Dtsch Med Wochenschr 1948; 73(17/20): 211-214
DOI: 10.1055/s-0028-1118105
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die biphasische Innervationsstörung der Magenwand beim Ulcus ventriculi (Schluß)

Eine Analyse der vegetativ-nervösen Situation des GeschwürmagensAlexander Sturm
  • Medizinischen und Nervenklinik der Städt. Krankenanstalten Wuppertal-Barmen (Chefarzt: Prof. Dr. A. Sturm)
Further Information

Publication History

Publication Date:
02 June 2009 (online)

Die biphasische Innervationsstörung der Magenwand beim Ulcus ventriculi

Zusammenfassung

Die Ulkusnische an der kleinen Magenkurvatur wird unter Verwendung gastroskopischer Beobachtungen aus einer sympathischen Erregung einer umschriebenen Magenwandstelle durch Atonie bzw. nervale Parese des angiospastischen, ischämischen Geschwürsgrundes erklärt.

Große Nischen, wie sie heute besonders häufig zu beobachten sind, bedeuten nicht eine Ulkuspenetration bzw. gedeckte Ulkusperforation, sondern nur große atonische Aussackungen der ulkustragenden Magenwand bzw. örtliche Erschlaffungen der tieferen Magenwandschichten; sie sind mit. Änderung des vegetativnervösen Magentonus rasch rückbildungsfähig.

Als Sekundärreaktionen auf die zirkumskripte sympathikone Wanderschlaffung im Ulkusbereich entstehen in vegetativem Antagonismus 1. der die Nische umgebende Ringwall mit vagotoner Kontraktion der Muscularis mucosae bei gleichzeitiger „neuroparalytischer” Hyperämie der Schleimhaut (mit Ödem, fleckigen Hämorrhagien usw.); 2. der ringsegmentäre Dauerspasmus in der innersten, noch in Verbindung zum submukösen Plexus stehenden Muskelfaserschicht, der in klassischen Fällen den „Ul-kusfinger” bildet, nicht aber die kleine Kurvatur selbst mit einbezieht; 3. allgemeine Hyperperistaltik des Magens und Superazidität als immer seltener werdende gastrogene Reflexvorgänge, zu denen auch die spastische Obstipation gerechnet werden kann. Der allgemeine hypo- bzw. atonische Reaktionstyp beherrscht heute immer mehr das Bild des Ulkusmagens.

Die spastische Ulkustheorie wird durch die neurovaskuläre ersetzt. Psychische Erregung, Krisen im vegetativen Zentralorgan — wie sie auch der Hungerzustand bedingt —, Alteration des 6. bis 12. Thorakalsegmentes des sympathischen Grenzstranges können ebensosehr wie der periphere nervale Reiz einer schweren präulzerösen Gastritis zur Ursache von ventrikulären Angiospasmen mit lokaler Wandischämie und peptischer Ulzeration werden. Die besondere Gefäßanordnung an der kleinen Kurve, die stärkere Entwicklung des die kleine Kurve versorgenden rechten N. splanchnicus und der nervale Reiz eines mechanischen Zerrungsmomentes wird für die Prädilektion des peptischen Geschwürs an der kleinen Kurve verantwortlich gemacht.

Das Ziel der Ulkustherapie ist Beruhigung des sympathisch erregten Magens. Daher in erster Linie Ruhigstellung der Psyche, lokale Beeinflussung des segmentalen Reflexbogens mit Wärme bzw. Sympathikusblockade durch paravertebrale Novocaininjektion, Ausschaltung aller das vegetative Nervensystem zusätzlich erregenden Umstände, besonders durch Bekämpfung der Fokalinfektion und der Gastritis.

Die rasche Rückbildungsfähigkeit der großen Ulkusnische ist nicht gleichbedeutend mit Ulkusheilung, die erst mehrere Wochen nach Nischenbeseitigung eintritt.

    >