Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2000; 35(12): 771-772
DOI: 10.1055/s-2000-8939-5
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Die autologe Bluttransfusion aus anästhesiologischer Sicht

H.  Gombotz
  • Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universität Graz
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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Mit Ausbruch der HIV-Epidemie in den frühen 80iger Jahren wurden autologe Transfusionsverfahren wieder aufgegriffen, weiter entwickelt und auch in die Transfusionsrichtlinien diverser Fachgesellschaften und verantwortlicher Behörden aufgenommen. Ihre Anwendung führte in vielen Sparten der Chirurgie zu einem dramatischen Rückgang des Fremdblutverbrauchs. Gleichzeitig wurde aber auch die Aufbereitung und Testung homologer Blutprodukte entscheidend verbessert, wodurch sich die Relation zwischen dem Risiko homologer Transfusionen und dem Risiko autologer Blutsparkonzepte deutlich verändert hat.

Die Anämie führt zu Belastungen des Herzkreislaufsystems und erhöht insbesondere bei Patienten mit kardiovaskulärer Begleiterkrankung die postoperative Morbidität und Mortalität. Diese ungünstige Prognose wird durch diagnostischen und chirurgischen Blutverlust weiter verschlechtert und kann nicht einfach durch Transfusion von Erythrozyten verbessert werden [1] [2] [3]. Die präoperative Behandlung der Anämie und der kardialen Erkrankung sowie die Minimierung des perioperativen Blutverlustes dürfte daher das perioperative Risiko eher reduzieren, als großzügige Transfusion homologer Erythrozyten. Auch ein genereller Transfusionstrigger kann nach derzeitigem Wissensstand nicht empfohlen werden. Die Indikation zur Bluttransfusion sollte daher nur nach klinischer Symptomatik und genauer Risikoabwägung für den individuellen Patienten gestellt werden, wobei ein günstiger Effekt der Bluttransfusion über einem Hämoglobinwert von 8 g/dl derzeit noch unbewiesen ist.

Eine permissive Anämie unterschiedlichen Ausmaßes ist fixer Bestandteil von autologen Transfusionsverfahren wie präoperative Eigenblutspende oder normovolämischen Hämodilution. Da Blutsparmethoden praktisch immer in Hinblick auf eine Reduktion des Fremdblutbedarfs untersucht wurden, ist es noch nicht eindeutig klar, ob überhaupt und inwieweit erniedrigte perioperative Hämatokritwerte im Rahmen von Blutsparmethoden die postoperative Morbidität und Mortalität nachteilig beeinflussen und damit einen Risikofaktor darstellen. In diesem Umfeld muß der Anästhesist für seine Patienten das optimale Transfusionskonzept bereits im Vorfeld der Operation auswählen, indem er Risiken aber auch Kosten der Blutsparmethoden gegenüber denen der homologen Transfusion und dem Risiko der perioperativen Anämie abwägt. Die autologe Bluttransfusion kann dabei immer nur Teil eines umfassenden multimodalen Blutsparkonzeptes sein, welches den Möglichkeiten der operativen Einheit, der Kenntnis der behandelnden Ärzte und den Bedürfnissen des individuellen Patienten angepaßt werden muß.

Das Prinzip der Eigenblutspende ist es, durch präoperative Abnahme von autologem Blut die Erythropoese zu stimulieren und dadurch die Erythrozytenmasse vor der geplanten Operation zu vergrößern. Ihre Effektivität hängt von der Grunderkrankung, dem Ausgangshämatokrit und dem durchgeführten Spendeschema ab. Parenterale Eisengabe und Stimulation mit rekombinantem Erythropoietin spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Eigenblutspende ist wegen eines hohen Prozentsatzes gespendeter aber letztlich nicht benötigter autologer Konserven, aber auch wegen der mit dem Fremdblut vergleichbaren Aufbereitung, Testung und Lagerung ein aufwendiges und teures Verfahren. Um die Eigenblutspende kostengünstiger zu machen sollte für geplante Operationen die Empfehlung des spitalseigenen Transfusionskomitees oder besser der retrospektiv bzw. prospektiv erhobenen tatsächliche Transfusionbedarf für den jeweiligen Eingriff herangezogen werden. Dann kann der tolerable Blutverlust jedes einzelnen Patienten berechnet und danach ein patientenindividuelles Blutsparprogramm erstellt werden [4]. Durch Verwendung autologer Produkte für den homologen Bereich, Einsatz moderner Verfahren wie z. B. fraktionierte Abnahme oder Filtrierung und Lagerung als Vollblut können die Kosten weiter verringert werden.

In einer kürzlich publizierten Metaanalyse fand sich eine direkte Beziehung zwischen dem Benefit der präoperativen Eigenblutspende und der Transfusionsfrequenz in der Kontrollgruppe. Dies läßt den Schluß zu, daß andere Methoden wie blutsparende chirurgische Technik oder Transfusionprotokolle genauso wirksam sein können wie die präoperative Eigenblutspende [5]. Tatsächlich wurden auch Alternativen verglichen, wobei wiederum der Verbrauch an homologen Blutkonserven als primärer Endpunkt in der jeweiligen Untersuchung herangezogen wurde. Zu diesen Verfahren zählen die normovolämische Hämodilution und die alleinige perioperative Stimulation mit rekombinantem Erythropoietin bzw. eine Kombination beider Verfahren. In diesen Untersuchungen zeigte sich, daß mit der normovolämische Hämodilution eine vergleichbare Fremdbluteinsparung in der Hüft- und Prostatachirurgie zu erzielen war. Diese Einsparung war in der Kombination mit Erythropoietin ausgeprägter, wobei bei Eigenblutpatienten prä- und intraoperativ durchwegs niedrigere Hämatokritwerte gemessen wurden und damit zumindest theoretisch ein höheres Anämierisiko bestand [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12]. Eine mathematische Kalkulation über den Wert der alleinigen präoperativen Vorbehandlung mittels Erythropoietin ergab, daß dieses Verfahren bei leicht anämischen Patienten mit einem perioperativen Blutverlust von bis zu 4000 ml am effektivsten ist [13]. Dieser theoretische Berechnung konnte auch in klinischen Studien sowohl in alleiniger Anwendung als auch in Vergleichstudien an urologischen und orthopädischen Patienten bestätigt werden [12] [14] [15].

Literatur

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  • 2 Carson J L, Duff A, Berlin J A, Lawrence V A, Poses R M, Huber E C. et al . Perioperative blood transfusion and postoperative mortality.  JAMA. 1998;  279(3) 199-205
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  • 6 Monk T G, Goodnough L T, Birkmeyer J D, Brecher M E, Catalona W J. Acute normovolemic hemodilution is a cost-effective alternative to preoperative autologous blood donation by patients undergoing radical retropubic prostatectomy.  Transfusion. 1995;  35 559-565
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  • 11 Monk T G, Goodnough L T, Brecher M E, Colberg J W, Andriole G L, Catalona W J. A prospective randomized comparison of three blood conservation strategies for radical prostatectomy.  Anesthesiology. 1999;  91(1) 24-33
  • 12 Gombotz H, Gries M, Sipurzynski S, Fruhwald S, Rehak P. Preoperative treatment with recombinant human erythropoietin or predeposit of autologous blood in women undergoing primary hip replacement. Acta Anaesthesiol. Scand. 2000, im Druck
  • 13 Brcher M E, Goodnough L T, Monk T. Where does preoperative erythropoietin therapy count? A mathematical perspective.  Transfusion. 1999;  39(4) 392-395
  • 14 Chun T Y, Martin S, Lepor H. Preoperative recombinant human erythropoietin injection versus preoperative autologous blood donation in patients undergoing radical retropubic prostatectomy.  Urology. 1997;  50(5) 727-732
  • 15 Stowell Ch P, Chandler H, Jove M, Guilfoyle M, Wacholtz M C. An Open-Label, Randomized Study to Compare the Safety and Efficacy of Perioperative Epoetin alfa with preoperative autologous blood donation in total joint arthroplasty.  Orthopedics. 1999;  22, Supplement 105-112

Dr. med. H. Gombotz

Universitätsklinik für Anästhesiologie

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8036 Graz

Österreich

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