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DOI: 10.1055/a-2679-0250
Für Sie gelesen: Aktuelle Studien
Autoren
Müller S, Claus S, Koller M et al. Eine Umfrage zu Sicherheitsdiensten in psychiatrischen Kliniken. Nervenarzt 2025. DOI:10.1007/s00115-025-01840-8
Hintergrund: In den letzten Jahren werden deutschlandweit vermehrt Sicherheitsdienste (SD) in psychiatrischen Kliniken eingesetzt. Unterschiede gibt es hinsichtlich des Umfangs und der Aufgabenstellung in den jeweiligen Kliniken. Wissenschaftliche Untersuchungen und eine gesicherte Datenlage zum Einsatz von SD existieren bislang nicht, auch international ist die Datenlage nur spärlich. Insbesondere der Einsatz von SD in der direkten Patient*innenversorgung führt in der Fachwelt zu kontroversen Diskussionen. Mit der vorliegenden Untersuchung sollte erstmals eruiert werden, wie oft, in welcher Form und in welchem Umfang SD in psychiatrischen Kliniken in Deutschland eingesetzt werden.
Methode: Mit einem Online-Fragebogen wurden 266 Chefärztinnen und Chefärzte psychiatrischer Kliniken zum Einsatz von SD in Deutschland anonym befragt. Die Untersuchungsergebnisse wurden mittels deskriptiver Statistik und qualitativ ausgewertet.
Ergebnisse: Vollständig ausgefüllt wurden 108 Fragebögen, was einer Rücklaufquote von 40,6 % entspricht. In den teilnehmenden Kliniken setzen 46 % (n=50) einen SD ein. In 46 % (n=23) der Kliniken war der SD der Geschäftsführung unterstellt, in 36 % (n=18) der Pflegedienstleitung. 82 % (n=41) der Mitarbeitenden des SD sind bei einem externen Dienstleister angestellt, 12 % (n=6) beim Träger der Klinik. Zur Außensicherung wurden 70 % (n=35) der SD eingesetzt, auf allgemeinpsychiatrischen Stationen 38 % (n=19) und auf forensischen Stationen 28 % (n=14). Der SD wird auch patient*innennah eingesetzt, unter anderem bei Zwangsmaßnahmen, in medizinischen Notfallsituationen, zur Begleitung von Patient*innen, bei der Aufnahme oder bei therapeutischen Gesprächen. Die qualitative Auswertung der Freitextkommentare ergab unter anderem eine Auseinandersetzung mit der Auswahl, der Qualifikation und den persönlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden des SD. Themenkomplexe wie das Sicherheitsgefühl der Pflegenden, die Auswirkung des SD auf das therapeutische Milieu, die Risiken von SD sowie eine unklare Rechtslage wurden angesprochen.
Fazit: Der Einsatz von SD wird oft damit begründet, die Sicherheitslage der Kliniken zu verbessern – bei gleichzeitig unklarem Nutzen. Daher besteht weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der Motive des Einsatzes von SD (zum Beispiel als Gegenmittel zu Personalmangel) und dessen Auswirkung auf beispielsweise objektive Sicherheit, Erhöhung eines Sicherheitsgefühls oder Schaden durch SD.
Gitte Herwig
Björkdahl A, Johansson U, Kjellin L et al. Barriers and enablers to the implementation of Safewards and the alignment to the i-PARIHS framework – A qualitative systematic review. International Journal of Mental Health Nursing 2024; 33 (1): 18–36. DOI:10.1111/inm.13222.
Hintergrund: Das Safewards-Konzept gewinnt in der stationären psychiatrischen Versorgung zunehmend an Bedeutung. Es besteht aus zehn Einzelinterventionen, die darauf abzielen, eine gewaltpräventive Umgebung zu entwickeln. Bisherige Studien zeigen, dass Safewards zu einer Verringerung von restriktiven Praktiken beitragen kann. Diese Ergebnisse variieren allerdings stark in ihrer Ausprägung. In der Fachwelt werden in diesem Zusammenhang zunehmend Barrieren und förderliche Faktoren bei der Implementierung von Safewards diskutiert. Implementierungswissenschaftliche Determinantenrahmen, wie der i-PARIHS-Rahmen, sind geeignet, um ein umfassendes und strukturiertes Verständnis von Einflussfaktoren auf den Implementierungsprozess komplexer Interventionen, wie zum Beispiel Safewards, zu gewinnen. Ziel der vorliegen Übersichtsarbeit war es, qualitative Forschungsarbeiten zu den Erfahrungen des Personals hinsichtlich der Barrieren und förderlichen Faktoren bei der Implementierung von Safewards aus der theoretischen Perspektive des i-PARIHS-Rahmens systematisch zu überprüfen und zusammenzufassen.
Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in sieben Datenbanken durchgeführt. Eingeschlossen wurden zehn englischsprachige Originalstudien mit Peer-Review (2014–2022), die qualitative Ergebnisse bezüglich der Safewards-Erfahrungen von Mitarbeitenden in psychiatrischen Einrichtungen enthielten. Unter Bezugnahme auf den i-PARIHS-Rahmen wurde eine Rahmensynthese durchgeführt. Dazu wurden Texteinheiten der Studien kodiert, den i-PARIHS-Konstrukten Kontext, Innovation und Empfänger*in zugeordnet und interpretiert.
Ergebnisse: Im Konstrukt Kontext wurde vor allem die Bedeutung der Unterstützung durch formelle und informelle Führungskräfte hervorgehoben. Im Konstrukt Innovation wurden acht Unterkonstrukte mit Texteinheiten abgeglichen. Der Grad der Anpassung betont hier beispielsweise die Bedeutung der Vereinbarkeit von Safewards und bestehenden Abläufen oder zu einem bestimmten Setting. Steht die Innovation aus Sicht des Personals im Widerspruch zur gängigen Praxis, erschwert das die Akzeptanz. Das Konstrukt Empfänger*in umfasst zehn Unterkonstrukte. So sind zum Beispiel Werte und Überzeugungen wichtig für die Bereitschaft, eine Innovation anzunehmen. Als Hindernis wurde eine Unvereinbarkeit zwischen den Werten des Safewards-Konzepts und des Personals hervorgehoben.
Fazit: Determinantenrahmen, wie der i-PARIHS-Rahmen, können Projektleitende bei einer systematischen Analyse der Einflussfaktoren und der Planung eines Implementierungsprozesses unterstützen. Ziel ist es, einen umfangreichen Überblick über bislang unbekannte Herausforderungen von Implementierungsvorhaben zu erhalten und diese zu klären.
Gitte Herwig
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
21. November 2025
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