neuroreha 2019; 11(01): 1
DOI: 10.1055/a-0825-8030
Gasteditorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Glaubensbekenntnis eines Ungläubigen

Christian Dettmers
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 March 2019 (online)

Physiotherapie ist ein beneidenswert schöner Beruf – eine Berufung –, weil man Menschen helfen und sie unterstützen kann. Die meisten Patienten wissen dies zu schätzen und haben ein dankbares Verhältnis zu ihrem Therapeuten.

Faszinierend ist der Beruf aber auch, weil er eine Herausforderung darstellt im Grenzgebiet zwischen bekanntem und unbekanntem Terrain, zwischen Empirie und Wissenschaft, zwischen „Wir sehen doch, dass es funktioniert“ und wissenschaftlicher Evidenz. Konventionelle Physiotherapie hatte sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in einer Zeit entwickelt, als es noch keinen Anspruch darauf gab, dass medizinisch-therapeutische Leistungen evidenzbasiert sein sollten. Mit dem Anspruch der Evidenzbasierung wurden traditionelle physiotherapeutische Konzepte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit hinterfragt. Mit der Forderung, ihre Wirksamkeit in randomisierten klinischen Studien zu beweisen, waren viele traditionelle Konzepte überfordert. Aber bedeuten fehlende Beweise für eine Wirksamkeit, dass sie nicht wirksam sind?

Die Forderung nach Evidenzbasierung oder zumindest nach einem kritischen Umgang mit Konzepten, die nicht evidenzbasiert sind, bleibt bestehen und bleibt auch die Herausforderung für die Zukunft.

Die Zeitschrift neuroreha hat diese Herausforderung vor 10 Jahren realisiert und angenommen. Jede Ausgabe stellt eine Brücke dar zwischen Wissenschaft und Empirie und einen Versuch, die Kluft zu überbrücken und praktische Handlungsanleitungen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und Studien abzuleiten. Das macht die Zeitschrift so wertvoll, spannend und lesenswert. Die neuroreha hat einen wichtigen Beitrag geleistet, das Feld der Neurorehabilitation in Deutschland und im deutschsprachigen Ausland zu entwickeln und Physiotherapeuten zu einem kritischen Umgang mit jedweder Methode zu befähigen. Darauf können die Herausgeber, Frau Rosi Haarer-Becker und der Thieme Verlag zu Recht stolz sein! Es ist wichtig, auch in den Zeiten der Ökonomisierung Visionen aufrechtzuerhalten!

Ich freue mich auf die nächsten spannenden Ausgaben von neuroreha und wünsche allen Beteiligten auch für die nächsten 10 Jahre viel Erfolg!

Prof. Dr. Christian Dettmers, Konstanz