Zeitschrift für Palliativmedizin 2020; 21(02): 60-63
DOI: 10.1055/a-1097-1426
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Doppelkopf: Gerda Graf und Hans-Heinrich Krause

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Publication History

Publication Date:
28 February 2020 (online)

Gerda Graf

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Zur Person
  • 1973 Staatsexamen in der Krankenpflege Jülich

  • 1991 Studium – Pflegemanagement Duisburg

  • 1999 Berufsbegleitende Weiterbildung Focusing in Karlsruhe

  • 2000 Zusatzqualifikation Palliative Care Bonn

  • 2011 Systemische Organisationsentwicklung Aachen, IBS

  • 2012 Studiengang „Alte Menschen und Sorgekultur“, Wien IFF

  • 2014 Studiengang Ethik in Organisationen, Wien IFF

Von 1993–2001 Pflegedirektorin am St. Augustinus Krankenhaus Lendersdorf

1993 Mitbegründerin der Hospizbewegung Düren-Jülich e. V.

1994 Aufbau und Leitung des Stationären Hospizes am St. Augustinus Krankenhaus

Von 1997–2006 Ehrenamtliche Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes e. V.

Seit 2006 Ehrenvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes

Aufbau und Implementierung eines palliativen Pflegedienstes sowie Aufbau des Ambulanten Hospiz- und Palliativzentrums des Kreises Düren (2009 – SAPV)

Von 2001–2015 Geschäftsführerin der Wohnanlage Sophienhof gGmbH in Niederzier

Integration der hospizlichen Arbeit in die stationäre Pflegeeinrichtung (2006 Entwicklung des HoLDe®-Konzeptes der Wohnanlage Sophienhof)

Mitwirkung bei unterschiedlichen Forschungsprojekten

Veröffentlichung unterschiedlicher Publikationen zum Thema: Alter, Demenz und Hospiz Palliative Versorgung

Auszeichnungen:

  • 2007 Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für das Engagement in der Hospizbewegung

  • 2013 Verleihung des Kulturpreises Europa

  • 2015 Stifterpreis der Innecken-Prüss Stiftung für das Engagement hospizlicher Arbeit im Kreis Düren

  • 2018 Verleihung der Agnes Karll Medaille des DBfK (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe)

Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Während meiner Ausbildung zur Staatlich examinierten Krankenschwester in den 70er-Jahren erstaunte mich der Umgang mit Patienten und Sterbenskranken. Die damalige, nur funktionsorientierte Pflege diente lediglich dem System des Krankenhauses. Das rein tayloristische Prinzip prägte den pflegerischen Alltag. Erschüttert vom „Abschieben“ Sterbenskranker in die Badezimmer (auf jeder Abteilung gab es ein großes Badezimmer, das durch seine mögliche Abstellfläche ebenso einer Abstellkammer glich), erwachte in mir ein Änderungswille, der sich weiter ausbreitete je mehr ich las von den vielen Möglichkeiten einer anderen Kommunikation, der partizipativen Sicht und nicht zuletzt von der Sterbeforscherin Kübler-Ross. So wurde die Beziehungspflege ein Element meiner Tätigkeit. Das anschließende Studium – Pflegemanagement – folgte diesem Fokus mit von mir verfassten unterschiedlichen Arbeiten, die sich mit Macht und Ohnmacht im Patient-Krankenhaus-Verhältnis beschäftigten; ebenso meine erste Veröffentlichung in der damaligen Krankenpflegezeitschrift über die Integration der Hospizidee in den Krankenhausalltag. Dass es noch Jahrzehnte dauerte, bis eine Umsetzung erfolgte, zeigt „Gut Ding will Weile haben.“Die Gründung der Hospizbewegung in Düren mit Dr. Hans-Heinrich Krause und dem Seelsorger Toni Straeten zeigt die notwendige Einbeziehung der perspektivischen Varianz unterschiedlicher Themenfelder wie Medizin, Pflege, Spiritualität, gepaart mit qualitativer ehrenamtlicher Bildung. Diese ehrenamtliche Arbeit im multidisziplinären Team beflügelte mein Ansinnen, in den Organisationen des Gesundheitswesens hospizliche Strukturen wirksam werden zu lassen.In den Jahren meines ehrenamtlichen Vorsitzes beim DHPV (damals noch Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz = BAG) zeigte die begonnene Vorarbeit durch Heinrich Pera (Seelsorger in Halle a. d. Saale und erster Vorsitzender der BAG Hospiz) die ersten Früchte. Weitere Aufbauarbeit durfte ich leisten, sei es der Abschluss § 39a SGB V, der Zusammenschluss aller Bundesländer auf Bundesebene in die BAG Hospiz, die Rahmenvereinbarung für stationäre Hospizarbeit und die ersten großen Forschungsprojekte der Bürgerbewegung Hospiz in Deutschland. Die Etablierung der Hospizzeitschrift war ein weiterer Meilenstein meiner Arbeit. In den Folgejahren wurde mir immer bewusster, dass die Bürgerbewegung Hospiz, gemeinsam mit der Palliativen Versorgung in eine Hospizkultur mündet, die den Menschen in seiner Existenz bis zum Lebensende begleiten kann, wenn die Gesellschaft sich einlässt.Das Tätigkeitsfeld Hospizkultur und Palliative Versorgung hat mich gefunden, so wie ich mich darin gefunden habe.

Was wäre für Sie eine berufliche Alternative?

In der Rückbesinnung gibt es für mich keine Alternative. Ich hatte das große Glück, in meinen Tätigkeiten – ob Ehrenamt oder Hauptamt – Lebenssinn und Leidenschaft zu finden.Themen, die mich begleiten, sind philosophischer und theologischer Natur.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Schon immer: hellwach (früher zum Leidwesen von Mitarbeiter/innen, die der Morgenstunde nicht so wohlgesonnen waren), mit duftendem Kaffee, der Tageszeitung und dann per Fahrrad – früher zur Arbeitsstelle – heute zum Hospizbüro oder Hospizpatienten.

Leben bedeutet für mich …

… Freude zu haben an dem, was ich tue, ob beruflich oder ehrenamtlich.… politisches Geschehen mitbeeinflussen zu können.… nachdenklich zu sein und zu bleiben, um Zukünftiges für Mensch und Natur mitgestalten zu können.

Sterben bedeutet für mich …

… schon heute beginnen abschiedlich zu leben.… „ja“ sagen zum Älterwerden.… die Schönheiten des Alters erkennen und sich einüben in den Übergang.

Welches Ziel möchten Sie noch unbedingt erreichen?

Dass die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis eine Ausrichtung erfährt, die dem Bedürfnis des Menschen folgt.Dass der kulturelle Ansatz von Hospiz und Palliativ den Weg ebnet für eine Sorgekultur, die nicht den monetären Faktoren folgt.Dass die Bedürftigen vertrauen können auf die Hilfestellung von Menschen, die sich dem ethischen Diskurs stellen und ihre Handlung danach ausrichten.Dass scheinbar aussichtslose Geschehnisse nicht unkritisch hingenommen, sondern mutig betrachtet und zivilcouragiert verändert werden.Dass die Kooperation zwischen DGP und DHPV weiter Gestalt annimmt und Früchte trägt.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

… die Begegnung mit Menschen, die mutig und nicht hochmütig sind.…, dass Bescheidenheit und Demut Tugenden sind, die Vertrauen schaffen und Zuversicht bewirken.

Was würden Sie gerne noch lernen?

Ein Handwerk und/oder ein Philosophiestudium.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Zunächst aus Beziehungen familiärer Art. Außerdem habe ich oft erfahren, dass zufällige Begegnungen zu tragenden Freundschaften wurden.Eine Kraftquelle der besonderen Art sind für mich Radfahren und Wanderungen in der Natur.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Mit Simone Weil oder Albert Schweitzer.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… Politikern ins Ohr flüstern Gesetze abzuschaffen, die zu übermäßiger Bürokratie führen, und sie auffordern mehr Zeitgeschenke zu verteilen.

Wie können Sie Herrn Dr. Hans-Heinrich Krause beschreiben?

Die ersten Begegnungen mit Dr. Hans-Heinrich Krause fanden beruflich im Krankenhaus Düren statt. Als damaliger Chefarzt der Anästhesie und der chirurgischen Intensivstation gab es eher flüchtige Augenblicke, war ich doch zu der Zeit als Krankenschwester auf der inneren Intensivstation beschäftigt. Prägend für mich war und ist sein vorbildhaftes Verhalten. Den Aufbau der Abteilungen führte Dr. Hans-Heinrich Krause weitsichtig und diplomatisch aus. Stets Ansprechpartner für das gesamte Personal, wurde er für viele Menschen zum väterlichen Freund: ein Mediziner, der immer zuhörte, egal ob bei Patienten oder Mitarbeitenden. Seine Abwägungen bei fast unlösbaren Problemen erfolgten stets orientiert am Menschen. Das System Krankenhaus wurde durch seine Perspektive zu einem Haus nicht nur für Kranke, sondern ebenso für Angehörige und Mitwirkende in diesem Bereich des Gesundheitswesens.Noch während seiner Tätigkeit als Chefarzt wurde Dr. Hans-Heinrich Krause Vorsitzender der Hospizbewegung Düren-Jülich. Seine ganze Kraft widmet er dem gemeinsamen Wirken von Palliativmedizin, Palliativer Pflege und dem qualifizierten Ehrenamt. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen Hospizkultur und Palliativversorgung. Bis zum heutigen Tag – mit nun 90 Lebensjahren – ist er bei allen Vorstandssitzungen Wegweiser für hospizliches Tun, kritisch reflektierend und strategisch vorausschauend. Allen in der Hospizbewegung ist er ein weiser Ratgeber. Die kommunikative Ebene zwischen jungen und älteren Ehrenamtlichen ist ihm ebenso wichtig wie die gemeinsame Arbeit der unterschiedlichen Berufsgruppen, die es zusammenzuführen gilt. Er legt den Fokus auf das, was Sterbenskranke und das zugehörige Umfeld brauchen.Meine Beschreibung in Kurzform lautet:Dr. Hans-Heinrich Krause ist in seinem beruflichen und ehrenamtlichen Wirken ein vorbildhafter Charakter: bescheiden und dennoch diplomatisch, zielführend im Tun für den Menschen, zuhörend und feinfühlig in der Diagnose und dem prognostischen Verhalten, nachdenklich und immer bereit, neue Perspektiven miteinzubeziehen.Ein feiner Herr, für den Herzensbildung gepaart mit Wissensdurst eine Grundvoraussetzung für den Sinn des Lebens ist.Ich bin dankbar für jede Begegnung mit Dr. Hans-Heinrich Krause.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Das ist sehr unterschiedlich:
– ein Abendspaziergang
– ein gutes Buch
– ein Konzert
– ein Essen mit Freunden
– ein Krimi im Fernsehen

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Fragen sind ein kostbares Geschenk. Ich überlasse es den Fragenden und kann dementsprechend keine Antwort auf diese Frage geben.