PiD - Psychotherapie im Dialog 2020; 21(03): 111
DOI: 10.1055/a-0987-5472
Backflash

Heute ist Krise, morgen ist Pandemie. Und übermorgen?

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(Quelle: Michael Sieger)

In einem der vielen Abstimmungsgespräche rund um den Umgang mit dem Infektionsgeschehen in unserem Krankenhaus zeigte sich vor Kurzem ein Kollege irritiert, wann im Wochenverlauf denn nun welche Konferenz (selbstverständlich mit Maske und Abstand) stattfinde. Nach einigem Überlegen konnte er sich wieder sortieren: „Ach ja: Heute ist Krise (damit meinte er die Sitzung des Krisenstabs) und morgen ist Pandemie.“ (womit analog die Sitzung des Pandemiestabs gemeint war).

Jenseits der auch unter dem Mund-Nasen-Schutz sicht- und hörbaren Lacher aller Anwesenden und dem Vorschlag, diesen Satz als „phrase of the day“ zu küren, stellte sich schnell die Überlegung ein, was dies denn für den darauf folgenden Tag bedeuten könnte. Zugegeben: Sie lägen nicht falsch, wenn Sie es als konkretistisches Abweichen vom Thema identifizieren würden, und Manchem fiele vielleicht auch der psychopathologische Begriff des „Danebenredens“ dazu ein.

Dennoch werden wir alle auf irgendeine Weise schon einmal darüber nachgedacht haben, was denn nach der Pandemie wohl kommen wird. Je nach eigener Sichtweise und Lebenskontext wird es dazu eher abwartend-gelassene bis zuversichtliche oder auch ängstlich-sorgenvolle und ratlose Erwartungen geben. Was wir Psychotherapeuten aber eigentlich besonders gut können, ist neugierig zu sein: auf das, was Veränderungen in Menschen auslösen und welche beeindruckenden Reaktionen auf den unterschiedlichsten Ebenen entstehen können, wenn wir uns in Bewegung bringen lassen. Ob das Corona-Virus es schafft, uns zu dieser Bewegung zu ermutigen, oder ob es uns zum Erstarren bringt, wird unbequemerweise wieder mal von uns selbst abhängen (und vermutlich hören Patienten und Patientinnen Sätze wie diese oft genug von uns).

Sollte die Entscheidung schwer fallen, könnte der Satz eines alten Kamelführers weiterhelfen: Auf die mit sorgenvoller Miene vorgetragene Frage eines wüstenunerfahrenen Europäers, was denn alles passieren könne, wenn er jetzt 10 Tage auf dem Kamel durch Sand und Steine reise, lautete die Antwort: „Wer Angst hat, findet Skorpione.“

Fragen Sie sich einfach, ob das dann gut oder schlecht wäre und ob Sie diese Viecher wirklich näher kennenlernen möchten …

Dr. Bettina Wilms, Querfurt



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Article published online:
31 August 2020

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