Rofo 2008; 180(3): 265-267
DOI: 10.1055/s-2008-1063020
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Krankenunterlagen

- Wem obliegt diese Pflicht nach dem Tod des Praxisinhabers, wenn es an einem Praxisnachfolger mangelt ?-
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Rechtsanwälte Wigge

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Publication Date:
08 April 2008 (online)

 
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Einführung

Krankenunterlagen stehen im Eigentum des Arztes und unterfallen der ärztlichen Aufbewahrungspflicht, wobei diese sich über die Patientenkartei bis hin zu sämtlichen Ergebnissen von bildgebenden Verfahren (Röntgen, MRT, Sonographie etc.) erstreckt. Gem. § 10 Abs. 3 (Muster-) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) obliegt dem Arzt dabei die Pflicht, sämtliche ärztliche Aufzeichnungen über einen Zeitraum von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungsfrist besteht. Eine solche "andere gesetzliche Vorschrift" existiert hierbei u.a. im Hinblick auf Aufzeichnungen über Röntgenbehandlungen, welche gemäß § 28 Abs. 3 Röntgenverordnung (RöV) für eine Dauer von 30 Jahren nach der letzten Behandlung aufzubewahren sind. Nach Ablauf der jeweils maßgebenden Frist, können die Unterlagen vernichtet werden. Daneben sieht zudem § 10 Abs. 4 MBO-Ä vor, dass Ärztinnen und Ärzte auch im Falle der Praxisaufgabe die Aufbewahrung ihrer ärztlichen Aufzeichnungen und Untersuchungsbefunde unter Berücksichtigung der entsprechenden Fristen und Wahrung der Schweigepflicht zu gewährleisten oder mit Zustimmung der Patienten dafür Sorge zu tragen haben, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden.

Während die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung standesrechtlich also ihren Niederschlag in § 10 Abs. 3 und Abs.4 MBO- Ärzte findet, ist sie in zivilrechtlicher Hinsicht als eine Nebenpflicht des zuvor zwischen dem Arzt und den Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages zu qualifizieren. Daneben gilt es außerdem den Bereich des öffentlichen Rechts zu beachten, aus welchem für die Vertragsärzte ebenfalls eine Aufbewahrungspflicht resultiert. Diese wird wiederum durch § 57 Abs. 3 BMV-Ä ("Die ärztlichen Aufzeichnungen sind vom Vertragsarzt mindestens 10 Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht andere Vorschriften - z. B. die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung - RöV) - eine abweichende Aufbewahrungszeit vorschreiben.") bzw. § 13 Abs. 10 EKV ("Der Vertragsarzt hat die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Die ärztlichen Aufzeichnungen sind mindestens zehn Jahre aufzubewahren, soweit nicht andere Aufbewahrungsfristen vorgeschrieben sind.") konkretisiert, dessen Verbindlichkeit sich über die entsprechende Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung ergibt (§ 81 Abs. 3 Nr. 1 SGB V).

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Praxisaufgabe ohne Nachfolger

Wenn ein Arzt seine Praxis schlichtweg aufgibt, ist er, wie bereits dargelegt, standesrechtlich dazu verpflichtet, eine Aufbewahrung der Unterlagen unter Wahrung der Schweigepflicht zu gewährleisten. Mithin muss es den Patienten auch in einer solchen Situation weiterhin möglich sein, ihr Einsichts- und Auskunftsrecht wahrnehmen zu können. Fraglich ist somit jedoch, wie und vom wem eine ordnungsgemäße Aufbewahrung de Patientenunterlagen zu gewährleisten ist, wenn der Praxisinhaber verstirbt und sich auch kein Nachfolger für die Praxis finden lässt, so dass eine vollständige Praxisaufgabe im Sinne einer Auflösung erfolgt.

In einer derartigen Konstellation gilt es zu beachten, dass die standesrechtliche Aufbewahrungspflicht mit dem Tod des Praxisinhabers grundsätzlich erloschen ist, da das Standesrecht selbst nur die Person des Arztes wirksam erfassen kann. Hingegen gilt es in zivilrechtlicher Hinsicht zu beachten, dass die Praxis mit allen Rechten und Pflichten, also auch der Aufbewahrungspflicht der Krankenunterlagen, auf die Erben übergeht (so genannte Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB). Strafrechtlich gilt dies dabei selbst für die Schweigepflicht, an welche der Arzt gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) gebunden war. Hierbei sieht § 203 Abs. 3 StGB explizit eine "Gleichstellungsregelung" vor, nach welcher nach dem Tod des zur Wahrung des Geheimnisses Verpflichteten, also des Arztes, derjenige mit diesem gleichgesetzt wird, der das Geheimnis von dem Verstorbenen oder aus dessen Nachlass erlangt hat.

Bedingt durch diese aus dem Zivilrecht resultierende Gesamtrechtsnachfolge, ist daher von den Erben zu verlangen, dass sie "wie ein Arzt" alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine ordnungsgemäße Aufbewahrung der Krankenunterlagen zu ermöglichen. Wie bereits dargelegt müssen ärztliche Aufzeichnungen dabei grundsätzlich für die Dauer von 10 Jahren nach Behandlungsabschluss aufbewahrt werden sofern nicht eine längere Aufbewahrungspflicht, wie beispielsweise in § 28 Abs. 3 RöV, normiert ist. In dieser Norm heißt es dabei zudem:

"Die zuständige Behörde kann verlangen, dass im Falle der Praxisaufgabe oder sonstiger Einstellung des Betriebes die Aufzeichnungen und Röntgenbilder unverzüglich bei einer von ihr bestimmten Stelle zu hinterlegen sind; dabei ist die ärztliche Schweigepflicht zu wahren."

Ein Fall der "sonstigen Einstellung des Betriebes" dürfte dabei mit dem Tod des Praxisinhabers vorliegen. Die vorbezeichnete Aufforderung zur Hinterlegung dürfte denknotwendig allerdings wiederum lediglich gegenüber den Erben geltend gemacht werden können, da nur diese in der konkreten Situation als Ansprechpartner in Frage kommen.

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Anerkannte Aufbewahrungsmöglichkeiten

Sofern also von den Erben gefordert werden kann, dass diese "wie ein Arzt" im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Aufbewahrung alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, können diese anerkanntermaßen die nachfolgenden Aufbewahrungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen:

  1. Aufbewahrung in den eigenen Räumen, wobei diese Variante unter Umständen problematisch sein kann, wenn es sich nur um angemietete Räume handelt, für welche der Erbe laut Mietvertrag nicht der alleinige Zugriffsberechtigte ist.

  2. Weitergabe der Behandlungsunterlagen an einen niedergelassenen Kollegen im Einzugsbereich der geerbten Praxis. Dabei ist allerdings unbedingt an die Einholung der Zustimmung des Patienten zu denken, da ohne eine solche die Übergabe einsehbarer bzw. nicht gesicherter Behandlungsunterlagen gegen die ärztliche Schweigepflicht verstößt. Im Übrigen ist der Abschluss eines Verwahrungsvertrages zu bedenken.

  3. Inanspruchnahme eines privaten Archivierungsunternehmens. Auch in diesem Fall muss die Zustimmung des Patienten vorliegen. Die Begründung hierfür dürfte in der vergleichbaren Interessenlage hinsichtlich der bereits im Jahre 1991 vom Bundesgerichtshof (BGH) getroffene Entscheidung bzgl. der Weitergabe von Krankendanten an private Verrechnungsstellen zu sehen sein. Der BGH nahm bei mangelnder Zustimmung des Patienten ebenfalls einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht an.

  4. Aushändigung an den Patienten. Wie im Folgenden aufgezeigt werden wird, ist diese Weitergabe der Unterlagen im Ergebnis allerdings nicht unproblematisch.

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Aushändigung der Unterlagen an den Patienten

Neben den vorbenannten Möglichkeiten stellt sich die Frage, ob es den Erben nicht der Einfachheit halber gestattet sein könnte, die Unterlagen schlichtweg dem Patienten selbst auszuhändigen. Sofern man hierbei die auf der Ebene des Zivilrechts entstandene Aufbewahrungspflicht heranzieht, erscheint eine solche Aushändigung in der Tat rechtlich unbedenklich. Insoweit erweist sich die Aufbewahrungspflicht in diesem Rahmen als eine konkludente Nebenpflicht des zuvor geschlossenen Behandlungsvertrages. Sofern der Patient die Originalunterlagen jedoch entgegennimmt, kann dies im Ergebnis als Verzichtserklärung in Bezug auf die Erfüllung dieser ursprünglich begründeten Pflicht qualifiziert werden. Ein derartiger Verzicht dürfte aber ohne Weiteres möglich sein, da die Pflicht zur Aufbewahrung auf zivilrechtlicher Ebene vornehmlich zur Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche, d.h., zum Schutz des Patienten und zu seinen Gunsten besteht. Folglich vergibt dieser aber nichts, wenn er die Unterlagen in die eigene Obhut nimmt. Zudem handelt es sich um eine Pflicht, welche unmittelbar aus dem "Arzt-Patienten" resultiert. Im Ergebnis dürfte daher nichts dagegen stellen, die "ordnungsgemäße Aufbewahrung" in diesem Rahmen zur Disposition des Patienten zu stellen.

Fraglich ist allerdings, ob einer derartigen Aushändigung nicht die öffentlichrechtliche Aufbewahrungspflicht entgegensteht. Auch Pflichten öffentlichrechtlicher Natur sind grundsätzlich vererblich (Palandt-Edenhofer, BGB, § 1922 Rdnr.40.), wobei der Aufbewahrungspflicht in diesem Rahmen allerdings ein anders gelagerter Schutzzweck zukommen dürfte als im zivilrechtlichen Bereich. Insoweit gilt es nämlich zu beachten, dass sich die Normierungen des Bundesmantelvertrages lediglich auf das Verhältnis zwischen den Vertragsärzten und Krankenkassen beziehen. Sofern sich aber aus diesen Bestimmungen keinerlei Rechte und Pflichten für den Patienten ergeben, ist auch nicht ersichtlich, mit welcher Begründung für diesen die Art und Weise der ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Unterlagen zur Disposition stehen sollte. Eine Übergabe von Röntgenausnahmen an den Patienten selbst dürfte daher unter diesem Aspekt durchaus problematisch und damit letztlich abzulehnen sein.

Nichts desto trotz wird die Aushändigung der Krankenunterlagen an den Patienten derzeit von der Bundesärztekammer durchaus empfohlen. Die Aushändigung sollte dabei allerdings unbedingt schriftlich festgehalten und durch den Patienten bestätigt werden.

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Exkurs: Insolvenz

Verstirbt der Praxisinhaber und wird die Praxis auf Grund von Insolvenz endgültig aufgelöst, so kommt den Krankenunterlagen grundsätzlich kein wirtschaftlicher Wert zu. In der Konsequenz handelt es sich bei diesen folglich um kein Vermögen, welches zugunsten der Gläubiger verwertet werden könnte. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Praxis erhalten bliebe. Mithin werden diese Unterlagen in einer derartigen Konstellation aber auch nicht vom Insolvenzrecht erfasst, welches sich eben lediglich auf das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person bezieht.

Wäre die Praxis auf Grund der Insolvenz noch zu Lebzeiten des Praxisinhabers aufgelöst worden, hätte dieser auch weiterhin seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Unterlagen nachkommen müssen(Stichwort "gehörige Obhut"). Auf Grund seines Todes geht diese, wie bereits ausgeführt, daher also auch in dieser Konstellation entsprechend auf die Erben über.

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Einstandspflicht des Staates

Für den Fall, dass keine Erben vorhanden sind oder diese das Erbe ausschlagen, obliegt die Pflicht zu ordnungsgemäßen Aufbewahrung grundsätzlich dem Fiskus (vgl. § 1936 BGB). Dieser tritt allerdings ebenfalls ein, wenn zwar Erben existieren, diese aber zu einer sicheren Aufbewahrung weder Willens noch in der Lage sind. In einer derartigen Situation lassen sich die Patientenunterlagen letztlich gleichsam als faktisch herrenlos qualifizieren wie bei von vorneherein nicht vorhandenen Erben, so dass sich ein öffentliches Interesse an einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung ergibt. Insoweit wird die je nach Einzelfall zuständige Ärztekammer die Unterlagen ihrerseits in Obhut nehmen und gegen Gebühr archivieren sowie verwalten (vgl. z.B. Gesamtübersicht nach der aktuellen Gebührensatzung der Ärztekammer Schleswig-Holstein ab 01.01.2007, Aufbewahrung von Arztunterlagen: pro Patientendokumentation 0,50 €, pro Arztpraxis höchstens 2.500,00 €).

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