DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2007; 5(04): 1
DOI: 10.1055/s-2007-993802
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Osteopedia?

N. N.
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 November 2007 (online)

 

    Wenn die Definition eines Gegenstands tief greifende Diskussionen hervorruft, geht es offenbar ans Eingemachte und darum, wichtige Territorien zu verteidigen. Die Diskussion um das Stichwort Osteopathy in der Online-Enzyklopädie Wikipedia[1] zeigt, dass sowohl die inhaltliche Bestimmung dessen, was osteopathische Praxis ist, als auch die Bewertung ihrer Effektivität die Nerven frei legt. Das Symbol einer aus der Balance geratenen Waage weist auch gleich darauf hin, dass der Inhalt des Artikels umstritten ist, und wer auf die Diskussionsseite weiterklickt, kann einen Eindruck davon bekommen, wie emotional geladen die Kritik zuweilen ist.

    Große Teile der Diskussion sind der besonderen Situation der Osteopathie in den USA geschuldet. Man könnte es als einen klassischen Fall kaltstellender Beförderung betrachten: Osteopathie ist formell als ärztliche Disziplin anerkannt, wird aber klinisch kaum praktiziert. Die Doctors of Osteopathy (D.O.) praktizieren eine Medizin, die sich in ihrer eigenen und der Patienten Wahrnehmung von den Medical Doctors (M.D.) in nichts unterscheidet. Jene, die osteopathische Prinzipien und Techniken studieren und anwenden, sind meist keine Osteopathen und wissen oft nicht, was sie derOsteopathie schulden. Wie lässt sich diese verquere Realität in einer Definition klarstellen? - nur unter Schmerzen!

    Oberflächlich betrachtet kreist die Diskussion um die Effektivität osteopathischer Behandlungen und darum, ob die Aussage Osteopathie rege die Selbstheilungskräfte an wissenschaftlich haltbar ist. Hier muss sich die Osteopathie allen kritischen Einwürfen stellen, ohne aus den Augen zu verlieren, dass diese Art von Behauptung schlechthin nicht falsifizierbar ist. Sie stellt eine Mischung aus Glaubenssatz, physiologischem Verständnis und klinischer Erfahrung dar. Wie dem auch sei, was für alle Erklärungsmodelle gilt, gilt auch hier: der (reproduzierbare) klinische Erfolg ist unabhängig von der Richtigkeit des Erklärungsmodells.

    Die Wikipedia-Diskussion macht deutlich, dass beim Definieren auf unterschiedliche Erfahrung zurückgegriffen wird. Das ist legitim und wird an der Differenz von klinischen und nicht-klinischen Osteopathen deutlich. Wer soll Osteopathie definieren, jene, die diese klinisch praktizieren, oder jene, die sich wissenschaftlich über ihre Geltung Gedanken machen? Bei all dem dürfen wir aber nicht vergessen, dass Osteopathie mit dem Versprechen verbunden ist, Patienten im Heilungsprozess zu unterstützen. Hier können wir uns weder hinter gesicherten Erkenntnissen noch hinter Glaubenssätzen verstecken, das entscheidet sich nun einmal in der Praxis am konkreten Schicksal der Hilfe suchenden Menschen.

    Die DO wird diese Kontroverse darüber, was Osteopathie ist und wie effektiv sie ist, konstruktiv aufnehmen und eine Artikelserie starten, die sich mit der Begründung osteopathischer Konzepte beschäftigt.

    Die Herausgeber


    #

    www.en.wikipedia.org/wiki/Osteopathy