Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2025; 32(06): 288
DOI: 10.1055/a-2713-1714
Journal-Club

State of the Art und Ausblick - Molekulare Grundlagen der Höhenphysiologie und deren klinische Aspekte

Autoren

    Rezensent(en):
  • Christoph Tannhof

Hypobare Hypoxie stellt den menschlichen Organismus vor komplexe Anpassungsprozesse. Der Review von Zidan und Kolleg*innen fasst aktuelle Erkenntnisse zur Höhenphysiologie zusammen, mit besonderem Fokus auf molekulare Mechanismen und potenzielle therapeutische Interventionen. Zentral diskutiert werden die Hypoxia-Inducible Factors (HIF-1α und HIF-2α), die in hypoxischen Situationen stabilisiert werden und eine breite Genexpression auslösen [1]. Hierzu zählen die Stimulation der Erythropoese über EPO, die Förderung der Angiogenese über VEGF, metabolische Anpassungen durch verstärkte Glykolyse sowie die Modulation der Eisenhomöostase. Diese Signalwege unterscheiden sich in Aktivierung und Bedeutung zwischen kurzfristiger Akklimatisation und langfristiger Anpassung bei Hochlandpopulationen.

Neben den physiologischen Grundlagen widmet sich der Artikel pharmakologischen Ansätzen. Acetazolamid bleibt das Medikament der Wahl zur Prophylaxe der akuten Höhenkrankheit [2]. Über die Induktion einer milden metabolischen Azidose wird die ventilatorische Antwort gesteigert, wodurch Hypoxie besser kompensiert werden kann. Dexamethason wirkt effektiv in Prophylaxe und Therapie, fördert jedoch keine Akklimatisation und birgt Reboundrisiken beim Absetzen [3]. Darüber hinaus werden experimentelle Substanzen wie HIF-Stabilisatoren, antioxidative Substanzen und Stickstoffmonoxid-Modulatoren diskutiert, die künftig genutzt werden könnten, um Akklimatisationsprozesse zu fördern oder Komplikationen wie Höhenlungen- oder Höhenhirnödem abzumildern [4].

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf genetischen Anpassungen in Hochlandpopulationen. Während Bewohner der Anden typischerweise mit erhöhtem Hämatokrit reagieren, zeigen tibetische Populationen eine verstärkte Ventilation und äthiopische Hochländer eine günstigere Hämoglobinaffinität [5]. Diese Unterschiede unterstreichen, dass es nicht den einen universellen Anpassungsweg gibt, sondern multiple Strategien, die durch Evolution und Umwelt geprägt sind. Die Übertragung dieser Erkenntnisse in die klinische Praxis steht noch am Anfang. Bisher sind die meisten experimentellen Substanzen nur in präklinischen Modellen untersucht worden. Gleichwohl könnten sie künftig neue Wege eröffnen, um Risikopatienten bei Expeditionen oder in Höhenregionen gezielt zu schützen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
05. Dezember 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany