Aktuelle Kardiologie 2020; 9(03): 260-267
DOI: 10.1055/a-1185-8533
Kurzübersicht

Funktionelle Diagnostik zur Detektion myokardialer Ischämie

Functional Diagnostics for the Detection of Myocardial Ischemia
Luise Gaede
1   Medizinische Klinik 2, Universitätsklinik Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
,
Florian Bönner
2   Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
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Zusammenfassung

In den aktuellen Leitlinien zum chronischen Koronarsyndrom (chronic coronary syndrome, CCS) spielt die funktionelle Diagnostik zur Detektion und Quantifizierung einer myokardialen Ischämie eine zentrale Rolle: Im Gegensatz zu rein anatomischen Verfahren kann diese nicht nur eine koronare Herzerkrankung diagnostizieren, sondern auch gleichzeitig das Patientenrisiko stratifizieren. Funktionelle diagnostische Verfahren sollten zunächst nicht invasiv, in jedem Falle aber – vor allem bei fehlendem nicht invasivem Nachweis – im Herzkatheter mittels Druckdrahtmessung angewendet werden. In den nicht invasiven Verfahren bestimmt die Größe des ischämischen Areals, ob eine Revaskularisation von prognostischem Nutzen für den Patienten ist, und entscheidet somit über die weitere interventionelle Therapie. In der invasiven Quantifizierung wird die hämodynamische Signifikanz einer Koronarstenose bestimmt. Die funktionelle Diagnostik ermöglicht zudem eine Aussage über die Funktion der Mikrostrombahn. Erkrankungen der Mikrostrombahn sind von vergleichbarer prognostischer Bedeutung wie Erkrankungen der Makrostrombahn, bedürfen jedoch weniger der interventionellen als der pharmakologischen Behandlung. Aktuelle technische Entwicklungen aller Modalitäten erweitern in unterschiedlicher Geschwindigkeit die diagnostische Genauigkeit und das Einsatzgebiet der einzelnen Verfahren. Nicht für alle Patienten sollte daher grundsätzlich die gleiche Diagnostik in die Wege geleitet werden. Die richtige Auswahl des nicht invasiven Tests sollte in Abhängigkeit von dem Patienten mit Berücksichtigung von Komorbiditäten, Symptomatik und Prätestwahrscheinlichkeit sowie lokaler Expertise getroffen werden. Gerade alte Patienten, die sich häufig mit atypischer Symptomatik präsentieren und höhere Komplikationsraten bei invasiven Verfahren aufweisen, profitieren hier besonders von einer wohl überlegten diagnostischen Strategie.

Abstracts

In the current guidelines on chronic coronary syndrome (CCS), functional diagnostics for the detection and quantification of myocardial ischemia play a central role: In contrast to purely anatomical methods, they can not only diagnose coronary heart disease, but also stratify the patient risk at the same time. Functional diagnostic procedures should initially be used non-invasively, but in any case – especially in case of absent or inconclusive non-invasive detection – with pressure wire measurements in the cath-lab. Non-invasive tests quantify the size of the ischemic area and determine whether revascularization is of prognostic benefit for the patient and thus decide on further interventional therapy. The hemodynamic significance of a coronary stenosis is determined by invasive quantification. The functional diagnostics also allow a statement about the function of the microcirculation. Diseases of the microcirculation are of comparable prognostic importance to diseases of the macrocirculation, but require less interventional than pharmacological treatment. Current technical developments of all modalities expand the diagnostic accuracy and the field of application of the individual methods at different speeds. The same diagnosis should therefore not always be initiated for all patients. The correct selection of the non-invasive test should be made depending on the patient, taking into account comorbidities, symptoms and pretest probability as well as local expertise. Older patients in particular, who often present with atypical symptoms and have higher complication rates with invasive procedures, benefit particularly from a well-considered diagnostic strategy.

Was ist wichtig?

In den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum chronischen Koronarsyndrom (chronic coronary syndrome, CCS) spielt die funktionelle Testung der myokardialen Ischämie eine zentrale Rolle: Während bei Patienten mit niedrigem Risiko eine anatomische Darstellung mittels Koronar-CT empfohlen wird, sollen bei Patienten mit intermediärem bis hohem ischämischem Risiko zunächst nicht invasive Ischämietests zur Diagnose oder Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung (KHK) und zur Quantifizierung der durch die KHK hervorgerufenen Ischämielast durchgeführt werden, um die Notwendigkeit einer Koronarangiografie zu prüfen (Klasse-IA-Empfehlung) [1]. Die Revaskularisation ist nachweislich erst ab einer bestimmten Ischämielast in der bildgebenden Diagnostik für den Patienten von prognostischem Vorteil [2], [3]. Die gängigen Verfahren umfassen die Stress-Echokardiografie, die Myokardszintigrafie sowie die kardiale Magnetresonanztomografie. Die Ergometrie wird aufgrund ihrer geringen Spezifität und Sensitivität für die Diagnostik der KHK nur noch empfohlen, wenn keines der oben genannten Verfahren verfügbar ist [1].

Ist eine nicht invasive Ischämiediagnostik im Vorfeld nicht gewährleistet oder ist der Befund unklar, sollte vor Revaskularisation eine invasive funktionelle Testung mittels Druckdrahtmessung erfolgen [1].



Publication History

Article published online:
30 June 2020

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York