Z Orthop Unfall 2007; 145(4): 417-418
DOI: 10.1055/s-2007-990727
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Humeruskopf - Inverse Schulterprothetik bei 3- und 4-Part-Humeruskopffrakturen bei Älteren

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Publication Date:
02 October 2007 (online)

 
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Reverse shoulder arthroplasty for the treatment of three- and four-part fractures of the proximal humerus in the elderly. A prospective review of 43 cases with short-term follow-up. Bufquin T., Hersan A., Hubert L., Massin P. J. Bone Joint Surg. [Br] 89 (2007) 516-520.

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Einleitung

Die inverse Schulteralloarthroplastik auf der Basis der Grundlagen, die von P. Grammont geschaffen wurden, bietet Lösungsmöglichkeiten für Problemsituationen bevorzugt des älteren Menschen (z. B. bei nicht anderweitig rekonstruierbaren Rotatorenmanschettendefekten), die mit Hilfe der konventionellen Schulterprothetik nicht adäquat adressiert werden können (u. a. Salvagesituationen). Höhergradige Humeruskopffrakturen, insbesondere bei gleichzeitiger Luxation, des alten Menschen haben eine ernste Prognose aufgrund des hohen Risikopotenzials (z. B. Humeruskopfnekrose, mechanisch limitierte Verankerungsmöglichkeiten eines Osteosyntheseimplantats). Die guten mittelfristigen Ergebnisse mit der inversen Prothese bei degenerativen Erkrankungen der Schulter legen den Schluss nahe, typische Probleme der primären Osteosynthese, der konventionellen primären und sekundären Hemiarthroplastik mit Hilfe der Primärimplantation einer inversen Prothese umgehen und auch Zweiteingriffe vermeiden zu können.

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Material und Methoden

In einem 5-Jahreszeitraum wurden 43 Patienten in Folge mit einem mittleren Alter von 78 Jahren (Spannweite 65-97 Jahre) nach einer dislozierten Humeruskopffraktur (5 dislozierte 3-Part-Frakturen nach NEER, 38 dislozierte 4-part-Frakturen, davon 12 Luxationsfrakturen) mit einer inversen Prothese (Delta) versorgt. 20 Patienten wurden über einen deltoideo-pektoralen Zugang, 23 über einen antero-superioren Delta-Split-Zugang operiert. Bei 36 Schultern wurden die Tuberkula nahtrefixiert. Die Patienten wurden in Halbjahresabständen untersucht. Daneben erfolgten regelmäßig standardisierte Röntgenaufnahmen unter Vergleich mit der nicht operativ versorgten Schulter. Es kamen die Scores nach Constant und Murley, ASES und DASH zur Anwendung. Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug 22 Monate.

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Ergebnisse

Postoperative Komplikationen wurden bei 12 Patienten festgestellt (5 temporäre Nervenläsionen, 3 CRPS II, 2 Frakturen, 2 Dislokationen). Eine Redislokation der Tuberkula war bei 19 Patienten (53 %) manifest mit Fehlstellung bei 5 Patienten (13,8 %) und Pseudarthrose bei 14 Patienten (38,8 %), ein Notching am Skapulahals bei 10 Schultern (25 %) ohne Lockerung, heterotope Ossifikationen bei 36 Schultern (90 %) zu verzeichnen. Eine Komponentenlockerung oder ein Infekt waren nicht festzustellen. Im Mittel konnte eine aktive Elevation von 97° (kontralaterale Schulter 140°), eine aktive Abduktion von 86° (kontralaterale Schulter 97°) und eine mittlere aktive Außenrotation von 30° (kontralaterale Schulter 71°) erreicht werden.

Die funktionellen Ergebnisse waren deutlich altersabhängig. Zahlreiche Patienten waren wenig schmerzgeplagt (12,5 von 15 Punkten im Constant/Murley-Score). Die Absolutwerte für den Constant/Murley-Score der operierten Schulter lagen bei 44 Punkten (Gegenseite 69 Punkte); der ASES Score betrug für die operierte Seite 9 Punkte (kontralateral 21 Punkte), der DASH Score 44 Punkte. Das Outcome wurde weder vom Zugangsweg noch von der Tatsache beeinflusst, ob die Tuberkula angeheilt waren. Tendenziell war aber die Außenrotation bei anatomisch korrekt eingeheilten Tuberkula besser bzw. das Gesamtergebnis günstiger, wenn das Rotationszentrum des Glenohumeralgelenks verglichen mit der kontralateralen Schulter nach inferior verschoben war.

Die Autoren schlussfolgern, dass trotz der hohen Komplikationsrate die inverse Schulterprothetik aufgrund der guten Schmerzkupierung und der manifesten funktionellen Resultate eine valide primäre Behandlungsoption für die Problemfrakturen des Humeruskopfes des älteren Menschen darstellt und die geänderte biomechanische Situation der inversen Prothese (Medialisation und Distalisierung des Drehzentrums) die Konsequenzen einer fehlgeschlagenen Refixation/Rekonstruktion der Tuberkula limitiert.

Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Mittlmeier

Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

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Kommentar

Wenngleich in einer kleineren limitierten retrospektiven Studie tendenziell bessere funktionelle Resultate als in der vorliegenden Arbeit berichtet wurden [1], liegen die funktionellen Ergebnisse beim Primäreinsatz der inversen Prothese als Frakturprothese unter jenen, die bei degenerativen Indikationen berichtet wurden [2]. Ergebnisse einer multizentrischen Studie der konventionellen primären Hemiarthroplastik liegen bei geringerem mittlerem Alter in einem annähernd vergleichbaren Bereich [3]. Damit bleibt zunächst der Einsatz der inversen Prothese als primäre Frakturprothese den Beweis schuldig, dass hiermit bessere Resultate als mit der konventionellen Technik zu erwarten sind. Inwieweit mit Hilfe der inversen Prothese mittel- bis langfristig das Zentralproblem der konventionellen Schulter(fraktur-)prothese, nämlich die korrekte und dauerhafte Einheilung der Tuberkula, egalisiert werden kann, und ob diese Resultate von Dauer sind, bleibt weiterhin und idealerweise direkt die beiden Verfahren vergleichenden Studien vorbehalten.

Univ.-Prof. Dr.med. Thomas Mittlmeier

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Literatur

  • 01 Cazeneuve JF . Cristofari DJ . (2006). Grammont reversed prothesis for acute complex fracture of the proximal humerus in an elderly population with 5 to 12 years follow-up.  Rev. Chir. Orthop. Reparatrice Appar. Mot.. 92 543-548
  • 02 Matsen F.A III. Boileau P . Walch G . Gerber C . Bicknell R.T . (2007). The reverse total shoulder arthroplasty.  J. Bone Joint Surg [Am]. 89 660-667
  • 03 Kralinger F . Schwaiger R . Wambacher M . Farrell E . Menth-Chiari W . Lajtai G . Hübner C . Resch H . (2004). Outcome after primary hemiarthroplasty for fracture of the head of the humerus.  J. Bone Joint Surg. [Br]. 86 217-219
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Literatur

  • 01 Cazeneuve JF . Cristofari DJ . (2006). Grammont reversed prothesis for acute complex fracture of the proximal humerus in an elderly population with 5 to 12 years follow-up.  Rev. Chir. Orthop. Reparatrice Appar. Mot.. 92 543-548
  • 02 Matsen F.A III. Boileau P . Walch G . Gerber C . Bicknell R.T . (2007). The reverse total shoulder arthroplasty.  J. Bone Joint Surg [Am]. 89 660-667
  • 03 Kralinger F . Schwaiger R . Wambacher M . Farrell E . Menth-Chiari W . Lajtai G . Hübner C . Resch H . (2004). Outcome after primary hemiarthroplasty for fracture of the head of the humerus.  J. Bone Joint Surg. [Br]. 86 217-219