Einleitung
Mit einer Inzidenz von 20 – 30 Neuerkrankungen
pro 100 000 Einwohner in Mitteleuropa gehören die
Plattenepithelkarzinome nach den Basalzellkarzinomen zu den
zweithäufigsten Tumoren der Haut. Bei der Entstehung der
Plattenepithelkarzinome spielt die kumulative UV-Exposition bei genetischer
Disposition (lichtempfindliche Haut vom Typ I und II nach Fitzpatrick) die
wichtigste Rolle. Somit entwickeln sich die Tumore vor allem in den
sonnenexponierten Arealen, 90 % entstehen im Gesicht. Zu den
weiteren Risikofaktoren gehören chemische Karzinogene (Arsen und Teer)
sowie Röntgenstrahlen. Seltener entstehen Plattenepithelkarzinome im
Bereich der chronischen Wunden und Entzündungen.
Die Plattenepithelkarzinome entwickeln sich
erfahrungsgemäß langsam, wachsen typischerweise lokal destruierend
und metastasieren selten (5 % der Patienten). Die
5-Jahres-Überlebensrate beim Auftreten der Metastasierung beträgt
25 – 50 %.
Kasuistik
Anamnese
Bei dem 67-jährigen Patienten bestand seit drei Jahren eine
chronische, therapieresistente Ulzeration des Zehenzwischenraumes D4/D5 links.
Nebenbefundlich bestanden eine Polyneuropathie und ein arterieller Hypertonus.
Nach mikrobiologischer Diagnostik und histologischem Ausschluss eines Malignoms
wurde die Diagnose eines chronischen superinfizierten Ulkus gestellt. Trotz
konsequenter Therapie mit desinfizierenden, antibiotischen und antimykotischen
Maßnamen sowie zweimaliger Spalthautdeckung zeigte das Ulkus über
Jahre keine Heilungstendenz. Engmaschige Kontrollen des Patienten in unserer
Ambulanz mit mehrmalig wiederholter umfangreicher Diagnostik (mikrobiologische
und histologische Untersuchungen, Röntgen- und MRT-Untersuchung des linken
Fußes) ergaben bisher keinen Anhalt für das Vorliegen eines malignen
Prozesses. Seit der letzten Vorstellung vor vier Wochen kam es im Bereich des
linken Vorfußes zum Entstehen eines schnell wachsenden, exophytischen,
erythematösen Knotens mit zentraler Ulzeration.
Aufnahmebefund
Bei der Aufnahme sehen wir einen 67-jährigen Patienten im
guten Allgemeinzustand. Im Bereich des Zehenzwischenraumes D4/D5 links befindet
sich die bereits bekannte Ulzeration, die sich auf die beiden angrenzenden
Zehen D4 und D5 lateral erstreckt. Das Ulkus ist mit Fibrin belegt und deutlich
fötide. Es zeigt sich ein livides Erythem der Ulkusumgebung.
Zusätzlich fällt ein im Vergleich zur Voruntersuchung vor 4 Wochen
neu aufgetretener Knoten im Bereich des ZZR zum Fußrücken hin
( [Abb. 1 ]) auf. Dieser ist hautfarben bis
erythematös, derb und nicht verschieblich. Eine Vergrößerung
der inguinalen Lymphknoten lässt sich klinisch nicht feststellen.
Abb. 1 a Neu gebildeter
Knoten im Bereich einer chronischen Wunde (histologisch sarkomatoides
Plattenepithelkarzinom, G3, pT1 (b) ).
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Mikrobiologische Untersuchungen des Abstriches aus dem Ulkusgrund
ergaben die Besiedlung mit Proteus mirabilis. Der Abstrich aus Hefe- bzw.
Schimmelpilzen war negativ. Das Routinelabor inkl. Blutbild, Diff.-BB,
Gerinnungsparameter, Elektrolyte, GOT, GPT, γGT, Creatinin, Harnstoff,
Blutzucker, CRP) war unauffällig. Histologische und immunhistologische
Untersuchungen der Probeentnahme aus dem Knoten ergaben die Diagnose eines
sarkomatoiden Plattenepithelkarzinoms (G3) im Bereich des linken
Vorfußes.
Ergänzende apparative Untersuchungen
Die Röntgenuntersuchung des linken Vorfußes in zwei
Ebenen zeigte keinen Nachweis von Osteolysen. Die aktuelle MRT-Untersuchung des
linken Fußes zeigte im Bereich der 4. und 5. Zehe li. Weichteilschwellung
mit diffusen KM-Anreicherungen und Verdickung der Kutis und Subkutis ohne den
Hinweis auf artikuläre oder ossäre Beteiligung. Die
Staging-Untersuchungen inkl. Röntgenuntersuchung des Thorax sowie
Ultraschalluntersuchung des Abdomens und der Lymphknoten waren bis auf die
LK-Sonografie, die die beidseitige inguinale Lymphknotenvergrößerung
zeigte, unauffällig. Die histologische Untersuchung des Lymphknotens ergab
eine unspezifische Entzündung.
Therapie und Verlauf
Wir behandelten die bakterielle Superinfektion lokal mit
Braunovidon-Lösung und sterilen Verbänden unter Beinhochlagerung und
Spreizung des ZZR D4/D5. Systemisch wurde entsprechend dem Antibiogramm mit
Rocephin 2 g i. v. pro Tag über 10 Tage therapiert. Die
Thromboseprophylaxe erfolgte mit Clexane 0,2 ml s. c.
täglich. Die Therapie der Polyneuropathie wurde nach Rücksprache mit
Neurologen unseres Hauses mit Gabapentin p. o. neu eingeleitet. Gegen
die Schmerzen erhielt der Patient Novalgin-Tropfen 3 ×
täglich. Insgesamt hatte sich unter dieser Therapie der entzündliche
Zustand deutlich gebessert, sodass der Patient bald einer operativen Therapie
unterzogen werden konnte. Diese bestand in der Amputation des 4. u. 5. Strahles
des linken Fußes.
Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen waren bisher
unauffällig.
Diskussion
Plattenepithelkarzinome nehmen ihren Ursprung von den epidermalen
Stammzellen der intrafollikulären Epidermis. Die bisherigen Untersuchungen
machen deutlich, dass Plattenepithelkarzinome molekulargenetische
Veränderungen aufweisen, die an verschiedenen Stellen insbesondere die
Regulation des Zellzyklus und der Apoptose betreffen und somit die Tumorzellen
befähigen, sich der normalen Wachstumskontrolle zu entziehen.
Der wichtigste ätiologische Faktor ist die chronische
UV-Exposition insbesondere bei UV-empfindlichen Individuen. Das individuelle
Tumorrisiko wird außer durch den Hauttyp und die UV-Exposition auch durch
DNA-Sequenzpolymorphismen erheblich mitbestimmt [1 ].
Zusätzlich zu den genetischen Veränderungen sind
wahrscheinlich auch Beeinträchtigungen der T-Zell-vermittelten
Immunüberwachung an Ätiologie und Pathogenese beteiligt. Bei
Immunsuppression ist die Inzidenz stark erhöht und die
Krankheitsverläufe sind ungünstiger. Bei immunsupprimierten Patienten
wird die maligne Transformation durch eine erhöhte Infektionsrate mit
kanzerogenen humanen Papillomvirustypen getriggert [2 ].
Neben der malignen Transformation durch UV-Strahlung können bei
der Entstehung der Plattenepithelkarzinomen auch andere Faktoren eine Rolle
spielen. Dazu gehören Arsenexposition und Röntgenstrahlung sowie
chronische Wunden und Entzündungen wie Ulcera crurum, Narben,
Verbrennungen, lichenoide Erkrankungen und bullöse Dermatosen
[3 ].
Die Möglichkeit des Auftretens von Plattenepithelkarzinomen auf
chronischen Wunden ist mit einer Prävalenz von 1 : 5000
Wunden eher selten. Das klinische Bild – von kaum sichtbaren
Veränderungen bis zu ausgedehnten Tumoren – und der Zeitpunkt des
Auftretens können dabei sehr unterschiedlich sein [4 ]. Die Prognose des Plattenepithelkarzinoms ist
abhängig von einer Reihe von Faktoren wie Lokalisation und
Größe des Tumors, Eindringtiefe und Differenzierungsgrad des
Tumors.
Bei dem vorgestellten Fall handelt es sich zum einen um eine seltene
Lokalisation und zum anderen um eine ungewöhnlich schnelle Entwicklung
eines Plattenepithelkarzinoms im Bereich einer chronischen Wunde. Die in
histologischen Untersuchungen nachgewiesene Entdifferenzierung dieses
sarkomatoiden Plattenepithelkarzinoms könnte den foudroyanten Verlauf des
Tumors erklären.
Da chronische Wunden diverser Genese sehr häufig anzutreffen
sind, muss bei länger bestehenden Wunden differenzialdiagnostisch immer an
die Möglichkeit der Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms gedacht
werden. Engmaschige Kontrollen mit mehrmaligen Probebiopsien erlauben eine
rechtzeitige Erkennung des Tumors und tragen wesentlich zu einer besseren
Prognose der Erkrankung bei.