Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2000; 10(2): 50-57
DOI: 10.1055/s-2008-1057758
Wissenschaft und Forschung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Untersuchungen über Einflüsse von natürlichen Schwefelbädern und Kältekammerexpositionen auf das thermische Komfortempfinden bei Patientinnen mit Fibromyalgiesyndrom*

Influences of natural sulphur baths and cold-chamber expositions on thermal comfort in patients suffering from fibromyalgiaChr. Gutenbrunner1 , 3 , G. Englert3 , M. Neues-Lahusen3 , A. Gehrke2
  • 1Institut für Balneologie und Medizinische Klimatologie (Leiter: Prof. Dr. med. Chr. Gutenbrunner) in der Medizinischen Hochschule Hannover
  • 2Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation (Direktor: Prof. Dr. med. A. Gehrke) der Medizinischen Hochschule Hannover
  • 3Institut für Balneologie und Rehabilitationsforschung Bad Nenndorf (Leiter: Prof. Dr. med. Chr. Gutenbrunner), Bad Nenndorf
* Mit freundlicher Unterstützung durch den Heilbäderverband Niedersachsen e.V. und die Vereinigung für Bäder- und Klimakunde e.V.
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Publication History

Publication Date:
19 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Ziel: In der älteren balneologischen Literatur wird über ein bei Schwefelbädern eintretendes subjektives Wärmegefühl berichtet. Da Patienten mit Fibromyalgiesyndrom neben Schmerzen häufig unter Störungen der Thermoregulation mit meist gesteigertem Kältegefühl leiden, wurde auf Grund der genannten Beobachtungen die therapeutische Wirksamkeit von Schwefelbädern bei diesem Krankheitsbild untersucht, und zwar im Vergleich zu Kältekammerexpositionen. Gestaltung: 17 Patientinnen mit nachgewiesenem Fibromyalgiesyndrom (ACR-Kriterien) erhielten in systematisch variierender Reihenfolge thermoindifferente H2S-Vollbäder (20,4 mg H2S/I, 20 min), Kältekammerexpositionen (-67°C, 1-3 min) und einen Leerversuch mit konstantem Liegen. Mittels Peltierthermode wurden bei variierter Reihenfolge an der Hautoberfläche der Stirn die Temperaturempfindung sowie das thermische Komfortempfinden von 17,5-40 C in 2,5-°C-Schritten untersucht. Um eventuelle Störungen der Thermoregulation bei Fibromyalgiepatienten abgrenzen zu können, wurde der Leerversuch auch bei 17 gesunden Probandinnen durchgeführt. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigten bei den Patientinnen mit Fibromyalgiesyndrom im Vergleich zu den gesunden Versuchspersonen zunächst eine Tendenz zu kühlerer Temperaturempfindung im hypothermen und zu höherer Temperaturempfindung im warmen Bereich. Die sich hieraus ergebende Knickbildung in der ansonsten linearen Korrelation zwischen Temperaturempfindung und Thermodentemperatur war nach den Schwefelbädern sowie durch Kältekammerexpositionen nicht mehr nachweisbar. Darüber hinaus zeigte das Komfortempfinden in allen geprüften Temperaturbereichen im Mittel tendenziell höhere Werte. Die Änderung der Temperaturempfindung im Bereich von 17,5-27,5°C war nach beiden Anwendungsformen, nicht aber nach den Kontrolluntersuchungen, statistisch signifikant angehoben. Bei dem aus den Schnittpunkten der Komfortwertkurve mit den applizierten Temperaturen ermittelten thermischen Toleranzbereich zeigte sich, dass sowohl durch Schwefelbäderanwendungen als durch Kältekammerexpositionen der thermische Toleranzbereich statistisch signifikant zunahm. Eine solche Verbesserung der thermischen Toleranz war bei den Kontrollen nicht nachweisbar. Schlussfolgerungen: Es wird gefolgert, dass sowohl Schwefelbäder als auch Kältekammerexpositionen zu einer Ausweitung des thermischen Toleranzbereiches führen. Zusammen mit der in früheren Studien nachgewiesenen analgetischen Wirkung dürfte dieser Effekt zu der bereits in einer vorangegangenen Untersuchung nachgewiesenen subjektiven Befindensbesserung der Patientinnen mit Fibromyalgiesyndrom beigetragen haben. In weiteren Studien muss nunmehr geklärt werden, ob bei wiederholter Applikation stabile adaptive Besserungen thermischer Missempfindungen erzielt werden können.

Summary

Objective: In the former balneological literature reports are to be found on a subjective feeling of warmth occurring with sulphur baths. In addition to pain, patients with fibromyalgia frequently suffer from thermoregulation disturbances, mostly with an increased feeling of cold. On the basis of the observations made, the therapeutic effectiveness of sulphur baths is therefore examined in patients with this syndrome; this is done in a comparison with cold chamber exposure. Methods: 17 female patients with proven fibromyalgia (ACR criteria) were given thermo-indifferent H2S full baths (20.4 mg H2S/I, 20 min), cold-chamber exposures (-67°C, 1-3 min) and a control test in a constant prone position in a systematically varying order. Using a Peltier-Thermode the temperature sensitivity and the thermal comfort was detected between 17.5°C and 40°C in steps of 2.5°C. This was done at the skin surface of the forehead. In order to demarcate possible disturbances in the thermoregulation in patients with fibromyalgia, the control test was also carried out in 17 healthy test persons. Results: When compared with the healthy test persons, the results for the patients with fibromyalgia initially showed a trend towards an increased temperature sensitivity in the hypothermal range as well as in the hyperthermal temperatures. The resulting step in the otherwise linear correlation between temperature sensitivity and Thermode temperature could no longer be seen after the sulphur baths and the cold-chamber exposures. In addition, in all test tested temperature regions the sense of comfort tended towards higher mean values. The change in the temperature sensitivity in the region between 17.5°C and 27.5°C mat statistically significantly increased after both forms of application, but not after the control tests. At the thermic toleraeee region obtained from the points of intersection of the comfort-value curve and the applied temperatures it could be seen that the thermic tolerance region increased statistically significantly both as a result of the sulphur bath applications and of cold-chamber exposures. The controls did not reveal any similar improvement in the thermic tolerance. Conclusions: It is concluded that both sulphur baths and cold-chamber exposures lead to an extension of the thermic tolerance range. Together with the analgetic affect proven in earlier studies, this effect probably contributed to the subjective improvement in the sense of well-being of the patients with fibromyalgia that was proven in a previous study. Further studies must now clarify whether or not stable adaptive improvements of thermic dyscomfort can be achieved with repeated application.

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