Kalorienreduzierte Diätformen sind im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde – und
das nicht erst seit Kurzem: Bereits 1869 löste William Banting eine ganz Europa erfassende
Diätwelle mit seiner deutlich kohlenhydratarmen Kost aus. Fast einhundert Jahre später,
in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, wurde dieses Konzept von Robert Atkins
aufgegriffen und durch eine enorme Medienpräsenz erneut populär gemacht (wobei die
wesentliche Modifikation der Verzicht auf die bei Banting erheblichen Alkoholmengen
war). Wissenschaftlich war die Atkins-Diät bis vor wenigen Jahren durchaus verpönt
und nicht akzeptiert und zwar wegen mutmaßlich ungünstiger Wirkungen auf den Cholesterinstoffwechsel.
Anfang dieses Jahrtausends lieferten dann aber mehrere kontrollierte Studien den Nachweis,
dass kohlenhydratreduzierte Diätformen nicht nur wirksam und unbedenklich, sondern
sogar günstig hinsichtlich kardiovaskulärer Risikofaktoren des Fett- und Glukosestoffwechsels
sind. Das lange gepflegte Vorurteil gegen diese Diätformen und die Ansicht, eine fett-
und eiweißreiche Kost wäre der Auslöser von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes,
wurden damit im Mark erschüttert.
Parallel zur begründbaren Akzeptanz kohlenhydratarmer Diäten gewannen in den letzten
Jahren die Begriffe glykämischer Index (GI), glykämische Last oder auch glykämisches
Glukoseäquivalent zunehmend Raum in der Fachpresse, weit mehr aber in der Laienpresse.
Trotz oder gerade wegen der großen Schwierigkeiten, aus den glykämischen Indices einzelner
Nahrungsmittel eine ganze Kostform mit ebenfalls bekanntem GI zu entwickeln, suggerierte
der Begriff des GI eine Wissenschaftlichkeit, die sich nur schwer belegen ließ. Wie
es um den Stellenwert des GI und der davon abgeleiteten Begriffe bestellt ist, schildert
in diesem Heft Hans-Joachim F. Zunft in seinem Übersichtsartikel „Glykämischer Index
und Glykämische Last – theoretisches Konstrukt oder überzeugendes Beratungskonzept?”.
Den praktischen Aspekt der Wirksamkeit kohlenhydratarmer Diätformen beschreibt zudem
Peter Heilmeyer in seinen Untersuchungen zur LOGI-Methode. Interessanterweise stand
LOGI ursprünglich für Low Glycemic Index und wurde später als Low Glycemic and Insulinemic
Diet umgedeutet. Die neue Begrifflichkeit beschreibt eine Kostform, die postprandiale
Blutzucker- und Insulinspitzen verhindern hilft. Dies gelingt praktisch durch eine
Senkung der Kohlenhydratmenge. Ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wichtigste Effekt
dieser Kostform, ist die automatische Reduktion der aufgenommenen Kalorienmenge, vermittelt
wahrscheinlich durch ein anhaltenderes Sättigungsgefühl. Dies wurde auch in kontrollierten
Studien zu kohlenhydratarmen Diäten oder der Atkins-Diät gefunden.
Klar ist, dass – nach der Bewegungsarmut – der Kaloriengehalt der Nahrung die wichtigste
Ursache der Adipositas- und Diabetes-Epidemie ist. Die Hinweise mehren sich dabei,
dass eher dem Kohlenhydratanteil in der Nahrung als dem Fett- oder Eiweißanteil die
Hauptrolle als letztlich dickmachender Energieträger zukommt.
Priv.-Doz. Dr. Edmund A. Purucker