Psychiatr Prax 2008; 35(2): 104
DOI: 10.1055/s-2008-1064888
Mitteilungen der BDK

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

"Innere Differenzierung" Psychiatrischer Fachkrankenhäuser

Die Psychiatrieenquete und eine ihrer Folgen - Umfrageergebnisse der BDKManfred Wolfersdorf1 , Iris Hauth2 , Lothar Adler3 , Andreas Küthmann4
  • 1Bayreuth
  • 2Berlin
  • 3Mühlhausen
  • 4Memmingen
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Publication Date:
17 March 2008 (online)

 
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Hauptziel der "Psychiatrie-Enquete" war die Verbesserung der Menschen unwürdigen Unterbringungsbedingungen für psychisch Kranke in den deutschen Groß-Krankenhäusern der Nachkriegszeit, also ein letztlich humanistisches und gesundheitspolitisches Ziel. Die Analyse des damaligen Ist-Zustandes ergab ca. 120 000 Betten in Großkrankenhäusern (krankenhauszentrierte Psychiatrie), oft wohnortferne, lange Verweildauern, ein Überwiegen chronisch Psychosekranker (über die Hälfte der stationären Patienten, damit wurde die Klinik zum Lebensraum), keine Abteilungsgliederungen nach Störung oder Alter, häufig Männer und Frauen getrennt, häufig geschlossene Stationen, unzureichend Psychotherapie, wenig Gerontopsychiatrie, keine eigenständige Forensik, unzureichende Beachtung von Suchtpatienten, von neurotisch Kranken, von Psychotherapie-/Psychosomatikpatienten.

Was waren die Maßnahmen in den 70/80/90er-Jahren? Verkleinerung der Großkrankenhäuser (heute ca. 150-300 Betten Erwachsenenpsychiatrie pro Krankenhaus) durch Enthospitalisierung in gemeindenahe komplementäre Einrichtungen, Aufbau von regionalen Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie an den Allgemeinkrankenhäusern (Regionalisierung), Aufbau einer Gemeindepsychiatrie (Anzahl der Ärzte für Psychiatrie/Psychiatrie und Psychotherapie/Nervenärzte erhöht, Sozialpsychiatrische Dienste, Beratungsstellen), "Innere Differenzierung" in den Kliniken nach Allgemeinpsychiatrie, Suchtmedizin und Gerontopsychiatrie sowie nach stationär-teilstationär/Tageskliniken und ambulant/psychiatrische Institutsambulanzen (Ambulantisierung). Innerhalb der Abteilungen störungsspezifische Behandlungsangebote für Depression, Drogenentzug, Demenz, spezielle Psychotherapie/Psychosomatik, Krisenintervention, Borderline-Patienten, rehabilitative Akutbehandlung jüngerer schizophrener Patienten etc. Themen waren also Enthospitalisierung/Dezentralisierung/Regionalisierung, Sanierung der Krankenhäuser, Innere Differenzierung der Fachkrankenhäuser, Ambulantisierung, Reintegration von Psychotherapie/Psychosomatik.

Wie sieht es heute aus ("ausgewählte Ergebnisse aus "Psychiatrie in Deutschland" der AG Psychiatrie der AOLG der GMK, Februar 2007)? Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Psychotherapie 217, Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie 217, Anzahl Betten/Tagesklinikplätze (ohne Forensik) 54 271 (vollstationär 45 172, teilstationär 9 099, ohne Sucht, ohne Gerontopsychiatrie, ohne Forensik); Fachkrankenhäuser vollstationär 27 734, teilstationär 4 667, Fachabteilungen vollstationär 17 438, teilstationär 4 432. Suchtkrankenbehandlung 2 690 Betten/Plätze, Gerontopsychiatrie 2 421 Betten/Plätze, Psychiatrie insgesamt ohne Forensik 59 382 Betten/Plätze.

Wie findet nun heute Psychotherapie in Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik statt? Organisationsmodelle sind Einzel- und Gruppenpsychotherapie auf allen Stationen, sodann stationsübergreifende indikative Gruppentherapieangebote, meist störungsbezogen (z.B. Angstgruppe), störungsbezogene Stationen ("Spezialstationen für...... ") mit konzeptuell hohem Psychotherapieangebot und "Psychotherapiestationen"/Stationen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Psychotherapie als Haupt-Therapiemethode.

Eine Umfrage der Bundesdirektorenkonferenz 2004 zu dem Vorhandensein von Psychotherapiestationen (inkl. Depressionsstationen) erbrachte folgende Ergebnisse:

160 Kliniken in der BDK wurden befragt (Selbstauskunft): Rücklauf 96 (60%), auswertbar 93 (58%). Gesamtbettenzahl der angegebenen Psychotherapiestationen (inkl. Depressionsstationen) (93 Kliniken) ca. 22 000 Betten. Anteil der definierten Psychotherapiebetten 2 629,5 (12%, 93 Kliniken). Dabei weisen diese 93 Kliniken 104 Stationen für sog. Psychotherapie und 53 sog. Depressionsstationen auf. Die Anzahl der Aufnahmen betrug 2004 (für Bayern 2003) 22 943 Aufnahmen, das entspricht in etwa 12% aller Aufnahmen in den genannten 93 Kliniken in den definierten Psychotherapiebetten (inkl. Depressionsstation) (Wolfersdorf et al. 2006).

Eine Anmerkung zur bayerischen Situation. Die Projektgruppe des Bayerischen Staatsministeriums "Akutstationäre Versorgung von Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen in Bayern" hat Dezember 1999 ihr Gutachten mit Bedarfsberechnung (bei Verweildauer 50 Tage und Nutzungsgrad 90%) vorgelegt sowie Strukturanforderungen an die jeweiligen Abteilungen/Kliniken für Psychosomatik und Psychotherapie formuliert (Kindt et al. 1999, Wolfersdorf et al. 2004, Purucker et al. 2007). Eine Erhebung im Jahre 2002 ergab in 22 Bayerischen Bezirkskliniken 1 106 Betten und 111 Tagesklinikplätze für Akut-Psychotherapie/-Psychosomatik. Damit ist Psychotherapie nicht nur als Einstellung und als Behandlungsmethode in den Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der bayerischen Bezirkskrankenhäuser belegt, zumal etwa 50% dieser Akut-Betten damit in den Bezirkskliniken stehen, sondern diese sind auch als Struktur (Abteilungen, Stationen) benannt.

In einer erneuten Umfrage zum Stand 2006 (Publikation in Vorbereitung) werden 1 148 Betten sowie 81 Tagesklinikplätze für Akut-Psychotherapie/-Psychosomatik in Abteilungen für Psychotherapie/Psychosomatische Medizin der bayerischen Bezirkskrankenhäuser sowie erneut die Erfüllung der in den "Strukturanforderung" der damaligen Projektgruppe formulierten Qualitätsanforderungen belegt.

Literatur beim Erstautor

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Termine

17./18. April 2008 Frühjahrstagung der BDK in Telgte bei Münster