Die Wirbelsäule 2023; 07(01): 6-7
DOI: 10.1055/a-1519-8127
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Bilateraler Erector Spinae Plane Block bei lumbalen Fusionseingriffen

Denis Rappert
1   Zentrum für Wirbelsäulen- und Skoliosetherapie, Malteser Waldkrankenhaus St. Marien, Erlangen, Deutschland
› Author Affiliations

Die postoperative Schmerzeinstellung nach instrumentierten Wirbelsäuleneingriffen kann eine große, interdisziplinäre Herausforderung sein. Zum einen aufgrund der objektiven, schmerzverursachenden chirurgischen Tätigkeit, zum anderen durch die hochgradig individuelle und subjektive Schmerzwahrnehmung der Patienten. Ist ein Patient postoperativ bereits am ersten Tag nahezu schmerzfrei klagt der andere auch am fünften Tag noch über massive und nahezu immobilisierende Schmerzen. Zahlreiche lokale schmerztherapeutische Infiltrationstechniken wurden zur Schmerzlinderung mit unterschiedlichem Erfolg evaluiert [1] [2]. Die Arbeitsgruppe um Goel et al. aus Indien hat in der hier vorliegenden prospektiven, randomisierten, doppelt verblindeten Single Center Studie den Einfluss eines ultraschallgesteuerten präoperativ gesetzten Erector spinae Blocks untersucht. Hierbei wurden neben der Menge an intraoperativer Analgetika- und Relaxansgabe sowie dem Analgetikabedarf 48h postoperativ auch diverse weitere Parameter wie Blutverlust, visuelle Analogskala (VAS) und ein Zufriedenheitsscore ausgewertet.

Die technische Durchführung der Studie ist überzeugend. Es konnten in einem Jahr 100 Patienten eingeschlossen werden. Die beiden Gruppen waren von den demografischen Faktoren vergleichbar. Aus Sicht deutscher Wirbelsäulenchirurgen handelt es sich um ein nahezu ideales Patientenkollektiv: verhältnismäßig junge (52a), gesunde (ASA I+II), normalgewichtige (BMI 26) Patienten mit lediglich monosegmentaler Pathologie. Eines der Ausschlusskriterien war chronischer Schmerzmittelgebrauch und Opiatabhängigkeit. Eine Definition, wann dies vorliegt, findet sich in der Studie leider nicht. Somit bleibt unklar, welche Patienten aufgrund der präoperativen Schmerzmedikation ausgeschlossen wurden. Das ist bedauerlich da es doch explizit Patienten mit präoperativ hohem Schmerzmittelbedarf sind, welche in der postoperativen Schmerzeinstellung die meisten Probleme bereiten [3]. Deutlich breitere Einschlusskriterien mit einer Erfassung der präoperativ eingenommenen Analgetika wären an dieser Stelle wünschenswert gewesen.

Der Erector spinae Block wurde von einem „erfahrenen Anästhesisten“ in durchschnittlich 6min gesetzt. Die technisch einfach anmutende und sehr gut beschriebene Infiltrationstechnik erscheint plausibel und auch der etwas überraschende, signifikant geringere Blutverlust in der Gruppe mit Block wird mit einer diffusionsbedingten Affektion der sympathischen Fasern bei der verwendeten relativ hohen Menge von 20ml Bupivacain schlüssig hergeleitet. In nur einem Fall misslang der Block – bezeichnenderweise bei vorhandener Fettleibigkeit des Probanden. Interessant wäre noch gewesen, ob ein Flüssigkeitsdepot auf Höhe des Processus transversus von 20ml pro Seite die intraoperative Haptik und Orientierung bei der Präparation verändert.

Die signifikante Reduktion von Opiaten und Relaxantien intraoperativ und die signifikante Verbesserung der VAS in den ersten 48h bei gleichzeitig ebenfalls reduziertem Opiatbedarf in den ersten 24h postoperativ ist für dieses Patientenkollektiv durchaus überzeugend. Auffallend ist jedoch, dass die durchschnittliche VAS in beiden Gruppen mit 1,40 und 1,98 sehr niedrig ausfällt. Dies ist überraschend, da die routinemäßige postoperative analgetische Therapie lediglich mit Paracetamol und einem NSAR (Ketorolac) 6stdl. i.v. sowie Pregabalin p.o. erfolgt. Bei insgesamt also geringer Basismedikation werden Opiate (Fentanyl) lediglich als Rescue-Schmerzmittel bei Durchbruchsschmerzen eingesetzt. Inkongruent sind die Angaben bez. eines Ko-Analgetikums. Wird in dem Methodenteil noch von der zweimaligen Gabe von Pregabalin gesprochen, erhielten die Patienten in der Zusammenfassung jedoch Dexamethason. Auch wenn für keines der beiden Wirkstoffe eine Evidenz besteht [4], sollte ein solcher Fehler nicht passieren. Leider finden sich keine Aussagen über die frühpostoperative Mobilisierung. Eine Verbesserung diesbezüglich wäre ein weiteres Argument für die Durchführung dieses Verfahrens gewesen.

Zusammenfassend liegt eine methodisch gut designte Studie mit interessanten Erkenntnissen zur Reduktion intraoperativer und postoperativer Schmerzen in den ersten 48h nach monosegmentaler Spondylodese vor. Eine Adaption der erlangten Erkenntnisse auf ein für uns typischerweise eher adipöses und stärker vorerkranktes Patientengut und im Speziellen auf die problematischen Patienten mit schon präoperativ hohem Opiatbedarf wäre durchaus wünschenswert und vielversprechend.



Publication History

Article published online:
27 February 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 Wenk M, Liljenqvist U, Kaulingfrecks T. et al. Intra- versus postoperative initiation of pain control via a thoracic epidural catheter for lumbar spinal fusion surgery. Minerva Anestesiol 2018; 84: 796-802
  • 2 Saini D, Yadav U. Study of Wound Instillation Technique for Effective Postoperative Analgesia using Ropivacaine in Lumbar Spine Surgery. Anesth Essays Res 2018; 12: 685-689 DOI: 10.4103/aer.AER_87_18. (PMID: 30283176)
  • 3 Schnabel A, Yahiaoui-Doktor M, Meissner W. et al. Predicting poor postoperative acute pain outcome in adults: an international, multicentre database analysis of risk factors in 50,005 patients. Pain Rep 2020; 5: e831 DOI: 10.1097/PR9.0000000000000831. (PMID: 32766467)
  • 4 S3 Leitlinie: Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. WMF-Registernummer 001/025 (Stand: 2022).