Psychiatr Prax 2020; 47(06): 296
DOI: 10.1055/a-1174-3488
Debatte: Pro & Kontra
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychiatrie ohne Ordnungsfunktion?

Psychiatry without Authoritarian Function?
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Publication Date:
31 August 2020 (online)

Wir haben in dieser Rubrik vor 7 Jahren schon einmal eine Debatte mit nahezu gleichem Titel publiziert [1] [2]. Möglicherweise mag die Debatte damals mancher Leserin und manchem Leser etwas künstlich erschienen sein, weil sie scheinbare Selbstverständlichkeiten infrage stellte. Inzwischen hat das Thema aber eher an Fahrt aufgenommen, nachdem das Bundesverfassungsgericht erst 2013 für die Zwangsbehandlung und 2018 auch für die Fixierung enge Grenzen gesetzt hat, die sich mittlerweile auch in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen widerspiegeln. In der Psychiatrie Tätige stellen sich vermehrt die Frage, wo unter den heute gültigen rechtlichen und ethischen Auffassungen die Grenzen ihrer Zuständigkeit und Pflichten liegen, insbesondere im Zusammenhang mit Fremdgefährdung. Unter Berufung auf die UN-Behindertenrechtskonvention argumentiert u. a. ein UN-Komitee, dass jede Form von Zwang gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbieten sei, eine Auffassung, der sich das Bundesverfassungsgericht in den genannten Entscheidungen allerdings explizit nicht angeschlossen hat. Martin Zinkler und Sebastian von Peter haben kürzlich in einer Arbeit in Recht und Psychiatrie [3] dargelegt, wie eine Psychiatrie mit vollständigem Verzicht auf die Ordnungsfunktion ihrer Ansicht nach aussehen könnte und wie sich die Aufgabenverteilung mit Polizei und Justiz dann darstellen müsste. Wir nehmen dies zum Anlass, das Thema noch einmal mit einer Debatte aufzugreifen.

Tilman Steinert
tilman.steinert@zfp-zentrum.de