Erfahrungsheilkunde 2022; 71(06): 367-368
DOI: 10.1055/a-1965-2132
Hufeland aktuell

Preisverleihung Holzschuh-Preis für Komplementärmedizin 2022

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Der Preisträger des Holzschuh-Preises 2022 Holger Bringmann. (Foto: H. Bringmann)

Nachhaltig und von hoher Akzeptanz durch die Betroffenen – ein neuentwickeltes meditationsbasiertes Verfahren zeigt bei mittelschweren Depressionen beeindruckende Ergebnisse.

Im Rahmen der Medizinischen Woche wurde am 2.11.2022 der mit 5000 Euro dotierte Holzschuh-Preis für Komplementärmedizin an Dr. Holger C. Bringmann und seine Arbeitsgruppe vergeben. In einer randomisierten kontrollierten Studie wurde die Wirkung eines selbst entwickelten meditationsbasierten Lebensstil-Programms bei mittelschweren Depressionen untersucht – mit beeindruckenden Ergebnissen.

Depressive Störungen sind eine globale Herausforderung, sie gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Allein in Deutschland erkranken jährlich mehr als 5 Millionen Menschen; gemeinsam mit Burnout und anderen mentalen Erkrankungen ist sie die zweitwichtigste Ursache von Arbeitsunfähigkeit und zu rund 40 Prozent Grund für eine Frühverrentung. Daher sind auch die volkswirtschaftlichen Kosten immens und werden allein für Deutschland auf über 20 Mrd. Euro geschätzt.

Gemäß aktueller Leitlinien werden Depressionen vor allem medikamentös und psychotherapeutisch behandelt. Doch diese Therapien wirken nicht bei allen Betroffenen, die Medikamente haben teilweise starke Nebenwirkungen und die Nachhaltigkeit ist vielfach begrenzt. Die Einführung und Anwendung effektiver, nebenwirkungsarmer und kosteneffizienter Behandlungen zur Reduzierung der Krankheitslast sind dringend notwendig.

Chancenreich erscheinen ganzheitliche Programme, die auf mehreren Ebenen ansetzen. Holger Bringmann hat hierfür eine traditionelle indische Meditationspraxis an westliche Verhältnisse angepasst und weiterentwickelt. Das Besondere an dieser sogenannten Meditationsbasierten Lebensstilmodifikation (MBLM) ist, dass die lebensethischen Prinzipien des Yogas eine wesentliche Grundlage für die weitere Praxis bilden: für einen gesunden Lebensstil – also Ernährung, Yoga-Übungen, Atemübungen – und dann vorbereiten auf eine zentrale Meditationspraxis, die Mantra-Meditation. Dadurch ist der meditative Weg eingebettet in ein Gesamtkonzept – wie ich mein Leben führe, welche Anschauungen ich in meinem Leben habe, wie ich meinen Körper vitalisiere und entspanne, wie ich mein Bewusstsein entwickle. Auf diese Weise werden in MBLM mentale und emotionale „Top-down“-Prozesse mit körper- und sinnesbasierten „Bottom-up“-Prozessen integriert.

Das Therapieprogramm wurde im psychiatrisch-psychosomatischen Kontext an der Schnittstelle zu Naturheilverfahren entwickelt und richtete sich primär an Menschen mit affektiven Störungen, also im Wesentlichen Angsterkrankungen und Depressionen, aber im weiteren Sinne an alle Menschen mit stressassoziierten Erkrankungen. MBLM richtet sich aber auch an Gesunde, sodass man sich durchaus auch einen Einsatz in der Erwachsenenbildung oder Pädagogik vorstellen kann. Es ist geeignet für alle Menschen, die ihre Gesundheit, ihre Lebensqualität verbessern wollen und einen ganzheitlicheren Blick auf das Leben gewinnen wollen.

Nach einer ersten erfolgversprechenden Machbarkeitsstudie wurde eine randomisierte kontrollierte Studie aufgesetzt, in der 81 Patient*innen mit dem gleichen Krankheitsbild, also leicht- und mittelgradige Depression, rezidivierend oder erstmalig, eingeschlossen waren. Die Studie war dreiarmig angelegt. Eine Gruppe war die MBLM-Gruppe, die das beschriebene Programm erhalten hat. Eine Gruppe war die Kontrollgruppe im engeren Sinne, die keine weitere Intervention erhalten hat; wenn diese Menschen aber schon ein antidepressives Medikament eingenommen hatten, durften sie es weiter in der gleichen Dosis einnehmen. Die zweite, sozusagen „echte“ Kontrollgruppe war das „treatment as usual“, das heißt, diese Patient*innen haben eine Standardtherapie bekommen, wie sie an einer multiprofessionellen psychiatrischen Institutsambulanz umgesetzt wird: individuell angepasste Pharmakotherapie, Psychotherapie, Entspannungsverfahren, Bewegungstherapie und weitere Begleittherapien.

Die Ergebnisse waren wirklich beeindruckend: MBLM hat deutlich besser abgeschnitten als beide Vergleichsgruppen, nach 4 Wochen, nach 8 Wochen und – das ist das eigentlich Besondere – auch nach 6 Monaten noch. Viele Patient*innen haben die Übungen und Inhalte des Programms weiter in ihrem Leben umgesetzt.

Holger Bringmann schlussfolgert: „Der Lernerfolg und die Motivation waren so nachhaltig, der subjektive Effekt war so groß, dass die Teilnehmer*innen sich gesagt haben: ‚Das mache ich weiter! Ich meditiere weiter, ich mache weiter Yoga, ich beschäftige mich weiter mit der Lebensethik.‘“ Und ergänzt: „Vielleicht passiert das nicht ganz auf dem hohen Niveau, wie wir es im Kurs gemacht haben, aber eben in der eigenen Intensität – und genau so soll es ja auch sein.“

Die Jury begründete die Auswahl wie folgt: „Die Studie kann beispielhaft darlegen, wie ein gutes innovatives Studiendesign mit hoher wissenschaftlicher Expertise in der Durchführung Strahlkraft und Anerkennung für eine typische integrative nichtpharmazeutische Therapieform erlangen kann.“ Und Dr. med. Helmut Sauer, Mitglied der Jury, ergänzt in seiner Laudatio: „Die deutliche Überlegenheit der MBLM über eine standardisierte konventionelle Depressionsbehandlung und die hohe Akzeptanz der Teilnehmenden zeigen, wie wichtig der Einsatz der Integrativen Medizin sein kann.“

Ragnar Watteroth, Geschäftsführer der Karl und Hilde Holzschuh-Stiftung betont: „Den Stiftern war es ein großes Anliegen, die komplementäre Medizin zu fördern.“ Weiter führt er aus: „Ganz besonders freut uns, dass auch in diesem Jahr die Zahl und Qualität der eingereichten Arbeiten sehr hoch sind. Das zeigt, dass unser Preis eine wichtige Rolle in der Integrativen Medizin einnimmt – diese hochkarätigen Forschungsarbeiten in der Allgemeinheit bekannter zu machen.“

Der Holzschuh-Preis für Komplementärmedizin wird jährlich ausgeschrieben und ist mit 5000 Euro dotiert. Über die Vergabe des Preises entscheidet eine unabhängige, von der Hufelandgesellschaft und der Holzschuh-Stiftung zusammengestellte Jury. Bewertet werden dabei unter anderem das Studiendesign und die Qualität der Ergebnisse sowie die Relevanz für die Komplementärmedizin.

Originalstudie

[1] Holger C. Bringmann et al. Meditation-based lifestyle modification in mild to moderate depression – A randomized controlled trial. Depress Anxiety 2022; 39(5): 363–375. doi: 10.1002/da.23249

AUSSCHREIBUNG 2023

Seit mehr als 15 Jahren vergibt die Karl und Hilde Holzschuh-Stiftung gemeinsam mit der Hufelandgesellschaft jährlich einen Preis für herausragende Forschungsergebnisse in der Komplementärmedizin und Integrativen Medizin.

Dotierung: 5000 €

Einsendeschluss: 31. März 2023

Über die Vergabe des Preises entscheidet eine unabhängige Jury. Mit zahlreichen anspruchsvollen und innovativen Arbeiten und einer großen Spannbreite an Themen ist er einer der bedeutendsten Forschungspreise auf diesem Gebiet.

Mehr zu den Bewerbungskriterien und zum Preis: www.hufelandgesellschaft.de/holzschuhpreis

Weitere Quelle

[2] Michel Gehrke. Interview mit Holger C. Bringmann für die Carstens-Stiftung vom 5.9.2022. Im Internet: https://www.carstens-stiftung.de/mblm-neuartiges-mind-body-programm-an-der-schnittstelle-zur-psychotherapie.html



Publication History

Article published online:
08 December 2022

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