Ein Therapiebeginn vor Einsetzen der Erkrankung ist noch nicht ausreichend untersucht
und sicherlich nicht der Schlüssel zur Lösung. So kann die Prävention einer schizophrenen
Störung auch mit negativen Effekten für den Patienten verbunden sein, z.B. Nebenwirkungen
der Medikation. Bevor einem Patienten, der noch keiner ist, die wahrscheinlich zukünftige,
belastende und stigmatisierende Diagnose mitgeteilt wird, sollte der behandelnde Arzt
Pro und Contra einer Prophylaxe sorgfältig abwägen, wie ein aktueller Beitrag von
Prof. Wielant Machleidt und Dr. Bernd Brüggemann, Hannover, diskutiert.
Niemand kann genau vorhersagen, ob die Krankheit später tatsächlich ausbrechen wird.
Bei der Gewichtung der ethischen Prinzipien, nicht zu schaden und optimal zu helfen
unter Wahrung der Patientenautonomie, ist daher auch von Bedeutung, welche Wirksamkeit
für die Frühintervention bislang empirisch nachgewiesen werden konnte. Die meisten
Personen melden sich in der psychiatrischen Ambulanz, wenn sie subjektiv den Eindruck
haben, eine gravierende seelische Beeinträchtigung bahne sich an, oder wenn bereits
erste Frühwarnsymptome aufgetreten sind. Hier sind subjektive Einbußen der Befindlichkeit,
soziale Defizite und Einbrüche im Leistungsbereich zu nennen.
Interventionsmaßnahmen, wie psychotherapeutische oder medikamentöse Therapie, können
die Symptomatik verbessern. Der Übergang der subklinischen psychotischen Symptomatik
in eine schizophrene Störung kann verzögert oder sogar vermieden werden. Allerdings
ist nicht bekannnt, bei wie vielen dieser Personen sich tatsächlich eine Schizophrenie
ausgebildet hätte. Nicht wenige Patienten mit psychotischen Symptomen ohne Krankheitswert
werden spontan und ohne jede Behandlung symptomfrei. Hier sind noch viele Studien
notwendig, um verlässliche Aussagen treffen zu können.
Machleidt und Brüggemann schlussfolgern in ihrer aktuellen Arbeit unter kritischer
Abwägung der ethischen Prinzipien des Fürsorge- und Nichtschadensgebots bei unbedingter
Wahrung der Autonomie der Person, dass der Präventionsgedanke in der Psychiatrie vermehrt
aufgegriffen und Früherkennung und -intervention wissenschaftlich begleitet untersucht
werden sollten.
KW
Quelle: Machleidt W, Brüggemann B. Sozialpsychiatrische und ethische Überlegungen
zur Prävention schizophrener Störungen. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 2008;
76 (2); 97-105