psychoneuro 2008; 34(5): 237
DOI: 10.1055/s-2008-1081020
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Behandeln um jeden Preis? - Was spricht gegen eine Behandlung vor der ersten Psychose?

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Publication Date:
03 July 2008 (online)

 

Ein Therapiebeginn vor Einsetzen der Erkrankung ist noch nicht ausreichend untersucht und sicherlich nicht der Schlüssel zur Lösung. So kann die Prävention einer schizophrenen Störung auch mit negativen Effekten für den Patienten verbunden sein, z.B. Nebenwirkungen der Medikation. Bevor einem Patienten, der noch keiner ist, die wahrscheinlich zukünftige, belastende und stigmatisierende Diagnose mitgeteilt wird, sollte der behandelnde Arzt Pro und Contra einer Prophylaxe sorgfältig abwägen, wie ein aktueller Beitrag von Prof. Wielant Machleidt und Dr. Bernd Brüggemann, Hannover, diskutiert.

Niemand kann genau vorhersagen, ob die Krankheit später tatsächlich ausbrechen wird. Bei der Gewichtung der ethischen Prinzipien, nicht zu schaden und optimal zu helfen unter Wahrung der Patientenautonomie, ist daher auch von Bedeutung, welche Wirksamkeit für die Frühintervention bislang empirisch nachgewiesen werden konnte. Die meisten Personen melden sich in der psychiatrischen Ambulanz, wenn sie subjektiv den Eindruck haben, eine gravierende seelische Beeinträchtigung bahne sich an, oder wenn bereits erste Frühwarnsymptome aufgetreten sind. Hier sind subjektive Einbußen der Befindlichkeit, soziale Defizite und Einbrüche im Leistungsbereich zu nennen.

Interventionsmaßnahmen, wie psychotherapeutische oder medikamentöse Therapie, können die Symptomatik verbessern. Der Übergang der subklinischen psychotischen Symptomatik in eine schizophrene Störung kann verzögert oder sogar vermieden werden. Allerdings ist nicht bekannnt, bei wie vielen dieser Personen sich tatsächlich eine Schizophrenie ausgebildet hätte. Nicht wenige Patienten mit psychotischen Symptomen ohne Krankheitswert werden spontan und ohne jede Behandlung symptomfrei. Hier sind noch viele Studien notwendig, um verlässliche Aussagen treffen zu können.

Machleidt und Brüggemann schlussfolgern in ihrer aktuellen Arbeit unter kritischer Abwägung der ethischen Prinzipien des Fürsorge- und Nichtschadensgebots bei unbedingter Wahrung der Autonomie der Person, dass der Präventionsgedanke in der Psychiatrie vermehrt aufgegriffen und Früherkennung und -intervention wissenschaftlich begleitet untersucht werden sollten.

KW

Quelle: Machleidt W, Brüggemann B. Sozialpsychiatrische und ethische Überlegungen zur Prävention schizophrener Störungen. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 2008; 76 (2); 97-105

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