Sprache · Stimme · Gehör 2022; 46(03): 147
DOI: 10.1055/a-1821-1682
Interview

Wider den Reduktionismus

Interview mit Prof. Jürgen Kriz, einem Spezialisten für Humanistische Psychologie und Begründer der „Personzentrierten Systemtheorie“.
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Herr Professor Kriz, welche Elemente der psychosozialen Beratungskompetenz erachten Sie für Fachpersonen der Sprach-, Sprech- und Stimmtherapie als besonders wertvoll?

Die somatischen Prozesse sind ja eingebettet in ein vielfältiges psychosoziales Geschehen. Das meint nicht: von diesen „verursacht“. Aber sowohl zur Aufrechterhaltung als auch zur Veränderung tragen psychosoziale Aspekte meist erheblich bei. Es geht dabei nicht nur um das psychische Erleben der körperlichen Vorgänge, sondern auch z. B. um deren Wirkung auf die Familiendynamik und deren Rückwirkungen. Ebenso spielen Bilder und Erklärungen in der Subkultur – z. B. der Multigenerationsfamilie – bezüglich Krankheit und Gesundheit wie auch die eigenen biografischen Erfahrungen des Betroffenen eine Rolle. Es wäre gut, Kenntnisse über dieses Wirkungsgeflecht und den therapeutischen Umgang damit zu vermitteln.

Wie verändert eine erweiterte Beratungskompetenz Verlauf und Ergebnis logopädisch-phoniatrischer Arbeit?

Wir haben beispielsweise vor 25 Jahren im Bereich Asthma oder Neurodermitis etabliert, dass Familiengespräche in die Therapie einbezogen werden. Das senkt Konflikte und damit den Stress, der wiederum eine bedeutsame Moderatorvariable des somatischen Geschehens ist. Man sieht die komplexen Zusammenhänge der Wirkungen. Wichtig ist die Beachtung nicht nur der medizinischen Parameter – d. h. der Befunde – sondern eben auch der Befindlichkeiten des Menschen als Subjekt.



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Article published online:
02 September 2022

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