Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43(4): 286-291
DOI: 10.1055/s-2008-1076612
Fachwissen
Topthema: Das akute Nierenversagen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wann und wie behandeln? Therapiestrategien im Überblick

Acute renal failure - How and when to treat?Dietrich Hasper
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Publication Date:
14 April 2008 (online)

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Zusammenfassung

Das akute Nierenversagen gehört zu den häufigsten Organversagen auf der Intensivstation. Mehrere Studien haben eindrucksvoll den ungünstigen Einfluss des Nierenversagens auf die Mortalität demonstrieren können. In diesem Sinne sollten kritisch kranke Patienten als Hochrisikokollektiv für Nierenfunktionsverschlechterungen angesehen werden und entsprechende präventive Maßnahmen zum Einsatz kommen. Neben der Optimierung des intravasalen Volumenstatus und der Aufrechterhaltung eines ausreichenden arteriellen Mitteldruckes umfasst dies auch die strenge Indikationsstellung vor Gabe nephrotoxischer Medikamente inklusive der Anwendung von Röntgen-Kontrastmitteln. Bei Patienten mit etablierter Nierenfunktionsverschlechterung stehen uns derzeit bis auf eine optimale supportive Behandlung nur sehr begrenzt kausale Therapiestrategien zur Verfügung. Durch Gabe von Diuretika kann die Flüssigkeitsbilanzierung dieser Patienten oft erleichtert werden, bezüglich der Nierenfunktion scheinen Diuretika jedoch eher einen ungünstigen Effekt zu besitzen.

Ein relevanter Anteil der Patienten mit akutem Nierenversagen muss im Verlauf mit einer Nierenersatztherapie behandelt werden. Hyperkaliämie, schwere Azidose, therapierefraktäre Flüssigkeitsüberladung sowie die urämische Perikarditis und Enzephalopathie zwingen dabei zum sofortigen Beginn einer extrakorporalen Therapie. Kleinere randomisierte Studien deuten darauf hin, dass insbesondere kritisch kranke Patienten von einem möglichst frühen Beginn einer Nierenersatztherapie profitieren können. In dieser Patientengruppe sollte bei einem Anstieg des Serumharnstoff über 100 mg/dl und bei frühen Zeichen der oben genannten Gründe die Indikation für eine Nierenersatztherapie überdacht werden. Große randomisierte multizentrische Studien der letzten Jahre haben zeigen können, dass eine einmal begonnene Nierenersatztherapie auch mit einer genügenden Intensität durchgeführt werden muss, um eine Mortaliätssenkung zu erzielen. Als Standard kann dabei eine tägliche Hämodialyse oder eine kontinuierliche Hämofiltration mit einem Filtratvolumen von 35 ml/kg/h gelten. Ob eine kontinuierliche Hämofiltration gegenüber einer intermittierenden Hämodialyse Vorteile bietet, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Ein Vorteil hinsichtlich einer Mortalitätssenkung durch das eine oder andere Verfahren konnte bislang auch in großen Metaanalysen nicht nachgewiesen werden.

Abstract

Acute renal failure is a common condition in intensive care units. The negative impact of acute renal failure on mortality has been demonstrated in recent studies. All critically ill patients should be regarded as a high risk population for renal failure. The optimization of intravasal fluid status and mean arterial pressure are preventive strategies in these patients. The use of nephrotoxic drugs (including radiocontrast media) should be avoided if possible. In cases of established acute renal failure today therapeutic strategies are still limited to best supportive care. The use of diuretics can facilitate fluid balance, however they seem to have an adverse effect on excretional renal function. A number of patients with acute renal failure need extracorporal renal support. Overload of potassium or fluids, severe acidosis, uremic pericarditis or uremic encephalopathy are urgent indications for the start of renal replacement therapy. Small randomized trials give some evidence that an early start of renal replacement therapy may be beneficial in critically ill patients. In this patient group renal replacement therapy should be considered when serum urea concentrations exceed 100mg/dl and/or when early signs of indications mentioned above are present. Large randomized multicenter trials have shown that a favourable effect on mortality can only be achieved when renal replacement therapy is supplied with a sufficient dose. Daily hemodialysis or continuous hemofiltration with a filtrate volume of 35ml/kg/h is regarded as a standard of care. There is still controversy whether continuous hemofiltration is superior to intermittent hemodialysis. Large meta-analyses could not show a difference in mortality with either one of the two therapy options.

Kernaussagen

  • Ein akutes Nierenversagen bei Intensivpatienten verschlechtert die Prognose deutlich.

  • Die konservative Therapie des akuten Nierenversagens umfasst eine Vermeidung nephrotoxischer Medikamente sowie die Optimierung des intravasalen Volumens und des Perfusionsdruckes. Diuretika sind keine Therapie des Nierenversagens, können jedoch die Flüssigkeitsbilanzierung erleichtern.

  • Es gibt für das ANV bislang keine „Standardkriterien”, die den Beginn einer Nierenersatztherapie definieren.

  • Insbesondere kritisch kranke Patienten scheinen aber von einem frühen Beginn der Nierenersatztherapie zu profitieren. Kleinere Studien legen einen Harnstoffgrenzwert von 100 mg/dl nahe - was für die Gesamtheit der Intensivpatienten jedoch kaum realisierbar erscheint.

  • Eine Nierenersatztherapie muss bei akutem Nierenversagen mit ausreichender Intensität erfolgen (tägliche Dialyse oder Filtration mit Filtrationsvolumen von 35ml/h/kg).

  • Intermittierende bzw. kontinuierliche Verfahren sind für die meisten Patienten offenbar gleichwertig.

Literaturverzeichnis

Dr. med. Dietrich Hasper

Email: dietrich.hasper@charite.de