Dialyse aktuell 2008; 12(4): 256
DOI: 10.1055/s-2008-1081058
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Dauerhafte Stabilisierung der Transplantatfunktion - mTOR als Zünglein an der Waage

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Publication Date:
04 July 2008 (online)

 
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Ein bislang weitgehend unterschätzter Aspekt bei der Transplantation (TX) solider Organe wie der Niere ist für Prof. David Briscoe, Boston (USA), die Wechselbeziehung von Verletzung und Reparatur. Man wisse, dass sich durch die Verstärkung physiologischer Reparaturmechanismen selbst bei großen Läsionen der Langzeitschaden begrenzen lasse. Das bedeute umgekehrt, dass sich bei der Behinderung dieser körpereigenen Instandsetzungsprozesse bereits aus kleinen Läsionen extensive Gewebeschäden entwickeln könnten. Das bessere Verständnis der nach einer Transplantation ablaufenden Reparaturvorgänge eröffne neue Möglichkeiten für die Verbesserung des Langzeitüberlebens von Transplantaten. Eine besondere Rolle scheine dabei der Intervention mit dem mTOR-Inhibitor Sirolimus (Rapamune®) zuzukommen.

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Besonders vulnerabel: vaskuläre Endothelzellen

Im Mittelpunkt des von Briscoe veranschaulichten Szenarios stehen nicht - wie sonst vorrangig beim Transplantatschutz durch Immunsuppressiva - die alloreaktiven T-Zellen. Er fokussiert vielmehr auf die vaskulären Endothelzellen, weil diese sehr vulnerabel auf Veränderungen der Sauerstoffversorgung wie beispielsweise bei Ischämie/Reperfusion oder persistenten subakuten Abstoßungsreaktion reagieren. Störungen der renalen Mikrozirkulation verhindern jedoch die suffiziente Versorgung der organspezifischen Zellen mit der möglichen Konsequenz der Nephrondestruktion. Daher hingen die Chancen auf eine langfristige Transplantatfunktion ganz wesentlich davon ab, wie gut die Revaskularisation bzw. wie effizient die Anastomose von Spender- und Empfängergefäßen gelingen.

Im Gegensatz zur homöostatischen und damit reparativen Angiogenese in der frühen Post-TX-Phase ist die Gefäßneubildung im späteren Verlauf meist pathophysiologisch. Trigger ist allem Anschein nach eine Inflammation als Komponente akuter/subakuter Abstoßungsreaktionen. Einmal induziert, verselbständigt sich der Prozess gewissermaßen: Die Infiltration von allogenetischen Leukozyten fördert die Freisetzung von Adhäsionsmolekülen und Mediatoren wie vor allem VEGF ("vascular endothelial growth factor"), was wiederum die Angiogenese stimuliert und die Leukozytenrekrutierung in Gang hält (Abb. [1]).

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Abb. 1 Hypothese zur Rolle der Mikrozirkulation bei der Entwicklung der chronischen Transplantatnephropathie nach [1]

Da die entzündungsinduzierte Neovaskularisation in der Regel unbeständig und der Blutfluss unzureichend ist, trägt sie nicht zur Optimierung der Gewebeversorgung bei, sondern geht mit Hypoxie und Endothelschaden einher, was dann letztlich zur tubulointestinalen Fibrose und chronischen Transplantatnephropathie führen kann [1].

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Unterbrechung des Circulus vitiosus

Eine zentrale Rolle bei diesen Reparaturvorgängen spielt auf molekularer Ebene nach Aussage von Briscoe die Serin/Threonin-Kinase AKT. Wie man seit Kurzem wisse, werde auch in den Endothelzellen die Phosphorylierung und Aktivierung dieses Enzyms maßgeblich durch den Multiproteinkomplex mTOR ("mammalian target of rapamycin") gesteuert. Diese Interaktion zwischen AKT und mTOR sei gewissermaßen der Schlüssel zum Verständnis des zellbiologischen Hintergrunds der unter Immunsuppression mit Sirolimus bei nierentransplantierten Patienten dokumentierten klinischen Effekte.

Vereinfacht gesagt wird mit der mTOR-Inhibition direkt (via Hemmung der Endothelzellproliferation) und indirekt (via Abregulation der Expression von VEGF und anderen Transkriptionsfaktoren) die (pathophysiologische) Angiogenese unterdrückt. Das schützt den Patienten zum einen vor der chronischen Transplantatnephropathie und senkt zum anderen sein Risiko für die Entwicklung von Malignomen [2].

Die AKT/mTOR-Signalkette in der Endothelzelle erklärt nach Auffassung von Briscoe möglicherweise die - wenn auch seltenen - unerwünschten Effekte der mTOR-Inhibition wie vor allem Wundheilungsstörungen bei Einsatz von Sirolimus unmittelbar nach Nierentransplantation und Proteinurie bei Umstellung auf Sirolimus in der späteren Post-Transplantationsphase mit bereits eingeschränkter glomerulärer Filtrationsrate. Der kritische Punkt sei wahrscheinlich die patienteninterviduelle Variabilität der basalen AKT-Aktivität. Vermutlich gebe es einen Schwellenwert, ab dem die mTOR-Inhibiton unter Umständen physiologische Reparaturvorgänge behindern bzw. die glomeruläre Integrität und Permselektivität beeinträchtigen könne [3].

Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Quelle: Satellitensymposium "The Science of mTor-Inhibition in Immunosuppression" im Rahmen der "8th International Conference on New Trends in Immunosuppression and Immunotherapy" in Berlin

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster

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Literatur

  • 01 Contreras AG . Briscoe DM . J Clin Invest. 2007;  117 3645-3648
  • 02 Dormond O . Madsen JC . Briscoe DM . J Biol Chem. 2007;  282 23679-23686
  • 03 Reinders MEJ . Rabelink TJ . Briscoe DM . J Am Soc Nephrol. 2006;  17 932-942
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Literatur

  • 01 Contreras AG . Briscoe DM . J Clin Invest. 2007;  117 3645-3648
  • 02 Dormond O . Madsen JC . Briscoe DM . J Biol Chem. 2007;  282 23679-23686
  • 03 Reinders MEJ . Rabelink TJ . Briscoe DM . J Am Soc Nephrol. 2006;  17 932-942
 
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Abb. 1 Hypothese zur Rolle der Mikrozirkulation bei der Entwicklung der chronischen Transplantatnephropathie nach [1]