Aktuelle Dermatologie 2008; 34(4): 107
DOI: 10.1055/s-2007-995785
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Maischolle und Hummer - beißt sich das?

Plaice and Lobster - Does that Bite?C.  Bayerl
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Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
Wilhelm-Fresenius-Klinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

Aukammallee 39

65191 Wiesbaden

Email: Christiane.Bayerl@HSK-Wiesbaden.de

Publication History

Publication Date:
05 May 2008 (online)

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    Prof. Dr. Christiane Bayerl

    Nahezu jedes Nahrungsmittel kann eine Allergie auslösen und viele dieser Allergien sind beschrieben worden - wenn auch nur kasuistisch. Die häufigsten können benannt werden. Nach kontinuierlichen Erhebungen von Wüthrich aus der Züricher Hautklinik sind häufige Nahrungsmittelallergene des Erwachsenen: Sellerie (42 %), Getreideprodukte (16 %), Karotten (13 %), Hühnerei (2 %) und Fisch (7 %). Wie ist es nun, darf ein Meeresfrüchte-/Krustentierallergiker eine Maischolle gefahrlos genießen?

    Die Häufigkeit einer Unverträglichkeit auf Seefische wird in den USA auf 2,3 % geschätzt. Natürlich ist zu differenzieren zwischen verschiedenen Entitäten wie allergischen Reaktionen, toxischen Reaktionen oder Infektionen. Nicht selten werden bei Fischallergie schwere anaphylaktische Reaktionen berichtet, die bereits 30 min nach Verzehr auftreten. Charakteristische klinische Bilder einer Fischallergie umfassen aber auch urtikarielle und gastrointestinale Symptome. Der weitere Verlauf einer Fischallergie soll anhand von zwei extrem gegensätzlichen Kasuistiken in seiner ganzen Spannbreite dargestellt werden. So wird berichtet über eine junge Frau mit bekannter Shrimps- und Hummer-Allergie, die sich mit anaphylaktischer Reaktion in einer Notfallambulanz vorstellte. Die Symptomatik hatte sich nach dem Kuss ihres Freundes entwickelt, der zuvor Shrimps gegessen hatte. Andererseits wird von einem 68-jährigen Patienten berichtet, bei dem eine Heilbutt-Allergie verschwunden war. Ehemals hatte sie zu anaphylaktischen Reaktionen mit stark positiver Hauttestreaktion geführt. Ein offener Nahrungsmittelprovokationstest mit Heilbutt war unauffällig verlaufen, ebenso wie die aktualisierte Hauttestung. Der Patient konnte in seinem weiteren Leben Lachs, Kabeljau und Heilbutt problemlos zu sich nehmen. Vor dergleichen heroischen Versuchen sollte jedoch eine Hauttestung vorgeschaltet werden, da nach bisheriger Lehrmeinung eine Fischallergie lebenslang anhält.

    Der lebende Hummer, der in heißes Wasser geworfen wird, scheint sich über das Auslösen allergischer Beschwerden „zu wehren”. Beruflich bedingtes allergisches Asthma bronchiale bei einem Koch ist beschrieben beim Zubereiten von Hummer. Bei dem Koch in dieser Kasuistik bestanden auch Kreuzreaktionen gegen verschiedene Schalentiere, Schellfisch, Kabeljau, Austern und Muscheln.

    Daraus ergibt sich die Frage der Kreuzreaktivität. Speziesspezifische Reaktionsmuster interessieren in diesem Zusammenhang. So wurde bei Kabeljauallergikern untersucht, ob sie Makrele, Hering und Scholle vertragen. Es zeigte sich eine starke Kreuzreaktivität gegen die Proteinfraktion Gad c1 von Kabeljau, ehemals als Protein M bekannt. Es zeigte sich keine Kreuzreaktion gegen Shrimps.

    In Spanien findet man in den Gläschen für Säuglingsnahrung bereits Verschiedenes an Fisch. Selbstverständlich werden auch im weiteren Leben dort häufig Seefisch, Krustentiere und Tintenfische verzehrt. 18 % der Nahrungsmittelallergien in Spanien beziehen sich auf Fische, davon 3,8 % auf Krustentiere und 1,6 % auf Tintenfische.

    Das gemeinsame Kreuzallergen zwischen Fisch und Amphibie sind Proteine von etwa 12 kD, die den Kalziumfluss im muskulären Sarkoplasma der Tiere kontrollieren, die Parvalbumine. Sie sind resistent gegen Hitze und enzymatische Digestion. Sie wurden auch in Kabeljau, Thunfisch und Lachs nachgewiesen.

    Im Fall von Krustentieren und Weichtieren, bei denen über Kreuzreaktionen berichtet wird, ist das Hauptallergen das Tropomyosin von 38 bis 41 kD, ein Protein, das für die Muskelkontraktion bei Wirbeltieren und Wirbellosen notwendig ist. Bei Wirbellosen sind diese Tropomyosine Panallergene, die verantwortlich sind für Kreuzreaktionen zwischen Krustentieren, Insekten, Milben, Würmern und anderen Weichtieren.

    Man geht davon aus, dass 50 % der Fischallergiker ein Risiko haben, auf eine zweite Spezies zu reagieren. Bei den Krustentierallergikern besteht ein Risiko von 75 % auf eine weitere Spezies zu reagieren, da sich die Tropomyosine stärker ähneln als die Parvalbumine. 40 % derer, die auf einen oder zwei Fische reagieren, können alle anderen Arten genießen. Am besten wird dabei der Thunfisch toleriert. Die stärksten Kreuzreaktionen zwischen Fischspezies bestehen bei Kabeljau (Gal c1), Lachs (Sal s1), Dorsch (c1), Hering und Seewolf. Weniger allergen sind Heilbutt, Flunder, Makrele und Thunfisch.

    Einen schönen Mai

    Prof. Dr. med Christiane Bayerl

    Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

    Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
    Wilhelm-Fresenius-Klinik
    Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

    Aukammallee 39

    65191 Wiesbaden

    Email: Christiane.Bayerl@HSK-Wiesbaden.de

    Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

    Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
    Wilhelm-Fresenius-Klinik
    Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

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