so hoch. Dies wird dann aber im Rahmen des Fellowships nachgeholt.

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Lange Arbeitszeiten

Gewöhnungsbedürftig war am Anfang, dass für Sprechstunden und Operationen drei verschiedene Standorte genutzt wurden, so dass man tagsüber recht viel unterwegs war. Dank guter Organisation und elektronischer Patientenakten gelingt der Informationsfluss zwischen den Standorten meist reibungslos. Interessant war für mich zu sehen, dass bei einem im Vergleich zu Deutschland deutlich geringerem Dokumentationsaufwand für ärztliches Personal die Operationsaufklärung direkt vor dem Eingriff in Kurzform innerhalb von 1-2 Minuten erledigt wurde. Hier hätte ich größeren Aufwand vermutet. Operationsberichte wiederum waren eher detaillierter als in Deutschland. Die Arbeitszeiten waren mit 10 bis 18 Stunden täglich lang, ständige Rufbereitschaft am Wochenende war vorausgesetzt, auch wenn es recht wenig Notfälle gab. Verschlüsselungstätigkeiten für Ärzte gab es im Prinzip gar nicht. Bemerkenswert waren die im Vergleich zu deutschen OPs eher weniger dogmatischen Hygienevorschriften. Dies ist zwar allgemein bekannt, setzt aber dann, wenn man es hautnah erlebt, doch in Erstaunen. Dennoch konnte ich nicht beobachten, dass es mehr Wundinfekte gegeben hätte.

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Aufwendige US - Examina

Ich habe die Zeit als Fellow in Boston wegen der freundlichen Aufnahme und der interessanten operativen Tätigkeit als gewinnbringend erlebt. Insbesondere, ein anderes Gesundheitssystem als Akteur von innen kennen zulernen. Der bürokratische Aufwand vor Antritt meines klinischen Fellowships ist meines Erachtens jedoch in der aktuellen Form zum Erlangen einer "Medical License" kaum mehr zumutbar. Ich denke daher, dass die Durchführung der aufwendigen medizinischen US-Examina vor diesem Hintergrund vor allem dann Sinn macht, wenn ein dauerhafter beruflicher Wechsel in USA angestrebt wird.

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PD Dr. med. Marius von Knoch

PD Dr. med. Marius von Knoch

Klinik für Orthopädie,

Universität Duisburg-Essen,

Email: mariusvonknoch@yahoo.com

 
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