Zahnmedizin up2date 2015; 9(2): 133-146
DOI: 10.1055/s-0033-1358109
Oralmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auswirkungen von Alkoholmissbrauch auf die Mundhöhle und die zahnärztliche Behandlung

Christiane Nobel
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Publication Date:
26 March 2015 (online)

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Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit

Der Alkoholkonsum betrug 2012 in Deutschland durchschnittlich 9,5 Liter pro Einwohner. Dies ist im internationalen Vergleich ein hoher Wert. Die „empfohlenen“ risikoarmen maximalen Trinkmengen werden in Deutschland von geschätzt 7,8–9,2 Mio. Bundesbürgern überschritten, von denen wiederum 1,3 Millionen eine Alkoholabhängigkeit aufweisen. An den direkten und indirekten Folgen ihres übermäßigen Alkoholkonsums versterben pro Jahr 74 000 Menschen [1].

Die WHO unterscheidet in der ICD-10 zwei unterschiedliche Erkrankungen im Zusammenhang mit Alkohol:

  • schädlicher Gebrauch von Alkohol (F10.1)

  • Alkoholabhängigkeit (F10.25)

Während es keinen Grenzwert für den unschädlichen Gebrauch von Alkohol gibt, hat das wissenschaftliche Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) einen täglichen Grenzwert für gesunde Erwachsene für einen risikoarmen Alkoholkonsum festgelegt. Dieser liegt für:

  • Männer bei max. 2 Standardgläsern (das entspricht 20–24 g reinen Alkohols)

  • Frauen bei 1 Standardglas

Dabei sollten in jeder Woche wenigstens 2 Tage abstinent verbracht werden.

1 ml Alkohol entspricht einer Masse von 0,8 g. Als Beispiel seien hier einige typische alkoholhaltige Getränke aufgeführt:

  • 1 Flasche Bier (330 ml, 4,8 Vol.-%) enthält 12,7 g Alkohol

  • 1 kleines Glas Weißwein (100 ml, 11 Vol.-%) enthält 8,8 g Alkohol

  • 1 Glas Rotwein (100 ml, 14 Vol.-%) enthält bereits 11,2 g Alkohol

  • 1 doppelter Schnaps (40 ml, 38 Vol.-%) enthält 12,2 g Alkohol

Riskanter Alkoholkonsum liegt bei Männern ab 30–40 g (3–4 Standardgetränke) und bei Frauen ab mehr als 20 g reinen Alkohols pro Tag (2 Standardgetränke) und mehr als 5 Tagen mit Alkoholkonsum pro Woche vor. 60–120 g (Männer) bzw. 40–80 g (Frauen) „reiner“ Alkohol pro Tag gilt als gefährlicher Konsum, über 120 g (Männer) bzw. 80 g (Frauen) gilt als Hochkonsum.

Merke: In der Bundesrepublik leben zwischen 7,8 und 9,2 Millionen Menschen, deren Trinkverhalten riskant, gefährlich oder dem Hochkonsum zuzuordnen ist, wobei Männer häufiger als Frauen betroffen sind.

Nach der ICD-10 liegt eine Abhängigkeit von Alkohol vor, wenn mindestens 3 der 6 folgenden Kriterien zutreffen. Ein Patient litt während der letzten 12 Monate wiederholt unter:

  • Craving (starkem Verlangen oder einer Art Zwang, Alkohol zu trinken)

  • Kontrollverlust des Alkoholkonsums bezüglich Beginn oder Menge

  • körperlichem Entzugssyndrom bei Reduzierung der Alkoholmenge

  • Toleranzentwicklung gegenüber der Alkoholwirkung

  • Einengung des Interesses auf das Alkoholtrinken und dadurch Vernachlässigung anderer Interessen

  • anhaltender Alkoholkonsum trotz eindeutiger schädlicher Folgen (gesundheitlich, psychisch und/oder sozial)

Psychische Störungen treten bei etwa 1,61 Mio. Menschen zwischen 18 und 64 Jahren aufgrund von Alkoholmissbrauch und bei etwa 1,77 Mio. Menschen aufgrund von Alkoholabhängigkeit auf.