Intensivmedizin up2date 2020; 16(01): 79-94
DOI: 10.1055/a-0903-7490
Allgemeine Intensivmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Delir bei Intensivpatienten

Simone Gurlit
,
Cordelia Hempel
,
Cynthia Olotu-Steffen
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Publication History

Publication Date:
10 February 2020 (online)

Die Versorgung deliranter Patienten ist alltäglich auf der Intensivstation. Bis zu 80% der analgosedierten Patienten sind betroffen. Häufig resultieren schwerwiegende Folgen für das weitere Leben des Patienten: Neben einer erhöhten Morbidität und Mortalität kommt es nicht selten zu dauerhaften kognitiven Einschränkungen. Dies führt zu einem Verlust von Selbstständigkeit und Lebensqualität – trotz vermeintlich gelungener Intensivbehandlung.

Kernaussagen
  • Das Delir auf der Intensivstation ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation, die derzeit oftmals unerkannt bleibt. Kenntnisse und Identifikation delirogener Risikofaktoren sind daher für das gesamte Behandlungsteam obligat.

  • Ein Delir ist mit einer lebenslang erhöhten Mortalität vergesellschaftet.

  • Ein effektives Delirmanagement kann den intensivmedizinischen Verlauf verbessern, die Mortalität reduzieren und das funktionelle Outcome positiv beeinflussen.

  • Auf Neurotransmitterebene sind ein cholinerges Defizit und ein dopaminerger Überschuss relevant; anticholinerg bzw. dopaminerg wirksame Substanzen haben delirogenes Potenzial.

  • Ein regelhaft etabliertes Delir-Screening mit validierten Scores sollte bei allen Patienten auf der Intensivstation durchgeführt werden.

  • Grundlage von Prävention und Therapie des Delirs sind nicht pharmakologische Maßnahmen; besonderen Stellenwert haben hier Reorientierung und Angstvermeidung.

  • Das hypoaktive Delir wird nicht pharmakologisch behandelt.

  • Ist eine pharmakologische Symptomkontrolle des hyperaktiven Delirs notwendig, muss diese regelmäßig evaluiert und frühestmöglich beendet werden (niedrigste Dosis, kürzeste Zeit).

  • Wesentliche Bausteine des Delirmanagements auf der Intensivstation sind eine effektive und bedarfsgerechte Analgesie sowie eine ziel- und symptomorientierte, gut steuerbare und nicht zu tiefe Sedierung.

  • Delirmanagement auf der Intensivstation gelingt nur in interdisziplinärer und interprofessioneller Zusammenarbeit.