Rehabilitation (Stuttg) 2021; 60(03): 163
DOI: 10.1055/a-1489-6194
Aktuelles

Regierungsentwurf Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verabschiedet

Am 17. April 2019 erließ die EU die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA), um die uneinheitlichen Rechtsvorschriften ihrer Mitgliedstaaten zur Barrierefreiheit zu harmonisieren. Durch den EAA sind Barrierefreiheitsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen erstmals auch für die Privatwirtschaft festgeschrieben. Sie beziehen sich auf ausgewählte Produkt- und Dienstleistungsarten wie Computer und Betriebssysteme, bestimmte Selbstbedienungsterminals, Fernseher, Telefondienste, gewisse Elemente von Personenbeförderungsdiensten (z. B. deren Websites, elektronische Tickets und Informationen), Bankdienstleistungen und Onlinehandel.

Um die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen, legte das Bundeskabinett am 24. März 2021 den Regierungsentwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vor. Dessen Geltungsbereich ist auf dieselben Produkte und Dienstleistungen gerichtet. Bereits im September 2020 hatten die im Deutschen Behindertenrat (DBR) organisierten Verbände ihre Erwartungen an ein solches Gesetz in einem Forderungspapier formuliert, in dem sie u. a. klarstellten, dass eine 1:1-Umsetzung des EAA nicht ausreichend sei. Zum Referentenentwurf des Gesetzes vom 1. März 2021 (zu diesem Zeitpunkt sollte das Gesetz noch „Barrierefreiheitsgesetz“ heißen) gingen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zahlreiche Stellungnahmen ein, darunter auch eine Positionierung der DVfR. Zu den Hauptkritikpunkten der Betroffenenverbände gehört die rückschrittliche Definition von Barrierefreiheit, die Beschränkung der Barrierefreiheitsverpflichtung auf den digitalen Bereich, mangelnde Effektivität der vorgesehenen Marktüberwachung, unzureichende Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung sowie zu weit gefasste Ausnahmetatbestände und Übergangsfristen. Den Stellungnahmen sind zahlreiche Vorschläge zur Überarbeitung des Gesetzentwurfs zu entnehmen: Unter anderem wurde gefordert, die bauliche Umwelt und den öffentlichen Personennahverkehr in das BFG aufzunehmen und Barrierefreiheit in Aus- und Weiterbildung, Förderprogrammen und Unternehmen als Querschnittsthema zu behandeln. Darüber hinaus seien die Menschen mit Behinderung in die nationale Umsetzung des EAA effektiv einzubeziehen.

Der Regierungsentwurf nahm manche der Anregungen auf: So passte er die Definition von Barrierefreiheit an die Definition in § 4 Behindertengleichstellungsgesetz an und ergänzte einen Paragraph „Schlichtung“, in dem er Verbrauchern die Möglichkeit eröffnet, ein Schlichtungsverfahren zu beantragen. Andererseits wurde die Frist für den Einsatz nicht barrierefreier Selbstbedienungsterminals wieder um 5 Jahre verlängert. Noch bis 28. Juni 2022 hat die Bundesrepublik Deutschland Zeit, die EU-Richtlinie in deutsches Recht zu überführen. Die nationalen Vorschriften sind ab dem 28. Juni 2025 anzuwenden (zu Übergangszeiträumen siehe Art. 32 der Richtlinie). Zu den Gesetzentwürfen und Stellungnahmen gelangen Sie auf www.bmas.de -> Service.

(Quellen: https://eur-lex.europa.eu; BMAS; DBR; barrierefreiheitsgesetz.org)



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Article published online:
29 June 2021

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